Mal parkt jemand in der Einfahrt, obwohl dort ein großes Verbotsschild hängt. Mal steht jemand auf einem Behindertenparkplatz, obwohl er nicht darf. Mal wird so auf dem Gehweg gehalten, dass kein Rollstuhl und kein Kinderwagen mehr vorbeipassen. Und mal wird ein Auto auf dem Fahrradweg abgestellt. All das ist verboten und dennoch hat vermutlich jeder solche Parksituationen schon erlebt – und sich darüber geärgert. Aber vor Gericht mussten deshalb wohl die wenigsten. Anders ein Mann aus München.
Der Münchner pendelt jeden Tag mit dem Rad zur Arbeit und zurück. Immer wieder war der Radweg von parkenden Autos blockiert. Eine Situation, die durchaus gefährlich werden kann – etwa wenn der Radler auf eine viel befahrene Straße ausweichen muss. Der Mann machte deshalb Fotos der falsch parkenden Autos und schickte sie an die Polizei und das Ordnungsamt München. Aus Sicht des Bayerischen Landesamts für Datenschutzaufsicht verstieß der Münchner damit gegen die Datenschutzgrundverordnung. Deshalb erhielt er eine Verwarnung und sollte 100 Euro bezahlen. Dagegen klagte er nun erfolgreich. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach wird von verschiedenen Stellen als Grundsatzurteil gewertet.
Deutsche Umwelthilfe unterstützt Radler, der Falschparker fotografiert
Unterstützt wurde der Münchner bei seiner Klage von der Deutschen Umwelthilfe. Die war klar der Auffassung: Wer Fotos macht, um falsch parkende Autos zu melden, handelt nicht rechtswidrig. Im Gegenteil. "Der Kläger stand immer im freundlichen Kontakt mit der Münchner Polizei und dem Ordnungsamt, hat sogar Tipps bekommen, wie er sich am besten Verhalten soll, um das Falschparken zu dokumentieren", erzählt Robin Kulpa von der Deutschen Umwelthilfe. Und doch bekam der Münchner irgendwann Post vom Landesamt für Datenschutzaufsicht aus Ansbach. Denn dort sah man den Fall anders.
Wer unaufgefordert Fotos von Falschparkern mache und an Behörden weiterleite, der verstoße gegen die Datenschutzgrundverordnung. Eine Sprecherin des Landesamts für Datenschutzaufsicht erklärt das so: "Es ist nicht stets zulässig, im öffentlichen Raum Fotos oder beispielsweise Videos anzufertigen. Vielmehr liegt hier häufig eine Datenverarbeitung vor, die nach der Datenschutzgrundverordnung zunächst nicht erlaubt ist." In solchen Fällen müsse klar sein, ob jemand, der ein Foto mache, ein berechtigtes Interesse habe.
Fotos von Falschparkern gehen der Bayerischen Datenschutzbehörde zu weit
"Der Fotografierende muss darlegen, dass sein Interesse am Anfertigen und Übermitteln der Bilder überwiegt gegenüber den Interessen des Fahrzeughalters", heißt es weiter. Das heißt: Fotos von Falschparkern zu machen, um sie bei der Polizei zu melden, das geht aus Sicht der Datenschützer zu weit. Ein berechtigtes Interesse habe aber etwa jemand, dessen Einfahrt zugeparkt sei. Und ein Radler, der nicht weiterkommt? Der auch, finden die Ansbacher Richter. Oder zumindest verstößt er damit nicht gegen Regeln des Datenschutzes.
Dass Menschen Falschparker melden, ist kein Einzelfall. So etwa teilt das Ordnungsreferat in Augsburg mit, dass auch sie Hinweise von Augsburgerinnen und Augsburgern erhalten. "Die Kolleginnen und Kollegen der Ordnungsbehörde prüfen alle Meldungen und holen bei Bedarf weitere Informationen ein. Tatsächlich gerechtfertigte, vollständige Beschwerden werden dann regulär bearbeitet", teilt Ordnungsreferent Frank Pintsch mit. Bei der Behörde arbeiten 35 Menschen, die im Jahr 160.000 Strafzettel ausstellen – ein Großteil davon für Menschen, deren Parkschein abgelaufen ist, oder die im Halteverbot stehen.
Urteil aus Ansbach: Wer Falschparker fotografiert, handelt nicht rechtswidrig
Es gibt inzwischen sogar Apps und eine Website, mittels derer Falschparker ans Ordnungsamt gemeldet werden können. Auf der Seite weg.li heißt es zum Beispiel, dass dort schon knapp 457.000 Meldungen zu Falschparkern eingegangen und knapp 450.000 Anzeigen erstattet worden seien. Die Deutsche Umwelthilfe kann nicht verstehen, wo hierbei das Problem liegen soll. "Wie soll man denn beweisen, dass ein Auto wirklich im Weg stand, wenn man kein Foto macht?", fragt Robin Kulpa. Und schiebt noch eine Vermutung hinterher: "In anderen Bundesländern haben die Datenschutzbehörden kein Problem, wenn Menschen Falschparker melden", sagt er. "Aber aus Bayern oder auch aus Sachsen-Anhalt hören wir immer wieder Ähnliches." Seine Vermutung deshalb: Dort sei es den Behörden ein Dorn im Auge, wenn Bürgerinnen und Bürger sich bei ihnen meldeten.
Nun haben die Richter in Ansbach aber offiziell entschieden: Falschparker fotografieren und die Bilder an Polizei oder Ordnungsamt weiterleiten, ist nicht rechtswidrig. Eine Urteilsbegründung liegt noch nicht vor. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) begrüßte die Entscheidung. Und sagt: "Die DUH fordert ein sofortiges und dauerhaftes Ende der Schikanen gegen betroffene Bürgerinnen und Bürger durch bayerische Behörden." Die Bayerische Datenschutzbehörde hatte, als die Klage gegen den Bescheid eingegangen war, ähnliche Fälle vorerst ruhen lassen. Man wolle das Urteil abwarten, heißt es zur Begründung. DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch sagte nach der Bekanntgabe des Urteils: "Wenn ich eine Behinderung durch Falschparker melde, ist es selbstverständlich, dass ich meine Anschuldigung mit einem Foto belege. Dass zur Feststellung dieser Selbstverständlichkeit ein Gerichtsurteil notwendig war, zeigt erneut, dass bayerische Behörden das Auto über Recht und Gesetz stellen."