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Corona-Pandemie: Virologe Christian Drosten: "Wir hätten auch besser sein können"

Corona-Pandemie

Virologe Christian Drosten: "Wir hätten auch besser sein können"

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    Der Virologe Christian Drosten  glaubt, dass während der Corona-Pandemie vieles hätte besser laufen können.
    Der Virologe Christian Drosten glaubt, dass während der Corona-Pandemie vieles hätte besser laufen können. Foto: Daniel Peter

    Er hatte mit seinem Team an der Berliner Charité die ersten PCR-Corona-Tests mitentwickelt. Nach Ausbruch des Virus in Deutschland im März 2020 wurde er praktisch über Nacht zum wissenschaftlichen Gesicht der Pandemie. Der Virologe Christian Drosten analysierte, ordnete ein, beriet Bundes- und Landesregierungen. Er bekannte auch, was er nicht wusste. Vor allem aber konnte er wissenschaftliche Fakten der interessierten Öffentlichkeit gut erklären. Das schaffte Vertrauen.

    Und heute? Wünscht sich der 51-Jährige eine erneute Debatte über die Pandemie – nämlich darüber, wie wir sie bewältigt haben. Was gut, und was weniger gut gelaufen ist. "Die Gesellschaft braucht einen Dialog über die Pandemie, solange die Erinnerung noch frisch ist", sagt er unserer Redaktion. Sonst "wird das Thema wohl noch länger von extremen Kräften für ihre Zwecke missbraucht". 

    Drosten fordert Aufarbeitung der Pandemie

    Damit liegt der Virologe auf einer Linie mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der dieser Tage eine "ehrliche Aufarbeitung" der Pandemie gefordert hat. Vor einem knappen Jahr schon hatte die FDP-Fraktion im Bundestag dazu die Einsetzung einer Enquete-Kommission verlangt – auf Initiative ihres gesundheitspolitischen Sprechers Andrew Ullmann. Die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie müssten auf Wirksamkeit und Verhältnismäßigkeit hin bewertet werden. 

    Drosten fühlt sich wissenschaftlichen Fakten verpflichtet. Bestimmte politische Akteure, so blickt er zurück, hätten während der Pandemie einiges an Desinformation zu Virus oder Impfung gestreut. Der Virologe befürchtet, dass dies noch längere Zeit nachwirkt und "Schaden anrichten" könne.

    Drosten wird von Impfgegnern bedroht

    Der Aufarbeitung wegen war er dieser Tage auch zu Gast an der Universität Würzburg, das Institut für Virologie und Immunbiologie wurde 50 Jahre alt. Drosten zog Bilanz aus wissenschaftlicher Sicht. Bis kurz vor der Veranstaltung war sein Gastvortrag geheim gehalten worden – aus Sorge, es könnte zu Störungen oder gar Attacken durch Verschwörungstheoretiker oder Impfgegner kommen. Drosten zahlt einen hohen Preis für seine Prominenz, für bestimmte Kreise ist er zum Feindbild geworden.

    Dass ihm solche Feindseligkeit entgegenschlägt, dafür macht er "manche Medien" verantwortlich. Sie hätten zum Teil gezielt Hass gegen ihn geschürt und ein möglichst negatives Bild in der Öffentlichkeit zeichnen wollen. "Das ist ihnen nicht gelungen", sagt er. Menschen auf der Straße würden sich bis heute für sein Engagement bedanken.

    Kontaktbeschränkungen haben Leben gerettet

    Drostens Pandemie-Bilanz für Deutschland fällt ambivalent aus. Durch die frühe PCR-Testung und strengen Kontaktbeschränkungen habe man in der ersten Corona-Welle 60.000 Menschenleben gerettet, rechnet er vor, dies zeige ein Vergleich mit anderen europäischen Ländern. Dann aber sei man in Politik und Öffentlichkeit nachlässig geworden. Selbst manche Wissenschaftler hätten im ruhigen Sommer 2020 an einer drohenden Winterwelle gezweifelt, "das war inakzeptabel". 

    Es folgte die zweite Welle mit deutlich höheren Todeszahlen. Die Politik reagierte mit einem Teil-Lockdown, Anfang 2021 wurden dann die Schulen ein weiteres Mal für mehrere Wochen komplett geschlossen. Drosten hatte mit einer Studie zwar auf die hohe Viruslast auch bei Kindern hingewiesen. Die Schulen aber, darauf legt er Wert, habe die Politik geschlossen. 

    Ein genauso großer Effekt hätte seiner Einschätzung nach – bei offenen Schulen – mit einer echten Homeoffice-Pflicht erzielt werden können. "Man hätte die Arbeitsplätze mehr in den Blick nehmen müssen", sagt Drosten. Und mit dem Impfstoff kam dann ein zweites Versagen: Viel zu lange habe die Immunisierung gedauert. Im Wahljahr 2021 sei die Politik der Impfdebatte ausgewichen, in Talkshows und anderen Medien habe man das Vertrauen in die Impfung durch "Desinformation" untergraben.

    Drosten: "Wir hätten auch besser sein können"

    Am Nutzen der Impfung lässt der Virologe auch heute keinen Zweifel: Erst sie habe die Krankheitsverläufe bei der späteren Omikron-Variante abgemildert. Wäre Deutschland auch gänzlich ohne Impfung durch die Pandemie gekommen? "Dann", sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion, "hätte die quälende Phase der Kontaktmaßnahmen noch sehr viel länger gedauert." 

    Unterm Strich bleibt für Drosten der Befund, dass Deutschland die Pandemie relativ gut bewältigt habe. Viele andere Länder seien schlechter durchgekommen, mit mehr Corona-Toten. Aber: "Wir hätten auch noch besser sein können."

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