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Proteste gegen Rechtsextremismus: Großer Andrang, Münchner Demo abgebrochen

Demonstrationen

Die Republik steht auf

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    Zehntausende Menschen demonstrierten zwischen dem Siegestor und dem Odeonsplatz. Es waren deutlich mehr, als die Veranstalter erwartet hatten.
    Zehntausende Menschen demonstrierten zwischen dem Siegestor und dem Odeonsplatz. Es waren deutlich mehr, als die Veranstalter erwartet hatten. Foto: Karl-josef Hildenbrand, dpa

    Ludwig der I. hat die Straße als Prachtboulevard entworfen, die seinen Namen trägt und vom Münchner Odeonsplatz nach Norden bis zum Siegestor reicht, wo sie in die Leopoldstraße übergeht. Gute zwei Kilometer lang ist der Weg vom Odeonsplatz bis zur Münchner Freiheit. Zwei Kilometer, die sich am Sonntagnachmittag in ein Menschenmeer verwandeln. Zehntausende sind gekommen, um für Demokratie und Menschenrechte auf die Straße zu gehen. Jüngere, Ältere, Familien mit kleinen Kindern und junge Erwachsene mit ihren Eltern. Auf Plakaten sind Slogans zu lesen wie "München ist bunt", "Menschenrechte statt rechte Menschen" und immer wieder Spott und Hohn gegen die AfD - "Abgrund für Deutschland", "AfD wählen ist so 1933" oder - in bestem Münchner Sound - "EkelhAfD". 

    Es ist eine der größten Demonstrationen, die die Landeshauptstadt je erlebt hat. Und es ist wohl die kürzeste aller Zeiten. Um 14.40 erklärt die Veranstaltungsleitung die Versammlung für beendet. "Es ist so geil und es ist so scheiße", schallt es aus den Lautsprechern an der Demonstrationsroute: Es seien zu viele Menschen gekommen, man müsse aus Sicherheitsgründen abbrechen. Von 250.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern sprechen die Veranstalter da, die Polizei schätzt die Menschenmenge auf 100.000. Auch das wäre immer noch gut das Vierfache davon, womit die Einsatzkräfte vorab gerechnet hatten. 

    Viele Demonstranten machten sich über die AfD lustig, wie hier: "Selbst eine Kartoffel hat Migrationshintergrund."
    Viele Demonstranten machten sich über die AfD lustig, wie hier: "Selbst eine Kartoffel hat Migrationshintergrund." Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa

    Ursprünglich war ein Demonstrationszug Richtung Norden geplant gewesen, durch Schwabing und am Haus der Burschenschaft Danubia vorbei, deren Aktivitas – also die aktuell studierenden Mitglieder - vom bayerischen Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingeschätzt wird. Die Veranstalter hatten erwogen, dort eine Zwischenkundgebung abzuhalten, waren davon jedoch schon im Vorfeld wieder abgerückt, zu schnell war die erwartete Teilnehmeranzahl gestiegen. 

    Und dann übertreffen die tatsächlichen Zahlen am Sonntag noch einmal alle Erwartungen. Nicht einmal die auf eine Stunde angesetzte Auftaktveranstaltung mit Reden und Musik-Acts kann wie geplant stattfinden. Die linke Band Kavka muss ihren Auftritt abbrechen. Als Sänger Jonas Kakoschke wenige Minuten vor Abbruch der Demo die Menge dazu aufruft, Haltung gegen rechte Politik und dafür "auch der Ampel den Stinkefinger" zu zeigen, kommen dem nur vereinzelte Demonstranten nach. Ein Mann schüttelt den Kopf. "Hier sind sehr viele verschiedene Ansichten und Organisationen vertreten", sagt er. "Ich stimme nicht mit allem überein, zum Beispiel nicht mit diesem Ampel-Bashing." Er sei froh, dass jemand die Demonstration organisiert habe. Der Angestellte im öffentlichen Dienst ist mit Freunden aus Ingolstadt angereist. "Wir sind hier, um ein Zeichen zu setzen", sagen sie, die Berichte über das Geheimtreffen Rechtsextremer und die Entwicklungen der letzten Wochen hätten sie "mehr und mehr schockiert". 

    Viele Teilnehmer stellten sich gegen Pläne von Rechtsextremisten, Menschen mit Migrationshintergrund zu "remigrieren", also auszuweisen.
    Viele Teilnehmer stellten sich gegen Pläne von Rechtsextremisten, Menschen mit Migrationshintergrund zu "remigrieren", also auszuweisen. Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa

    230 Organisationen haben zur Demonstration aufgerufen

    Aufgerufen zu der Demonstration hatten mehr als 230 Münchner Organisationen, darunter Fridays for Future, Gewerkschaften und der Verein „München ist bunt“, der seit 2010 Demonstrationen gegen rechts organisiert. Politiker oder Amtsträger sind als Redner nicht vorgesehen – die Demonstration sollte explizit als Bewegung der Zivilgesellschaft verstanden werden. Nichtsdestotrotz sind viele Spitzenpolitiker dabei, darunter Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD). Etliche hatten ihr Kommen im Vorfeld angekündigt, darunter auch der bayerische Justizminister und Münchner CSU-Chef Georg Eisenreich (CSU). An den Initiatoren des Protests hatte Eisenreich im Vorfeld Kritik geübt. Er warnte vor einer Instrumentalisierung der Proteste gegen jede Art konservativer Politik und stellte infrage, ob Fridays for Future ein „legitimer Organisator einer solchen Demonstration gegen Extremismus" sein könne und begründete dies damit, dass sich der deutsche Ableger der Klimabewegung nur „halbherzig“ von Greta Thunbergs „unsäglichen“ Äußerungen zu Israel distanziert hätte. 

    Karin Wengele, Agrar-Beraterin aus Laim und gebürtige Aichacherin: "Ich bin hier, weil ich weiß, dass es auch Bauern gibt, die eine andere Meinung vertreten. Umweltschutz, Naturschutz, Landwirtschaft, alle müssen jetzt zusammenhalten und sich für Menschenrechte einsetzen – weltweit.“
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    Mindestens Hunderttausend Menschen haben am Sonntag in München für Demokratie und Menschenrechte demonstriert. Jüngere, Ältere, linkere und weniger linke. Drei von ihnen sagen, was sie auf die Straße getrieben hat.

    Deutlich schärfere Töne hatte Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger angeschlagen. Er hatte die Demonstration im Vorfeld mit Protesten in Berlin gleichgesetzt, bei denen Linksextreme vergangene Woche mehrere Polizisten verletzt hatten, und angekündigt, am Wochenende lieber anderswo zu demonstrieren - und im baden-württembergischen Ellwangen ein Zeichen "gegen die Ampel" zu setzen. Aiwanger hatte sich zuletzt immer wieder an die Spitze der regierungskritischen Bauernproteste gesetzt. "Ich bin hier, weil ich weiß, dass es auch Bauern gibt, die eine andere Meinung vertreten", sagt Karin Wengele am Rande der Münchner Groß-Demo. Die Agrar-Beraterin trägt eine Filz-Biene an der Mütze und engagiert sich in der alternativen "Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft". Sie sagt: "Umweltschutz, Naturschutz, Landwirtschaft, alle müssen jetzt zusammenhalten." 

    Für die Nina Berg, waren die Entwicklungen der vergangenen Wochen ausschlaggebend dafür, dass sie mit Mutter und Freund demonstriert. „Ich bin hier, um ein Zeichen zu setzen und für Demokratie einzustehen", sagt sie. "Bei dem, was gerade los ist, hat man das Gefühl: Jetzt ist es vorbei mit dem Schweigen, jetzt ist der Damm gebrochen, jetzt geht’s auf die Straße."

    Demonstriert wird in vielen Städten Deutschlands

    Bereits am Samstag hatten in etlichen bayerischen Städten Tausende für Zusammenhalt und Toleranz in der Gesellschaft und gegen Ausgrenzung und Extremismus demonstriert. Das Bündnis Nazistopp hat zu einer Kundgebung in Nürnberg aufgerufen, nach Polizeiangaben kamen etwa 15.000 Menschen, darunter viele Familien. Erwartet worden waren um die 1000 Teilnehmer. In Würzburg zählte die Polizei bis zu 3000 Menschen, in Aschaffenburg etwa 800. In Bamberg nahmen unter dem Motto "Demokratie verteidigen" laut Polizei rund 6000 Menschen teil. Eine Demonstration in Hamburg musste am Freitag ebenfalls wegen zu großen Andrangs abgebrochen werden. 9000 wurden in der thüringischen Landeshauptstadt Erfurt gezählt, wo AfD-Politiker Björn Höcke im Herbst als Wahlsieger die Regierung übernehmen will.

    Die geografische Breite der Kundgebungen sei bemerkenswert, sagt der Konfliktforscher Andreas Zick der Deutschen Presse-Agentur. Ost und West seien vertreten, Metropolen wie auch kleinere Städte. Außerdem beteiligten sich Menschen, die noch nie oder seit Jahren nicht mehr demonstriert hätten. "Es sind nicht nur die erwartbaren urbanen, gebildeten und engagierten Milieus, sondern eine generationenübergreifende Zivilgesellschaft." Man spüre, dass ein Ruck durch die Gesellschaft gegangen sei: "Dass Richter, die Kirchen und vor allem die Unternehmen sich so klar an die Seite der Demonstrationen stellen, hat es lange nicht gegeben." Hanny und Cedric Heil sind mit ihren drei Kindern zur Demonstration am Siegestor gekommen. "Wir sind hier damit die Aufregung und der Frust nicht nur im Wohnzimmer bleibt, das musste mal raus", sagt Cedric, Buchhalter aus Schwabing. Es ist seine erste Demonstration. "Und wir wollten den Kindern zeigen, wie Demokratie funktioniert." Sie freuen sich über den riesigen Zulauf: "Wenn manche Parteien sagen, sie seien das Volk, sieht man heute: Das stimmt nicht."

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