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Corona-Pandemie: Wie Corona die Jüngsten trifft: Kinderkliniken in der Region schildern ihre Lage

Corona-Pandemie

Wie Corona die Jüngsten trifft: Kinderkliniken in der Region schildern ihre Lage

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    Eine Intensivpflegerin versorgt ein Kind auf der Intensivstation. In der Region mussten Kinderkliniken manche Kinder wegen des Coronavirus intensivmedizinisch behandeln.
    Eine Intensivpflegerin versorgt ein Kind auf der Intensivstation. In der Region mussten Kinderkliniken manche Kinder wegen des Coronavirus intensivmedizinisch behandeln. Foto: Marijan Murat, dpa (Symbolbild)

    Die Corona-Pandemie belastet Kinder und Jugendliche schwer: Kitas und Schulen waren zwischenzeitlich geschlossen, zeitweise sogar Spielplätze gesperrt, der Kontakt zu Gleichaltrigen nahm ab. Die gesundheitlichen Gefahren steigen zwar mit dem Alter deutlich an, aber auch manche Kinder trifft es schwerer. Viele Eltern fragen sich daher: Wie groß ist die gesundheitliche Gefahr für mein Kind? Erst seit kurzem gibt es eine Impf-Empfehlung der Stiko für Fünf- bis Elfjährige – jüngere Kinder können regulär nach wie vor nicht geimpft werden. Wie schlägt sich das in den Kinderkrankenhäusern und -stationen in der Region nieder?Wir haben bei vier Kliniken in der Region nachgefragt.

    Kinderklinik der Uniklinik behandelte 85 Corona-Patientinnen und -Patienten stationär

    In der Kinderklinik und der Kinderchirurgie der Augsburger Universitätsklinik sind seit März vergangenen Jahres 85 mit Covid infizierte Kinder und Jugendliche stationär behandelt worden, darunter manche mehrfach. „Die Mehrzahl der Kinder hatte allgemeine Krankheitssymptome wie bei einem Infekt der Luftwege mit Husten, Schnupfen, Zeichen einer Bronchitis oder selten Lungenentzündung“, heißt es von der Klinik. In der Regel wurden die Patientinnen und Patienten „rein unterstützend mit Fieber senkenden Medikamenten, Sicherstellung ausreichender Flüssigkeitszufuhr, teilweise mittels Infusion“ behandelt. Etwas schwerer erkrankte Kinder benötigten einige Zeit Sauerstoff. Fünf der jungen Infizierten lagen auf der Intensivstation. Sie bekamen eine Atemunterstützung oder Maskenbeatmung.

    Ein Patient ist in der Kinderklinik gestorben. Der Junge litt nach Angaben der Klinik unter einer „schwersten Vorerkrankung“, sodass „letztlich Covid nicht ursächlich“ für den Tod war. Unter den übrigen vier Intensivpatienten waren zwei vorerkrankt und zwei Frühgeborene, die allerdings nicht schwer krank wurden. Aktuell behandelt die Uniklinik ein Kind mit Covid-19 stationär.

    Im Herbst belastete ein anderer Erreger Kinderkliniken flächendeckend, das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV). Es verbreitet sich unter Kindern saisonal jedes Jahr. 2020 war eine Ausnahme, wohl aufgrund der Kontaktbeschränkungen und Hygienemaßnahmen. Umso stärker grassierte der Erreger im Herbst dieses Jahres, manche Kinderkliniken arbeiteten an der Belastungsgrenze. Auch die Augsburger Kinderklinik verzeichnete deshalb eine „maximale Auslastung“ bis Mitte Dezember. Mittlerweile habe sich die Situation diesbezüglich entspannt.

    In Neuburg waren nur wenige Covid-erkrankte Kinder vorerkrankt

    Die KJF Klinik Sankt Elisabeth in Neuburg behandelte insgesamt 30 Kinder mit einer Covid-Erkrankung stationär, davon sieben intensivmedizinisch. „Leider ist ein Kind mit einer schweren Vorerkrankung verstorben“, sagt Florian Wild, Leitender Oberarzt an der Klinik für Kinder und Jugendliche. Die Patientin sei acht Jahre alt gewesen. Ihre Vorerkrankung war als „lebensbegrenzend“ eingestuft worden. Insgesamt war die Mehrheit der stationär behandelten Kinder nicht vorerkrankt.

    Zu ähnlichen Ergebnissen kommt man in Memmingen. Dort sind insgesamt 22 Kinder mit einer Corona-Infektion stationär behandelt worden, darunter fünf auf der Intensivstation. „Aktuell muss ein vierjähriges Kind beatmet werden, ein älteres Kind mit einer Coronavirus-Infektion wird auf der Normalstation behandelt“, sagt Dr. Ralf Pallacks, Leitender Oberarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin und Chef der dortigen Intensivstation. Die Mehrheit der behandelten Patientinnen und Patienten sei nicht vorerkrankt gewesen. Nur bei zehn bis 15 Prozent der Kinder lag eine solche Vorerkrankung vor. Der Arzt führt dies insbesondere darauf zurück, dass Eltern vorerkrankter Kinder diese besonders gut schützten. Auch das Memminger Haus war stark von einer RSV-Welle belastet, die aber mittlerweile abgeebbt ist.

    Kemptener Chefarzt will besonders besorgte Eltern beruhigen

    In Kempten wurden nur drei Kinder wegen einer Corona-Erkrankung stationär behandelt. Kinder, die dort wegen anderer Beschwerden behandelt wurden, bei denen aber zufällig eine asymptomatische Coronavirus-Infektion festgestellt wurde, zählen nicht dazu. Am dortigen Standort ist die Klinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin des Klinikverbunds Allgäu untergebracht. In der Klinik ist kein Kind oder Jugendlicher an Covid gestorben. Aktuell befindet sich auch kein Patient mit der Erkrankung im Haus. Ein vorerkranktes Kind musste auf der Intensivstation behandelt werden. Es litt an dem Entzündungssyndrom PIMS, das mit einer Corona-Infektion in Verbindung gebracht wird. Chefarzt Dr. Hendrik Jünger wertet die Zahlen als beruhigend für Eltern. Im kollegialen Austausch mit anderen Häusern zeige sich ein ähnliches Bild. Das Haus sei zwar hoch belastet. Jünger betont aber: „Covid spielt dabei keinerlei Rolle.“ Viele Eltern seien wegen des Coronavirus sehr verängstigt. Manche hätten ihre Kinder beispielsweise gar vom Kindergarten abgemeldet, um Infektionen zu vermeiden. Er versuche, ihnen diese Ängste aufgrund der Seltenheit schwerer Erkrankungen zu nehmen. 

    Insofern sei zu hoffen, dass die Kinderimpfungen soziale Teilhabe von Kindern fördern könnten – wobei Impfungen bislang nicht aus sozialen, sondern ausschließlich gesundheitlichen Gründen angezeigt gewesen seien. Der Mediziner erwartet nicht, dass sich die Kinderimpfungen auf die Belegung seiner Klinik auswirken werden. Bisher sei kein einziger Patient aus der Altersgruppe zwischen fünf und 17 Jahren, für die eine Impfung infrage kommt, stationär behandelt worden.

    In Neuburg erwartet man ebenfalls keinen großen Effekt der Kinderimpfungen auf die Bettenbelegung, wobei man weniger schwere Verläufe erwartet. Der Memminger Oberarzt Pallacks hofft, dass sich noch mehr Erwachsene impfen ließen. Damit würden indirekt Kinder geschützt, weil diese sich oft bei ihren ungeimpften Eltern ansteckten.

    Von der Uniklinik heißt es, man erhoffe sich sowohl von den Kinder- als auch von den Erwachsenenimpfungen einen Rückgang der Covid-Fälle sowie ihrer Folgeerkrankungen. Dies bewirke einen Schutz für Kinder im Alter von null bis fünf Jahren, die sich nicht impfen lassen könnten. Unter den Kindern sei diese Altersgruppe besonders betroffen – die Hälfte der stationär behandelten Covid-Patienten sei unter drei Jahre alt.

    Covid-erkrankte Kinder sollen nach Möglichkeit einzeln untergebracht werden

    Aktuell stellt die Omikron-Variante die Kinderklinik der Augsburger Uniklinik vor besondere organisatorische Herausforderungen. „Wie schon bei Delta versuchen wir schnellstmöglich herauszufinden, ob Patienten damit identifiziert sind“, schildert Oberarzt Hans-Christoph von Andrian, der die Notaufnahme der Augsburger Kinderklinik leitet und Hygienebeauftragter des Hauses ist. Die Kinder werden dann in einem Einzelzimmer untergebracht, üblicherweise mit einem Elternteil. Nach Möglichkeit ist das bei allen Covid-Patienten so. „Dadurch ist der pflegerische Aufwand deutlich geringer als bei Erwachsenen.“

    Die Zahlen der Kliniken in der Region entsprechen den bundesweiten Beobachtungen in der Kinder- und Jugendmedizin. Die Deutsche Gesellschaft für pädiatrische Infektiologie (DGPI) veröffentlicht wöchentlich Daten zu stationär wegen Covid-19 behandelten Kindern und Jugendlichen aus 187 Kliniken, die ihre Daten melden. Im laufenden Jahr erfasste die Fachgesellschaft 2443 stationäre Aufnahmen von Kindern und Jugendlichen in Deutschland, davon 114 auf Intensivstationen. Knapp jedes zwanzigste Kind, das wegen des Coronavirus im Krankenhaus aufgenommen wurde, musste also intensivmedizinisch behandelt werden.

    38 Prozent der Kinder waren unter einem Jahr, neun Prozent ein Jahr und fünf Prozent zwei Jahre alt. Das bestätigt die Beobachtung der Augsburger Kinderklinik, dass Kleinkinder bundesweit häufiger als andere Kinder wegen Covid-19 stationär behandelt werden.

    Insgesamt behandeln deutsche Krankenhäuser deutlich mehr Kinder ohne Vorerkrankungen – der DGPI zufolge litten drei Viertel der Patienten nicht unter einer Begleiterkrankung. Auf den Intensivstationen allerdings kehrt sich dieses Verhältnis um: Dort leiden knapp zwei Drittel der Kinder unter Begleiterkrankungen.

    Direktor der Augsburger Kinderklinik erwartet bei Omikron vermehrt Trinkschwäche

    Für Prof. Michael Frühwald, Direktor der Augsburger Kinderklinik, ist der hohe Anteil nicht vorerkrankter Kinder unter den Patienten nicht überraschend. Sars-Cov2 könne eine schwere Infektion der Lunge verursachen. Kinder und vor allem Säuglinge „mit den anatomisch kleinen und engen Atemwegen haben hier ein hohes Risiko“, betont der Mediziner. Die Erkrankung verursache Entzündungen, die die Kinder schwächten. In der Klinik habe man bei einigen Kindern eine ausgeprägte Trinkschwäche und Nahrungsverweigerung beobachtet. „Das erwarte ich bei Omikron noch ausgeprägter als bei Delta.“

    Mit Blick auf das höhere Risiko vorerkrankter Kinder fragt der Mediziner: „Wer weiß ob unser einziger Todesfall mit Syndromerkrankung nicht zumindest länger ohne Covid gelebt hätte?“ Auch neueste Erkenntnisse zum Risiko für krebskranke Kinder besorgten ihn. Dass nicht vorerkrankte Kinder auf der Intensivstation landeten, sei bei niedrigeren Inzidenzen ein „absolutes Ausnahmeereignis“ gewesen. "Wie das nun aber bei Inzidenzen in den 1000ern wird, ist schwer vorher zu sehen." Seine Klinik koordiniere gerade schwäbische Kinderintensivstationen, um auf eine größere Anzahl an Schwerkranken vorbereitet zu sein. Im äußersten Notfall könnten ältere Kinder und Jugendliche – „entgegen unserem kinder- und jugendärztlichen Ethos“ – auf Intensivstationen für Erwachsene betreut werden. Selbst in normalen Zeiten gebe es zu wenige Intensivbetten für Kinder, weshalb sie oft in weit entlegene Häuser verlegt werden müssten – „eine Katastrophe für die Familie“, erklärt der Arzt. Er kritisiert: „Unsere Medizin war schon ohne Pandemie in einer Notlage, die öffentlich ignoriert wird.“

    Prof. Frühwald befürchtet Personalschwund wegen Impfpflicht

    Eine weitere Schwierigkeit sieht der Klinikdirektor in der Impfpflicht im Gesundheitssektor, die ab März gilt. „Ich erwarte einen weiteren Personalschwund nicht aufgrund fundamentaler Impfgegner, sondern aufgrund der moralischen Verletzung.“ Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheitswesen sollten noch mehr die Last der Pandemie tragen. „Warum eigentlich und wofür“, fragt sich Frühwald.

    Weil es sich bei Covid um eine Infektionskrankheit handelt, trägt das Pflegepersonal Schutzkleidung. Für die Kinder sei das meist kein Problem. „Maskentragen und sogar Sport damit wird toleriert mit dem Ziel, solidarisch die Pandemie zu bewältigen.“ Hier seien viele Kinder und Jugendliche ein „echtes Vorbild“.

    Professor Michael Frühwald ist Direktor der Kinderklinik der Uniklinik Augsburg.
    Professor Michael Frühwald ist Direktor der Kinderklinik der Uniklinik Augsburg. Foto: Silvio Wyszengrad

    Krebskranker Junge wird nicht mehr besucht, weil Betreuungsperson sich nicht testen lässt

    Ihm tue es weh, wenn Kinder an den Fenstern ihren Eltern, Großeltern und Geschwistern vom Fenster aus zuwinken müssen, weil diese sie nicht besuchen können. Das geschehe in der Pandemie noch öfter als ohnehin schon. „Oder aber der krebskranke Junge, der keinen Besuch mehr von seiner Betreuungsperson erhält, weil diese sich nicht testen lassen will.“

    „Mein größter Schmerz in der Pandemie ist und bleibt der fehlende Schutz für die schwächsten der Gesellschaft“, betont Frühwald und zählt Kinder, Jugendliche und Ältere auf. Er beobachtet eine „konstante Relativierung von Gefahren anstatt einer großen gemeinsamen Anstrengung durch gemeinsame Maßnahmen“ – etwa mithilfe von Impfungen. „Aber sicher nicht nur dadurch“, ergänzt der Arzt.

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