Von "unserer erstklassigen Kanzlerin" spricht Seehofer und schwärmt von ihrer "natürlichen Autorität". So viel Lob war von der sonst auf ihren Parteitagen gegen die große Schwesterpartei stichelnde CSU wohl noch nie für die CDU zu hören.
Doch in der CSU gefällt dieser Kurs nicht allen. Die Christsozialen drohten zum "folkloristischen Anhängsel" der CDU zu verkommen, raunt einer am Rande des Parteitags. Nur Kleinkram wie die Pkw-Maut komme von der CSU - dass aber die Welt mit ihren Konflikten brennt und welche Antworten die CSU darauf gebe, dazu sei nichts zu hören. Hinter vorgehaltener Hand kommt die Kritik. Natürlich, denn in der CSU haben sie sich die offenen Widerworte unter Seehofer mit wenigen Ausnahmen abgewöhnt. Dessen rigorose Personalpolitik wie etwa die Ablösung von CSU-Vize Peter Ramsauer als Bundesverkehrsminister verstärkte dies.
Für manch einen ist das ein Teil der Handschrift Seehofers. Doch dies meint Seehofer nicht, als er seine "persönliche Handschrift" als Grund für die CSU-Erfolge mit der Rückeroberung der absoluten Mehrheit in Bayern vor einem Jahr hervor hebt. Neben Merkel lobt Seehofer vor allem seine eigene Leistung. Er habe Steuererhöhungen in der großen Koalition verhindert, die Mütterrente und das Betreuungsgeld gegen Widerstand durchgesetzt. "Wort halten ist Vertrauen schaffen", sagt Seehofer. Und Vertrauen sei "die wichtigste Währung" in der Politik.
Dies gilt auch innerhalb einer Partei. Und vor diesem Hintergrund lässt es sich wohl erklären, dass Seehofer in Nürnberg das ganz große Rad dreht. Da er seinen Rückzug in den Ruhestand für das Jahr 2018 angekündigt hat, könnte er ohne Vertrauen seiner Parteifreunde zur politischen "lahmen Ente" werden und müsste seinen Sturz fürchten.
Seehofer: Bayern als "Land der unbegrenzten Möglichkeiten"
Neben dem selbstbewussten Ziel der absoluten Mehrheit im Bund trägt Seehofer auch für Bayern entsprechend dick auf. Nachdem Bayern schon die niedrigste Arbeitslosenzahl hat und in seinem Haushalt Schulden abbaut, heißt es bei ihm nun: "Mein Ziel ist, dass wir Bayern in den nächsten Jahren zum Land der unbegrenzten Möglichkeiten entwickeln."
Über mehr Anstrengungen in der Bildungspolitik, über das Schaffen gleichwertiger Lebensverhältnisse in allen bayerischen Landstrichen und die Digitalisierung des Freistaats will der CSU-Chef dieses Verheißungsland schaffen. Das hört sich super an - doch es blendet aus, dass die CSU mit wachsenden parteiinternen Querelen um eine Lösung für die Energiewende ringt und die Zukunft der Gymnasien für Verunsicherung sorgt.
Und neben diesen Problemen zeigt sich in Nürnberg auch, dass Seehofer ein Problem mit einer Personalie hat: Sein Generalsekretär Andreas Scheuer schwächelt. Nach dem in seiner Verantwortung liegenden Desaster mit dem wieder einkassierten Leitantrag zu einer Deutschpflicht für Migranten verärgerte Scheuer seine Parteifreunde am Samstag ein zweites Mal.
Kurz nachdem der Parteitag eine von Scheuer ausgearbeitete Parteireform verabschiedete, die die CSU stärker zur Mitmachpartei machen soll, ließ die Parteitagsregie die Beratung über weitere Anträge abbrechen. Damit verprellte Scheuer etwa die Frauen-Union, die einen Antrag für die Ausgabe kostenloser Verhütungsmittel an bedürftige junge Frauen durchsetzen wollte. Und der Generalsekretär gab der Partei das Gefühl, sie für dumm verkaufen zu wollen: Denn Scheuer begründete das vorzeitige Ende der Debatte mit Zeitdruck - und beendete den Parteitag dann eineinviertel Stunden früher als angekündigt.
Die wichtigsten Beschlüsse des CSU-Parteitags
Integration: Von Zuwanderern fordert die CSU die Identifikation mit "bayerischen Werten" - eine "Zuwanderung in die Sozialsysteme" lehnt die CSU ab: "Wer nur nach Deutschland kommt, um sich in die soziale Hängematte zu legen, dem werden wir Sozialleistungen verweigern." Die umstrittene Deutsch-Vorgabe für das Familienleben von Einwanderern wurde entschärft.
Außenpolitik: Zur Flüchtlingspolitik heißt es: "Wir fordern, dass die EU ein Sonderprogramm zur Flüchtlingshilfe in Höhe von einer Milliarde Euro auflegt." Zugleich verlangt die CSU eine gerechte Verteilung von Flüchtlingen in der EU. Im Falle Russlands plädiert die CSU für eine harte Linie. Die Interventionen auf der Krim und in der Ukraine seien ein "Rückfall in eine überwundene und gescheiterte Machtpolitik". Die CSU fordert insgesamt eine stärkere Rolle Deutschlands in der Welt.
Finanzen: Im Unterkapitel "Steuererleichterungen" heißt es unter anderem: "Ab 1. Januar 2017 wollen wir mit der Bekämpfung der kalten Progression beginnen. Als heimliche Steuererhöhung nimmt sie einen Großteil von wohlverdienten Lohnsteigerungen weg."
Wirtschaft: Nach der Kritik aus der Wirtschaft an Mindestlohn und Rente mit 63 betont die CSU, man werde "über die Koalitionsvereinbarung hinaus nichts beschließen, was Mittelstand und Wirtschaft schadet".
Parteireform: Die CSU will "Mitmachpartei" werden. Schnellere Aufnahmeverfahren, eine Online- oder eine Probemitgliedschaft sollen helfen, neue Mitglieder zu gewinnen. afp, dpa