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Post Covid & Long Covid Syndrom: Eine Betroffene erzählt

Corona-Pandemie

Post Covid: Der lange Schatten der Pandemie

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    Kopfschmerzen und Schwindel sind zwei von vielen Post- und Long-Covid-Symptomen.
    Kopfschmerzen und Schwindel sind zwei von vielen Post- und Long-Covid-Symptomen. Foto: Oliver Killig, dpa (Symbolbild)

    An guten Tagen schafft es Heidi Terpoorten, eine Stunde lang ohne Symptome am Tisch zu sitzen. Allzu oft gibt es solche Tage nicht, seit jenem 21. September im vergangenen Jahr. An diesem Tag hält Terpoorten einen positiven Corona-Test in der Hand – nicht ahnend, dass das ihr Leben drastisch verändern sollte. "Nach acht Tagen war ich wieder negativ, aber es ging mir nicht besser", erzählt die schwäbische Bezirks- und Kreisrätin aus Binswangen im Landkreis Dillingen. Die 57-Jährige kämpft seither mit einer schweren Erschöpfung, mit Grippegefühl, Schwindel, Konzentrationsproblemen, Schweißausbrüchen, Kopfschmerzen,Wortfindungsstörungen und damit, dass sie keinen Lärm, keine Orte mit vielen Menschen erträgt. "Beim Geburtstag meiner Mutter habe ich es eine Dreiviertelstunde im Restaurant ausgehalten. Dann musste ich gehen." Terpoorten leidet an Post Covid, also an Langzeitfolgen einer Corona-Infektion. Und davon sind in Bayern mittlerweile enorm viele Menschen betroffen. 

    Die Begriffe Post und Long Covid werden oft vermengt. Dabei gibt es einen Unterschied: Unter Long Covid versteht man Symptome, die vier Wochen nach einer Corona-Infektion noch auftreten. Als Post-Covid-Syndrom werden indes Beschwerden bezeichnet, die sogar noch nach mehr als zwölf Wochen vorhanden sind. Erfasst werden sie gemeinsam: "In Bayern wurden in den ersten neun Monaten des Jahres 2022 nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns mehr als 350.000 Menschen mit der Diagnose Post- oder Long-Covid-Syndrom ambulant erstversorgt", sagt Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek unserer Redaktion. "Im gesamten Jahr 2021 waren es rund 150.000. Insgesamt gehen wir daher in Bayern seit Pandemiebeginn von mehr als 500.000 Betroffenen in der vertragsärztlichen Versorgung aus." 

    Unikliniken bieten Post-Covid-Ambulanzen an

    Erste Anlaufstelle für Betroffene sei der Hausarzt oder die Hausärztin, fährt der Minister fort. Dort könnten die verschiedenen Symptome bewertet, eingeordnet und die Patientinnen und Patienten bei Bedarf an Fachärzte überwiesen werden. "Für besonders schwere und komplexe Fälle besteht zudem die Möglichkeit, an eine Post-Covid-Ambulanz überwiesen zu werden." 

    Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek: "Insgesamt gehen wir daher in Bayern seit Pandemiebeginn von mehr als 500.000 Betroffenen in der vertragsärztlichen Versorgung aus." 
    Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek: "Insgesamt gehen wir daher in Bayern seit Pandemiebeginn von mehr als 500.000 Betroffenen in der vertragsärztlichen Versorgung aus."  Foto: Ralf Lienert

    Alle sechs Uni-Kliniken im Freistaat bieten solche Ambulanzen an. Aber auch an verschiedenen anderen Krankenhäusern und Instituten sind Spezialambulanzen eingerichtet. Eine, die sich seit Monaten mit den Langzeitfolgen einer Corona-Infektion beschäftigt, ist Stefanie Bader, Leiterin der Post- und Long-Covid-Ambulanz des Universitätsklinikums Augsburg. "Aktuell haben wir rund 600 Patientinnen und Patienten. Die Wartezeit für einen Termin beträgt bis zu sechs Monate", sagt die Medizinerin. Die Menschen, die zu ihr kommen, leiden unter Atemnot, Husten, Kurzatmigkeit, Konzentrationsstörungen, Vergesslichkeit, Haarausfall, Riechstörungen, Nervenschmerzen oder Erschöpfung. "Die Liste ist lang", sagt Bader. 

    Post-Covid-Syndrom: Durch das Coronavirus können Organe nachhaltig geschädigt sein

    Warum die Menschen so lange mit Symptomen zu kämpfen haben, dazu gebe es bisher nur Vermutungen, sagt Bader. Drei Ursachen stünden besonders im Fokus: Zum einen könnten die Beschwerden von geschädigten Organen kommen, etwa Veränderungen der Lunge. Zum anderen davon, dass selbst Wochen nach der Infektion noch Bestandteile des Virus im Körper zirkulieren könnten. Und zuletzt gelten Autoantikörper als Grund für die Beschwerden. "Eigentlich sollten die Antikörper gegen das

    Als die Delta-Variante dominant gewesen sei, hätten rund 15 Prozent der Infizierten Langzeitsymptome entwickelt, fährt sie fort. Seit Omikron zirkuliere, seien es etwa vier Prozent. "Das kann an Omikron liegen, aber auch daran, dass jetzt mehr Menschen geimpft sind", sagt Bader. Dass die Impfung offenbar das Risiko für Long oder Post Covid senken kann, zeigt auch eine neue Studie, die im FachmagazinJama Internal Medicine erschienen ist. Demnach senkt eine Impfung mit zwei Dosen das Risiko um 40 Prozent. "Die britische Studie bestätigt unsere bisherigen Erkenntnisse, dass Corona-Impfungen auch mit Blick auf ein geringeres Risiko für Post und Long Covid sinnvoll sind", sagt Gesundheitsminister Holetschek. "Wer noch nicht geimpft ist, sollte das auch jetzt noch nachholen."

    Gegen Corona-Langzeitfolgen gibt es noch kein Medikament

    Derzeit gibt es noch kein Medikament, das gezielt gegen Long oder Post Covid eingesetzt wird. Ein Kandidat – BC007 – geht jetzt in die klinischen Studien. "Wir empfehlen den Betroffenen Physio-, Atem- und Ergotherapien", sagt Covid-Expertin Bader. "Auch psychotherapeutische Angebote sind wichtig. Weil die Menschen so lernen, mit dem Problem umzugehen." Außerdem seien spezielle Reha-Maßnahmen, die extra beantragt werden müssen, von großer Bedeutung. "Leider erleben wir oft das Problem, dass die Anträge für eine Reha abgelehnt werden", sagt Bader. 

    Heidi Terpoorten ist an Long-Covid erkrankt. Die Kreis- und Bezirksrätin hat ihre Krankheit öffentlich gemacht. Sie will, dass die Long-Covid-Erkrankten nicht vergessen werden.
    Heidi Terpoorten ist an Long-Covid erkrankt. Die Kreis- und Bezirksrätin hat ihre Krankheit öffentlich gemacht. Sie will, dass die Long-Covid-Erkrankten nicht vergessen werden. Foto: Elli Höchstätter

    Heidi Terpoortens Antrag wurde bewilligt. Im Sommer beginnt ihre Reha. Damit hofft sie, die Post-Covid-Symptome und das obendrein entstandene ME/CFS (Myalgisches Encephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom) – eine schwere neuroimmunologische Erkrankung – in den Griff zu bekommen. Terpoorten ist Sozialarbeiterin. Im Moment arbeitet sie aber nicht, zwei Eingliederungsmaßnahmen scheiterten. "Ich bin zum Nichtstun auf der Couch verdammt", sagt sie. 

    Vieles muss von Long-Covid-Betroffenen selbst bezahlt werden

    Terpoorten wünscht sich, dass Betroffene mehr Unterstützung bekommen. Vieles müsse selbst bezahlt werden, weil es keine anerkannten Therapieverfahren gebe. Eben erst hat Terpoorten eine Blutanalyse durchführen lassen, um zu sehen, ob es Ansätze für andere Behandlungsmöglichkeiten geben könnte. Die 300 Euro dafür bekommt sie nicht erstattet. "Physiotherapien werden auch nur zum Teil bezahlt", sagt sie. 

    Terpoorten hat Angst, sich noch einmal anzustecken – weil sie nicht weiß, ob das ihre Symptome noch verschlimmern würde. Deswegen geht sie kaum aus dem Haus, und wenn, dann nur mit Maske. "Wenn Leute sagen, die Pandemie sei vorbei, dann klingt das in meinen Ohren wie Hohn. Denn für mich ist sie längst nicht vorbei." 

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