Als im Frühling 2020 die Pandemie über das Land hereinbricht, gibt es zunächst mehr Fragen als Antworten. Welcher Weg der richtige sein würde – keiner weiß das damals so genau. Vor allem die Rolle der Kinder ist lange reichlich unklar. Mittlerweile sind fast zwei Jahre vergangen. Nun gibt es Antworten – die allerdings auch Schwachstellen haben.
In den vergangenen Monaten haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der sechs bayerischen Universitätskliniken untersucht, wie sehr das Virus unter Kindern grassiert, ob geöffnete Kitas und Schulen die Gefahr einer unkontrollierten Sars-CoV-2-Ausbreitung erhöhen und welchen Einfluss die Pandemie eigentlich auf die psychische Gesundheit der Kinder hat. Am Donnerstag wurden nun erste Ergebnisse der Studie „Covid Kids Bavaria“ vorgestellt.
Von rund 7000 PCR-Tests waren nur 13 positiv
„Unsere Quintessenz ist: Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass Kinder in der Pandemie bisher die Virenschleudern waren, für die sie manche Kolleginnen und Kollegen gehalten hatten“, sagt Prof. Dr. Christoph Klein, Direktor der Klinik für Kinderheilkunde am LMU Klinikum München und einer der Studienleiter. Unter rund 7000 durchgeführten PCR-Tests bei Kindern und Betreuerinnen und Betreuern seien gerade einmal 13 positiv gewesen, sagt Klein. „Die Zahlen kommen sehr unspektakulär daher. Aber sie sind für uns alle auch beruhigend.“ Die Testungen wurden in drei Erhebungszeiträumen an rund 150 Kinderbetreuungseinrichtungen und Grundschulen im Freistaat durchgeführt, zuerst nach den Sommerferien 2020, dann im November und Dezember und schließlich im März 2021.
Das ist mittlerweile viele Monate her – und darin liegt auch, wenn man so will, die Schwachstelle der Studie. Denn das Virus hat sich seither mehrfach verändert, derzeit grassiert die besonders ansteckende Omikron-Variante „Wenn sich die Natur des Virus ändert, dann gilt auch, dass wir die Daten, die in früheren Wellen erhoben worden sind, natürlich nicht eins zu eins übertragen können“, räumt Klein ein. Man müsse das nun neu bewerten.
Kinder von Omikron nicht stärker betroffen
Auch Prof. Dr. Johannes Hübner, Abteilungsleiter für Infektiologie der Klinik für Kinderheilkunde am LMU Klinikum und weiterer Studienleiter, erklärt, dass sich durch die neuen Varianten viele Dinge geändert hätten – viele aber auch nicht. „Die Übertragungsweise ist die gleiche, die Maßnahmen, die wir ergreifen können, sind auch die gleichen.“ Bei jeder neuen Variante sei die Rolle der Kinder wieder in den Fokus gerückt, fährt Hübner fort. „Auch bei der Alpha-Variante wurde erst gesagt, dass Kinder mehr betroffen sind – was sich dann hinterher nicht bewahrheitet hat. Das gleiche wurde auch bei Delta gesagt und jetzt auch bei Omikron.“ Doch erste Daten aus England und den USA würden zeigen, dass Kinder von Omikron eben nicht stärker betroffen seien als Erwachsene, es gebe auch keine schwereren Verläufe. „Die Kinderkliniken in England und den USA laufen nicht über“, sagt Hübner.
In der Studie wurde nicht nur untersucht, wie sehr sich das Virus unter Kindern verbreitet, sondern auch, wie sich die Pandemie auf deren Psyche ausgewirkt hat. Abschließende Daten dazu gibt es allerdings noch nicht, die rund 10.000 Fragebögen werden derzeit ausgewertet. Auch, wenn noch keine finalen Daten vorliegen, sagt Hübner: „Es ist uns glaube ich bewusster geworden, wie viele Kollateralschäden und Probleme wir bei den Kindern verursachen, wenn wir die Schulen und Kindergärten pauschal schließen. Da haben wir viel gelernt. Und da können wir jetzt auch auf Omikron besser reagieren.“
Schulen und Kitas sollen in den kommenden Wochen offen bleiben
Für Kinder sei die Pandemie eine enorme Herausforderung, sagt Bayerns Wissenschaftsminister Bernd Sibler (CSU). „Denn gerade sie leben von sozialen Kontakten und sie benötigen Strukturen und Stabilität.“ Vor allem zu Beginn der Pandemie waren sie durch Schließungen von Schulen und Kitas besonders betroffen – weil man eben nicht wusste, wie stark sich dort das Virus verbreiten würde. Deswegen sei die Covid-Kids-Bavaria-Studie auch so wichtig gewesen. „Anhand der Rohdaten konnte uns die Studienleitung während der Laufzeit immer wieder ein Update geben“, sagt Sibler. Und so habe man auf Basis dieser Erkenntnisse die Frage nach Öffnungen und Schließungen immer wieder neu bewerten können. „In der Folge konnte auf weitere Schließungen verzichtet werden. Das war auch dringend notwendig.“
Auch in den kommenden Wochen soll es im Freistaat – trotz hoher Infektionszahlen durch die Omikron-Welle– keine flächendeckenden Schließungen von Kitas und Schulen geben. Das hat die bayerische Staatsregierung immer wieder mit Nachdruck betont. Auch aus Sicht der Wissenschaftler ist diese Strategie sinnvoll. „Mit den entsprechenden Maßnahmen ist Schulunterricht auch in Zeiten der Pandemie möglich und sicher“, sagt Studienleiter Hübner.