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Corona-Pandemie: Werden Kinder mit Schnupfen vom Unterricht ausgeschlossen?

Corona-Pandemie

Werden Kinder mit Schnupfen vom Unterricht ausgeschlossen?

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    Mit Schnupfen in die Kita oder Schule? Eine geplante Regelung des Infektionsschutzgesetzes sieht strenge Regeln vor.
    Mit Schnupfen in die Kita oder Schule? Eine geplante Regelung des Infektionsschutzgesetzes sieht strenge Regeln vor. Foto: Mascha Brichta, dpa (Symbol)

    Dürfen Kinder und Jugendliche, die Husten oder Schnupfen haben, vorerst nicht mehr in die Schule gehen? Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) befürchtet genau das: Eine geplante Regelung im Infektionsschutzgesetz, die bisher kaum bekannt war, würde dazu führen, dass Kinder und Jugendliche mit Erkältungssymptomen von Schule und Kindergarten ausgeschlossen werden, erklärt der Verband, der sich mit einem Brandbrief, der unserer Redaktion vorliegt, an den Gesundheitsausschuss des Bundestags gewandt hat. Freilich, bisher wurde durch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) nur ein Entwurf für ein neues Infektionsschutzgesetz vorgelegt – der birgt aber bereits ordentlich Zündstoff.

    In dem Brief schreiben BVKJ-Präsident Thomas Fischbach und Johannes Huebner, Abteilungsleiter Pädiatrische Infektiologie am Dr. von Haunerschen Kinderspital in München, dass "dringendes Eingreifen" erforderlich sei. Und weiter: "Entgegen der Beteuerung der Bundesregierung, Kitas und Schulen sollten inzidenzunabhängig offenbleiben, findet hier ein staatlich verordnetes Fernbleiben von Gemeinschaftseinrichtungen statt, das die Grundrechte von Kindern und Jugendlichen massiv einschränkt und sie klar schlechter stellt als Erwachsene, die währenddessen große Volksfeste ohne Maske besuchen dürfen."

    Wenn der Verdacht auf Corona besteht, wäre ein ärztliches Urteil nötig

    Konkret geht es um zwei Punkte. Erstens: Wenn der Verdacht bestehe, dass ein Kind an Corona erkrankt sein könnte, werde den derzeitigen Plänen zufolge ein ärztliches Urteil notwendig sein, ohne das das betroffene Kind nicht mehr weiter die Gemeinschaftseinrichtung besuchen könne, kritisiert der Ärzteverband. Was ein Verdachtsfall sei, sei nicht geregelt. Im Schreiben des Verbandes steht: "Das heißt, ein Kind wird unter Umständen auch im Falle einer banalen, aber ,verdächtigen' Erkältung so lange nicht in Kita oder Schule gehen können, bis

    Ein negativer Schnelltest sollte ausreichen, damit Kinder und Jugendliche wieder in Betreuungseinrichtungen oder Schulen gehen können, sagt Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek.
    Ein negativer Schnelltest sollte ausreichen, damit Kinder und Jugendliche wieder in Betreuungseinrichtungen oder Schulen gehen können, sagt Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek. Foto: Sven Hoppe, dpa (Archivbild)

    Zweitens: Wenn ein Kind an Covid-19 erkrankt war und ein negativer Antigen-Test bestätigt, dass die Erkrankung überwunden ist und keine Isolationspflicht mehr besteht, "reicht dies nicht mehr aus. Das Kind kann nicht wieder in die Schule oder den Kindergarten gehen, sondern bedarf zukünftig hierfür zusätzlich einer ärztlichen Bestätigung", wie der BVKJ in seinem Brandbrief mit Bezug auf die geplante Regelung im Infektionsschutzgesetz schreibt. Das sei eine "extreme Verschärfung der Rechtslage". In 30 Monaten Pandemie sei eine solche Gesundschreibung nicht für notwendig erachtet worden. Und: "Medizinisch-infektiologisch kann sie nicht begründet werden." Die Verschärfung betreffe nur Kinder und Jugendliche, nicht jedoch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die nach überstandener Infektion und Isolation problemlos wieder an den Arbeitsplatz zurückkehren können, kritisiert der Verband weiter. "Dies stellt eine hochproblematische Benachteiligung von Kindern und Jugendlichen dar und widerspricht dem Gleichheitsgrundsatz unseres Grundgesetzes", fassen die Ärzte zusammen.

    Für die Arztpraxen sei das eine "neue, zeitraubende Bürokratie", heißt es in dem Brief. "Statt mit unseren Patientinnen und Patienten werden wir uns mit dem Verfassen von schriftlichen Attesten befassen müssen. Eltern werden in der Regel einen zusätzlichen Tag der Arbeit fernbleiben müssen, weil sie ihr Kind betreuen und mit ihm zum Kinder- und Jugendarzt müssen."

    Klaus Holetschek fordert Bund auf, das Corona-Infektionsschutzgesetz zu korrigieren

    Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) hat den Bund aufgefordert, das neue Infektionsschutzgesetz bei der geplanten Attestpflicht für Kinder und Jugendliche zu korrigieren. Der Minister sagte am Freitagabend gegenüber unserer Redaktion: „Die Bundesregierung muss das neue Infektionsschutzgesetz so fassen, dass Kinder und Jugendliche nicht jedes Mal ein ärztliches Attest benötigen, um wieder in die Schule oder in die Kindertageseinrichtung zurückkehren zu dürfen, wenn sie an Covid-19 erkrankt oder dessen verdächtig waren."

    Ein negativer Schnelltest sollte, so Holetschek, ausreichen, damit Kinder und Jugendliche wieder in Betreuungseinrichtungen oder Schulen gehen können. "Sonst droht durch diese unnötige Verschärfung Chaos. Der jetzige Entwurf benachteiligt Kinder und Jugendliche und belastet zudem die Kinder- und Jugendärzte. Im Übrigen wären auch Lehrkräfte und Erzieherinnen und Erzieher von den geplanten Änderungen betroffen. Der Bund muss hier rasch präzisieren – und zwar vor Schulbeginn."

    Wann müssen Kinder nach Hause geschickt werden? Wann dürfen sie wieder in die Schule?

    Der Minister erläuterte, dass die Entwurfsfassung des Covid-19-Schutzgesetzes in der Tat so ausgelegt werden müsse, dass Kinder und Jugendliche schon bei Verdacht auf eine Corona-Infektion – und dafür reiche die jahreszeitlich bedingte Schnupfennase – die jeweilige Einrichtung nicht mehr besuchen dürften und vor ihrer Rückkehr dorthin ärztlich untersucht werden müssten. "Im Klartext heißt das, sie müssen nach einer Corona-Infektion trotz negativem Schnelltest jedes Mal zum Arzt, bevor sie die Einrichtung wieder besuchen dürfen. Das ist absurd! Der aktuelle Brandbrief der Kinder- und Jugendärzte zeigt, wie ernst die Lage ist.“

    Der Bund müsse, so Holetschek, klar kommunizieren, "was er mit seinen unscharfen Formulierungen meint". Also: Wann müssen Kinder nach Hause geschickt werden, wann dürfen sie wieder in den Unterricht? Welche Kriterien müssen erfüllt sein, damit ein Krankheitsverdacht auf eine Coronavirus-Erkrankung besteht? Gibt es einen Anspruch auf kostenlose Testung für Kinder und Jugendliche in der Testverordnung? "Das ist alles nicht geklärt", kritisiert der Minister.

    Allerdings, fährt er fort, habe er "schon erste Signale des Bundes vernommen, dass hier in den Formulierungen nachgeschärft werden soll". Und: "Wir werden in Bund-Länder-Gesprächen kommende Woche noch einmal deutlich machen, dass wir hier eine verlässliche und klare Formulierung im Gesetz brauchen, und zwar noch vor dem Inkrafttreten des Gesetzes.“

    Covid-19 in einer Reihe mit Pest und Cholera

    Auch online schlägt der Brandbrief bereits hohe Wellen. "Wenn das so stimmt, dann wäre das wirklich skandalös! Was tun wir bloß unseren Kindern und Jugendlichen an?", schreibt etwa der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit auf Twitter.

    Das Bundesgesundheitsministerium in Berlin hat auf Nachfragen unserer Redaktion bislang nicht geantwortet. Allerdings kann online eingesehen werden, dass im Gesetzentwurf Paragraf 34, auf den sich der BVKJ mit seiner Kritik bezieht, in der Tat geändert werden und ein Katalog von Erkrankungen erweitert werden soll: Künftig soll dort neben Krankheiten wie Cholera, Diphterie, Masern, einer Meningokokken-Infektion oder der Pest auch Covid-19 aufgenommen werden. Damit würde schon ein Krankheitsverdacht reichen, um eine Gemeinschaftseinrichtung – wie eben eine Schule oder Kita – nicht betreten zu dürfen.

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