Florian Streibl hatte in einer vertraulichen Runde keinen Zweifel gelassen: Er werde alles tun, um die Koalition mit der CSU vor dem Bruch zu bewahren, sagte der Fraktionschef der Freien Wähler im Vorfeld der Krisensitzung in der Münchner Staatskanzlei. Am Streit über eine Zustimmung für das Berliner Schuldenpaket wollte Streibl das bayerische Regierungsbündnis nicht scheitern lassen und meldete am Montagabend Vollzug: „Die Bayernkoalition steht und ist handlungsfähig. Es kann nicht sein, dass wir diese bürgerliche Regierung zugunsten der SPD gefährden.“
Womit bestätigt ist: Die Gefahr war da. Je mehr die Freien Wähler damit kokettiert hatten, Bayerns Zustimmung zu dem Billionenpaket im Bundesrat zu blockieren, desto deutlicher drohte die CSU hinter den Kulissen mit einem Partnerwechsel: SPD statt FW. Das wirkte. Schon am Wochenende deutete Freie-Wähler-Chef Aiwanger bei einer Veranstaltung im oberbayerischen Neuburg/Donau an, dass seine Gruppierung wohl einlenken werde.
Schuldenpaket: Die Freien Wähler hatten keine andere Wahl
So kam es auch. Wie beide Seiten übereinstimmend schilderten, verlief der Koalitionsausschuss zwischen den Spitzen von CSU und Freien Wählern geradezu harmonisch. Von einer „sehr positiven Runde“ sprach Staatskanzleichef Florian Herrmann, der am Montag gemeinsam mit Streibl die Einigung verkündete. Dieser nannte die Gespräche „sehr fair“, sein für Finanzfragen zuständiger Vize Bernhard Pohl empfand die Gesprächsführung durch Ministerpräsident Markus Söder als „außerordentlich wertschätzend“. Das mag den Freie-Wähler-Vertretern das Nachgeben erleichtert haben, eine große Wahl hatten sie ohnehin nicht, wie Streibl hernach zugab. Seinem Demokratie-Verständnis nach hätten seine kleinen Freien Wähler sich nicht gegen das Votum einer Zwei-Drittel-Mehrheit des Bundestags und einer Mehrheit der Bundesländer sperren können. Außerdem sei die Notwendigkeit der Rüstungsmilliarden unbestritten, diese gebe es aber nur zusammen mit der halben Billion Euro für die Infrastruktur. Streibl: „Alles hat seinen Preis und den müssen wir jetzt bezahlen.“
Garniert wird die bayerische Zustimmung mit ein paar Protokollnotizen. Ob diese je eine praktische Auswirkung haben werden, ist offen. FW-Fraktionsvize Pohl hält das vorsorgliche „Nein“ zur Klimaneutralität 2045 als Staatsziel für wichtig, ebenso das neuerliche Bekenntnis zu einer Änderung des Länderfinanzausgleichs. Der Rest? „Wir bekräftigen das, was zum Teil schon vereinbart ist“, sagt CSU-Mann Herrmann.
Digitalminister Mehring will trotz „massiver Bauchschmerzen“ zustimmen
Die vorher in Teilen sehr kritische Landtagsfraktion der Freien Wähler gab dennoch ihren Segen. Noch am Montagabend nahm sie den Beschluss mit klarer Mehrheit an. Digitalminister Fabian Mehring, der nicht Teil der Verhandlungsrunde gewesen war und vergangene Woche zu den kritischen Stimmen gezählt hatte, glaubt, dass Widerstand am Ende zwecklos gewesen wäre: „Gekommen wäre das umstrittene Deutschlandpaket sowieso. Hätten wir Freie Wähler unsere Zustimmung im Bundesrat verweigert, würde ab Freitag auch in Bayern Schwarz-Rot regieren und die Mehrheit im Bundesrat sichern.“ Mehring will deshalb trotz „massiver Bauchschmerzen“ am Dienstag im Kabinett zustimmen.
Und Hubert Aiwanger? Der Freie-Wähler-Chef erschien ebenso wie der CSU-Vorsitzende Söder nicht vor den Medien. Der Ministerpräsident und sein Vize wurden beim Festakt zu 100 Jahren Staatskirchenvertrag mit der Evangelischen Kirche erwartet.
Was bedeutet die Einigung nun für Bayern? Dort kann Finanzminister Albert Füracker auf knapp 16 Milliarden Euro aus dem Infrastruktur-Sondervermögen hoffen. So hoch ist in etwa der bayerische Anteil an den insgesamt 100 Milliarden, die für Länder und Kommunen vorgesehen sind. Zusätzlich könnte Bayern sich mit rund 2,5 Milliarden Euro im Jahr verschulden. So viel erlaubt die auch für die Länder dann gelockerte Schuldenbremse. Strittig ist unter Juristen, ob dafür noch einmal eigens die bayerische Verfassung geändert werden müsste oder ob das bundesdeutsche Grundgesetz mehr zählt als die Verfassung eines einzelnen Bundeslandes.
Schulze verweist beim Schuldenpaket auf Merz und Söder
Katharina Schulze, Fraktionschefin der Grünen im Bayerischen Landtag, hat die Bayern-Koalition ermahnt, das zusätzliche Geld auch wirklich für Investitionen in die Zukunft zu nutzen. Schulze nannte den Ausbau von Wärmenetz, die Sanierung von Schulen sowie die Förderung von kommunalen Wohnungsbaugesellschaften als vordringliche Handlungsfelder in Bayern. Schon im Bund hätten am Ende nur die Grünen verhindert, dass das Berliner Schuldenpaket auch zur Finanzierung laufender Staatsausgaben hergenommen wird. Schulze sagte mit Blick auf die versprochene Senkung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie: „Wir haben Union und SPD davon abgehalten, Millionen quasi im Wirtshaus zu verjubeln.“
Den schwierigen Weg zur Einigung im Bund und jetzt auch in Bayern kommentierte die Fraktionschefin der Grünen so: „Wir sind in dieser Situation, weil sich Friedrich Merz und Markus Söder vor dem Wahlkampf einer Lösung verweigert haben.“ Die Chefs von CDU und CSU hätten entsprechende Vorschläge der Grünen abgelehnt und so die jetzige Zwangslage herbeigeführt, in der unter hohem Zeitdruck eine Einigung hermuss.
CSU und Freie Wähler seien „dysfunktionale Krach-Koalition“
Das Bündnis aus CSU und Freien Wählern bezeichnete Schulze als „dysfunktionale Krach-Koalition.“ Man frage sich, ob der Zank in Bayern jetzt so weitergehe. Schulze warf Ministerpräsident Söder Führungsfehler vor.
SPD-Fraktionschef Holger Grießhammer, der in der vergangenen Woche seine kleine Landtagsfraktion als Koalitionspartner für die CSU ins Spiel gebracht hatte, knöpfte sich dagegen Aiwanger vor: „Die Freien Wähler haben aus reiner Parteitaktik gepokert - und verloren. Ihr angeblicher Verhandlungserfolg ist reine Kosmetik, da lediglich längst Beschlossenes bekräftigt wird. Sie sind kein verantwortungsbewusster Regierungspartner.“
Sie bleiben es aber.
Alle politischen Parteien sind käuflich, nur die Preise sind unterschiedlich.
Falsch! Wir leben in einer Demokratie, in der das Aushandeln von Kompromissen der Regelfall ist. Halten Sie, Herr Axmacher, sich für käuflich? Raimund Kamm
Kompromisse Herr Kamm? Die SPD ist bei 200 Milliarden eingeknickt, die Grünen waren schon für die Hälfte zu haben und den Aiwanger hat Söder aus der Portokasse bezahlt. Dabei ist das Ganze eher ein Kuhhandel mit ungedeckten Schecks. Man muss schon sehr naiv sein um an die Versprechen des Friedrich Merz zu glauben.
Bei einer Volksabstimmung würde das Schuldenpaket wohl nicht geschnürt werden können.
Klar, die Buerger wollen marode Bruecken, eine unzuverlaessige Eisenbahn, unterfinzanzierte Krankenhaeuser und auch keine funktionierende Verteidigung.
Damit dürfte der Höhenflug des Politikers Aiwanger endgültig zu Ende sein.
1. "bürgerliche Regierung " ? Sind SPD-Waehler und Politiker keine Buerger ? 2. Keine Wahl ? Da haette man ja zu seinen Ueberzeugungen stehen muessen ? Aber ein bisschen Macht ist halt besser als gar keine. Das gilt auch fuers Geld. Sauber, wenn das buergerliche Tugend sein soll.
Ich hätte gedacht, der hat mehr Arsch in der Hose..................
Karl Brenner Ach, Frau Reisser, Herr Aiwanger ist maßlos überschätzt und leidet unter dem Minderwertigkeitskomplex, nicht so schöne Beine wie Frau Wagenknecht zu haben.
Aiaiai, Mensch Aiwanger - wolltest Du Dir nicht kürzlich noch die "Demokratie zurückholen" (falls Du nicht gerade irgendwelche rassistischen Flugblätter verteilst bzw. rumträgst)? - Aber das hast Du sicher auch schon wieder vergessen...
Schon spannend, wie eine Partei nach der anderen Einknickt und bei diesem historischen und dem Volkswillen gegensätzlichen Schauspiel mitmachen. Und dann wird man sich bei den nächsten Wahlen wundern, wenn die AfD bei 30 oder mehr Prozent liegt.
Die AfD weiß ja immer genau, was der "Volkswillen" ist, oder? Ein Fünftel der Wähler sind der Volkswillen. jaaaa, das wissen wir nun schon. Und schon droht man wieder mit den 30 %. Kann die AfD auch konstruktive Lösungen auf den Tisch legen oder will sie immer nur mit Drohungen arbeiten? Bei den Wahlduellen hatte man nicht den Eindruck, dass Frau Weidel ein Konzept hat, sie hat es auch da mit Einschüchterung des fragenstellenden Publikums versucht.
@Frau Reichenauer Ich gebe Ihnen vollkommen Recht, dass die AfD keine Konzepte und Antworten hat. Aber diese Shitshow der bürgerlichen Mitte werden viele Wähler sehr übel nehmen und bei der nächsten Wahl auf die Ränder ausweichen oder nicht mehr wählen, was ebenfalls den Rändern hilft. Die Ränder brauchen überhaupt kein Konzept, wenn die Mitte sich mit billigstem Geschacher, das jedem Basarhändler die Schamesröte ins Gesicht treibt, selbst demontiert.
Woher wissen Sie denn, was der Volkswillen ist? Die AFD-Absichten sind nachgewiesenermaßen nicht die Mehrheitsmeinung in Deutschland. Raimund Kamm
Karl Brenner Herr Müller, geben Sie dieser Regierung in von außen her vorgegeben komplexen Zeiten einfach einmal eine Chance. Sie ist nicht in der Zusammensetzung, wie ich es mir gewünscht habe, und ich meine auch, dass sich Herr Merz als Sprachrohr der Opposition unfair verhalten hat. Aber es kann doch sein, dass er eine integre gute Arbeit macht, die Investitionsprogramme zielgemäß genutzt werden, um etwas Positives zu bewirken und diese dazu beitragen, die Situation der BRD zu verbessern. Wer die Entscheidungsträger in der Politik pauschal immer als korrupt und falsch darstellt, sollte einmal sein eigenes Wertekonzept überprüfen. Besorgnis habe ich eher in der Frage, ob sich in Zukunft noch kompetente und anständige Menschen finden werden, die Regierungsverantwortung für uns immer Unzufriedene zu tragen, oder ob uns nur ein dumm auf der Bühne tänzelnder Populist zur Auswahl steht, dessen laute Anhänger sogar bereit sind, das Parlament zu stürmen, wenn es dem Herrn gefällt.
@Karl Brenner Anständige Menschen kommen in der Regel nicht in die Regierungsverantwortung, denn der Weg dorthin ist gepflastert mit Intrigen, Bündnissen auf Zeit und Kuhhandel. In jeder Partei. Die Investitionsprogramme sind notwendig, weil sich die Parteien der Mitte in den letzten 30-40 Jahren mit Stillstand zufrieden gegeben, alle auftauchenden Probleme ignoriert oder mit Geld zugeschüttet und es sich in dieser Blase komfortabel eingerichtet haben. Die Probleme kommen auch nicht aufgrund komplexer Zeiten, sondern die aktuellen Umstände legen die Versäumnisse der Vergangenheit schonungslos offen. Die Lösung von Herrn Merz ist: Alle Probleme mit geliehenem Geld zuzuschütten, dessen Rückzahlungsbeginn er selbst nicht mehr erleben wird. Sie bemerken die Ähnlichkeit im Vorgehen? Nur tritt er dabei noch mit Anlauf den kommenden Generationen in den Hintern. Herr Merz ist sicher Vieles, aber er ist weder integer (Schuldenbremsenlüge), noch hat er das Format zu einem Staatenlenker.
Nun, Frau Reichenauer, Fakt ist wohl, dass die FW durch ein Veto die Entscheidung des Bundesrates sehr wohl hätten kippen können. Oder sehen Sie das anders? Deshalb kann ich mir nur wünschen, dass die einzige Alternative - die es derzeit gibt - die absolute Mehrheit bekommt! Dann werden alle mitbekommen, ob hinter den Blockaden auch konstruktive Lösungen erarbeitet werden. Was mich betrifft, möchte ich es gerne einmal darauf ankommen lassen 😉
Die AFD will aus der NATO und sympathisiert mit Russland. Ich möchte nicht in einem von Russland dominierten Land leben. Raimund Kamm
Nein danke, ein derartiges Experiment hat uns und die Welt schon einmal in die braune Scheiße rein geritten!
Genauso ist es, Herr Dünzl und Herr Kamm, ich kann darauf sehr gut verzichten. Die neue Regierung ist nicht die, die ich mir wünsche, aber wenn sie in einigen Punkten wenigstens gute Arbeit für die Bürger hinbekommt, dann ist schon viel gewonnen. Aber braun ist wirklich nicht meine Lieblingsfarbe, auch wenn sie jetzt in Tarnblau auftritt. Dass viele Menschen die wahre Natur dieser Partei nicht sehen, ist schlimm genug. Aber das ist umso mehr ein Grund, immer da gegenzuhalten, wo es notwenig ist. Das ist manchmal ein wenig anstrengend, aber es bleibt wichtig.
In den USA haben viele Bürger geglaubt, sie hätten den Messias gewählt, aber so ganz langsam gehen vielen, die Trump gewählt haben, die Augen auf, weil seine Bocksprünge auch sie treffen, z.B. die Farmer. Daran sollten Sie denken, wenn Sie von einer absoluten Mehrheit der AfD träumen. Das könnte in eine ganz ähnliche Richtung gehen. Auch Frau Weidel hat vor allem durch Pampigkeit geglänzt, wenn man ihr kritische Fragen gestellt hat. Damit kann man vielleicht bei Wahlen dazugewinnen, weil man es denen da oben mal zeigen will. Lösungen erwachsen daraus keine.
Bei jährlichen Steuereinnahmen von 1000 Milliarden Euro hatte die Regierung in den letzten Jahren genug Zeit und Geld, sich um diese Sachen zu kümmern. Hatten wohl keine Zeit dafür....?
Vor allem die 16 Jahre schwarz-geführter Regierung mit ihrem goldenen Kalb "der schwarzen Null" und dafür die Schulden einer maroden Infrastruktur und Verteidigung hinterlassen.
Ja das wäre schön, wenn das Aushandeln von Kompromissen an vorderster Stelle von demokratischen Parteien stehen würde. Leider war das in der vergangen (verkürzten) Wahlperiode mit der Opposition nicht möglich. Bezüglich der Käuflichkeit - es muss ja nicht immer monitär sein - verweise ich aber gern auf Mario Adorf in Kir Royal.
Die Grünen umd die SPD sind die Loser-Parteien der letzten BTW. Und wie Merz und Söder jetzt schnell noch tricksen, ist sicher nicht das, was der Großteil der Wähler gewollt hat. Ich befürchte, dass es am rechten Rand der Union noch Potenzial für die Alternative gibt. Vor allem auch, weil das jetzige Vorgehen total im Gegensatz zu den Aussagen vor der Wahl steht.
Falsch, die Grünen haben kaum verloren, die SPD und FDP gewaltig und die CDU ihr zweitschlechtestes Ergebnis eingefahren - hinzugewonnen haben BSW, AfD und Linke.
Nicht falsch, -3,1 %-Punkte und Minus 33 Sitze ist doch wohl eindeutig verloren. Die FDP ist in diesem Zusammenhang überhaupt nicht mehr interessant.
Die absoluten Loser sind die Wähler der CDU, denn die bekommen nun alles andere als das was gesagt wurde.
Es wird sehr darauf ankommen, wie das Geld eingesetzt wird und ob es der Wirtschaft hilft, neue Impulse zu bekommen. Besonders freut mich, dass noc Geld in den Klimafond fließt, denn das ist extrem wichtig, um begonnene, vielversprechende Entwicklungen weiterzuführen. Das wird der AfD-Block anders sehen, aber künftige Generationen werden die Investitionen in die Zukunft zu schätzen wissen. Ich finde das jetzt praktizierte Verfahren auch nicht ganz glücklich, man hätte dafür längst Mehrheiten parteiübergreifend finden können. Die FDP hat viel ausgebremst, was bereits in den letzten drei Jahren der Wirtschaft geholfen hätte – hoffen wir, dass die Handbremse nun gelockert wird.
Karl Brenner Genauso sehe ich das auch, Frau Reichenauer.
@Heiß: Die "OBer-Loser" sind ganz klar FDP, SPD und Union (auch wenns sie gegenüber ihrem historisch schlechtesten Wahlergebnis leicht hinzugewonnen haben), Grüne mit moderaten Verlusten und die weiteren im Bt vertretenen mit Gewinnen.
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