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Freie Wähler legen durch Flugblatt-Affäre in Umfragen zu

Der Fall Aiwanger

Aiwangers Flugblatt-Affäre wird für die Freien Wähler zum Punktsieg

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    Hubert Aiwanger, Bundesvorsitzender der Freien Wähler, in dieser Woche beim politischen Frühschoppen Gillamoos.
    Hubert Aiwanger, Bundesvorsitzender der Freien Wähler, in dieser Woche beim politischen Frühschoppen Gillamoos. Foto: Sven Hoppe, dpa

    Er scheint überall zu sein in diesen Tagen. Gerade noch im Bierzelt, jetzt auf der Internationalen Automobilausstellung, eben noch im Janker, nun im dunklen Anzug. Atemlos tourt Hubert Aiwanger durch den Freistaat. Es ist Wahlkampf und für seine Partei, die Freien Wähler, geht es um viel. Eine Pause ist nicht vorgesehen. Doch wo vor einer Woche noch ein spürbar angeschlagener 52-Jähriger saß, strahlt nun einer in die Kameras, der weiß: Wenn es in der politischen Schlammschlacht der vergangenen Wochen einen Gewinner gegeben hat, dann ist er es. Nicht nur, dass er bei seinen Auftritten bejubelt wird. Auch in den Umfragen zeigt sich: Die Affäre schadet den Freien Wählern nicht – womöglich nutzt sie ihnen sogar. Eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey für unsere Redaktion sieht die Freien Wähler stabil bei 12 Prozent – im Gegensatz zur CSU, die nur noch auf 36 Prozent kommt und zwei Prozentpunkte verliert. Gar einen deutlichen Sprung sehen die Demoskopen von Insa: Hier liegen die FW sogar bei 15 Prozent (CSU: 37 Prozent). In einer Umfrage von GMS kommen sie auf 16 Prozent (CSU: 38 Prozent).

    Der Skandal hat nicht nur einen großen Solidarisierungseffekt bewirkt. Aiwanger hat die Schlagzeilen der vergangenen Tage dominiert, sein Name sagt inzwischen auch all denen etwas, die sich mit bayerischer Landespolitik bislang kaum beschäftigt haben. Er selbst hält sich unterdessen zurück mit Anspielungen auf das menschenverachtende Flugblatt – und überlässt die Verteidigung seinen Parteifreunden. „Sie haben erkannt, dass er trotz allem erfolgreich ist“, sagt die Politikwissenschaftlerin Ursula Münch. „Welcher Politiker riskiert schon gerne sein Mandat?“ Die Frage sei, inwieweit sich die Freien Wählern dadurch von ihren eigenen Prinzipien entfernen würden. „Das Alleinstellungsmerkmal war doch gerade, dass es anstelle einer starken einzelnen Figur viele starke Figuren auf kommunaler Ebene gibt“, sagt die Expertin. „Der Korpsgeist, der gerade herrscht, widerspricht der Entstehungsgeschichte der Freien Wähler.“ Nur durch ihr Selbstverständnis, dass sich die FW eben nicht als „normale“ Partei, sondern eher als Bewegung verstehen, wirkte auch ihr Bild, nicht zum politischen „Establishment“ zu gehören, auf ihre Wählerinnen und Wähler glaubwürdig. „Was die Freien Wähler uns gerade präsentieren, ist das, was sie selbst immer an der CSU kritisiert haben“, sagt Münch.  

    Freie Wähler sehen eine gezielte Kampagne hinter den Vorwürfen in der Flugblatt-Affäre

    Für die Freien Wähler zählt so kurz vor der Wahl vor allem das Ergebnis, die Reihen hinter Aiwanger sind fest geschlossen. Einer, der sich in seiner Haltung und seinem Gefühl bestätigt sieht, ist Fabian Mehring. Der 34-Jährige ist parlamentarischer Geschäftsführer der Freien Wähler, einer mit Ambitionen. „Aktuell schwappt eine gewaltige Welle der Solidarisierung mit uns Freien Wählern durch Bayern und wir verzeichnen eine Rekordzahl an neuen Beitritten“, sagt er. Und spart selbst nicht mit deftigen Worten: „Die Menschen in Bayern bewerten selbst, was vor meiner Geburt auf einem niederbayerischen Schulklo passiert sein soll und durchschauen, weshalb dies sechs Wochen vor der Wahl von anonymen Quellen in die Medien getragen wurde.“ Die Freien Wähler bleiben bei ihrer Haltung, dass hinter den Vorwürfen nicht mehr stecke als eine Kampagne. „Diejenigen, die Hubert Aiwanger aus wahltaktischen Gründen beschädigen wollten, haben das genaue Gegenteil erreicht“, sagt Mehring. Aiwanger, so glaubt er, lasse gerade nach rechts keinerlei Spielraum.

    Was gegen Mehrings Theorie spricht: In der Umfrage von Civey klettert die AfD mit vier Prozentpunkten auf 17 Prozent und überholt die Grünen (15 Prozent). Zum Vergleich: Vor einem Jahr trennten Grüne und AfD noch zwölf Prozentpunkte.

    Die Zahl der Stammwähler der Freien Wähler geht zurück

    Ob sich die Umfrageergebnisse am 8. Oktober letztlich in Wählerstimmen niederschlagen, ist vier Wochen vor der Wahl allerdings keineswegs sicher. Seit einer Woche können die Unterlagen für die Briefwahl beantragt werden. Allerdings wird im ländlichen Raum, wo viele der Unterstützerinnen und Unterstützer Aiwangers leben, traditionell eher im Wahllokal abgestimmt. „Wir wissen eigentlich nicht mehr, wann die Leute wählen“, sagt Münch. Das sei für die Parteien ein großes Problem. Die Zahl der treuen Stammwähler nehme ab, viele Menschen ließen sich leichter durch aktuelle Ereignisse oder Stimmungslage beeinflussen. „Es gibt so eine große Dynamik, dass es sehr schwer ist, zu sagen, wer am Ende profitieren wird“, sagt sie. 

    Sollten es tatsächlich die Freien Wähler sein, dürfte Ministerpräsident Markus Söder auch nach der Wahl kaum eine Möglichkeit haben, Aiwanger aus seinem Kabinett zu verbannen. „Das dürfte auch gar nicht im Sinn von Herrn Söder sein“, sagt Münch. „Denn Aiwanger wird Parteivorsitzender bleiben – und einen nicht in die Kabinettsdisziplin eingebundenen Freie-Wähler-Chef könnte er kaum mehr kontrollieren.“ 

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