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Corona-Pandemie: Neuer Omikron-Subtyp: Wie gefährlich ist BA.2.75.2?

Corona-Pandemie

Neuer Omikron-Subtyp: Wie gefährlich ist BA.2.75.2?

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    Eine technische Assistentin bereitet Sequenzierproben für Untersuchungen von Corona-Proben in einem Labor für Corona-Varianten vor. Derzeit ist der Omikron-Subtyp BA.5 für mehr als 95 Prozent der Infektionen verantwortlich.
    Eine technische Assistentin bereitet Sequenzierproben für Untersuchungen von Corona-Proben in einem Labor für Corona-Varianten vor. Derzeit ist der Omikron-Subtyp BA.5 für mehr als 95 Prozent der Infektionen verantwortlich. Foto: Jens Büttner, dpa

    Neue Buchstaben, neue Zahlen – und neue Sorgen. BA.2.75.2, BQ.1.1 und BJ1., allesamt Abkömmlinge der Omikron-Variante, werden mit dem auffrischenden Herbstwind in die Debatte um eine drohende neue Corona-Welle geblasen. Derzeit grassiert zwar noch der Subtyp BA.5, mehr als 95 Prozent der aktuellen Infektionen lassen sich darauf zurückführen – in den kommenden Wochen könnte sich das aber ändern.

    Im Fokus steht derzeit vor allem BA.2.75.2. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) twitterte vor Kurzem: „BA.2.75.2 könnte die nächste Variante werden, die sich durchsetzt.“ Noch würden die Daten allerdings nicht reichen, um präzisere Vorhersagen zu treffen, schob der Minister hinterher. In der Tat gibt es in Deutschland bisher erst wenige Fälle.

    Im Freistaat wurde der Subtyp nach Angaben des bayerischen Gesundheitsministeriums in neun Fällen mittels Genomsequenzierung nachgewiesen (Stand 28. September). Das Ministerium beruft sich dabei auf Daten des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL).

    Doch bei dieser geringen Zahl an Infektionen dürfte es nicht bleiben. Denn das Problem ist: BA.2.75.2 umgeht den Immunschutz offenbar besser als jede Variante zuvor, wie Forscherinnen und Forscher aus Schweden herausgefunden haben.

    30 Mutationen mehr als das ursprüngliche Wildtyp-Virus

    Auch Prof. Dr. Clemens Wendtner, Chefarzt an der München Klinik Schwabing, Immunologe und Corona-Experte, hat sich BA.2.75.2 genauer angeschaut. „Die Variante hat 30 Mutationen mehr als das ursprüngliche Wildtyp-Virus. Das ist schon ordentlich“, sagt Wendtner im Gespräch mit unserer Redaktion. Allerdings könne man allein aufgrund der Fülle an Mutationen nur wenig aussagen – entscheidend sei vor allem, wo diese Veränderungen stattgefunden haben. „Und in diesem Fall befinden sie sich in den Bereichen, wo die Antikörperbindung stattfindet“, erklärt Wendtner. „BA.2.75.2 hat damit alle Eigenschaften einer Immunflucht-Variante. Sie unterläuft die bisherigen Immunisierungen.“

    Erst vor Kurzem wurden in Deutschland neue Corona-Impfstoffe zugelassen – zwei gegen BA.1 und einer gegen BA.4 beziehungsweise BA.5. Wendtner geht davon aus, dass auch diese neuen Vakzine eine gewisse Effektivität gegen BA.2.75.2 haben werden. „Aber wie groß diese Effektivität ist, dazu haben wir keine Daten.“ Grundsätzlich sei es gut, dass die neuen Impfstoffe eine 1:1-Mischung aus dem Wildtyp-Virus und einer neuen Variante seien, fährt Wendtner fort. „Das ist wichtig, sonst würde man immer hinterherlaufen. Ein Impfstoff darf auch nicht zu präzise sein.“

    Corona-Experte Wendtner: "Das eigene Immunsystem läuft ein bisschen ins Leere"

    BA.2.75.2 ist ein Subtyp der BA.2-Variante, die in Deutschland Anfang des Jahres – vor allem im Februar und März – grassierte. Es sei aber schwer zu sagen, ob Menschen, die damals infiziert waren, nun besser gegen die neue Subvariante geschützt seien, sagt Wendtner. „Wir mussten ja leider feststellen, dass eine Infektion mit Omikron – egal mit welchem Subtypen – keine sehr starke Immunitätsnarbe hinterlässt. Die Personen haben sich zum Teil nach wenigen Monaten wieder infiziert. Und dabei war nicht einmal immer ein Subvarianten-Sprung gegeben“, erklärt der Mediziner und fährt fort: „Es ist leider Teil dieser Immunflucht-Varianten, dass das eigene Immunsystem ein bisschen ins Leere läuft.“

    Die beiden anderen neuen Omikron-Unterarten BQ.1.1 und BJ.1 wurden nach Angaben des bayerischen Gesundheitsministeriums im Freistaat bisher nicht nachgewiesen. In Österreich indes gibt es bereits BJ.1-Fälle. „Diese Variante hat zehn neue Mutationen im Spike-Protein und sieben in der N-terminalen Domäne“, sagt Wendtner. Im Vergleich zum Wildtyp seien es sogar 33 Mutationen. „Auch da ist es so, dass Angriffspunkte für Antikörper, die durch Impfung oder Infektion vorhanden sind, betroffen sind. Auf dem Papier zeigt sich also wieder eine klassische Immunflucht-Variante.“ BQ.1.1 habe hingegen nur zwei zusätzliche Mutationen, solche leichten Veränderungen, sagt Wendtner, sehe man immer wieder. BJ.1 und vor allem BA.2.75.2 würden da deutlicher hervorstechen.

    In den Kliniken liegen wieder mehr Corona-Infizierte

    Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) äußert sich derzeit noch zurückhaltend zu einer sich möglicherweise verschärfenden Corona-Lage: „Inwieweit mit einer neuen BA.2.75.2-Welle zu rechnen ist, kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht sicher prognostiziert werden“, sagt der Minister gegenüber unserer Redaktion. „Aber sicher ist: Wir beobachten die Corona-Entwicklung in Bayern weiter genau.“ Entscheidend sei dabei nicht allein die Inzidenz, also die Zahl der Neuinfektionen, sondern vor allem die Situation in den Krankenhäusern. „Wichtig ist dabei, wie viel Personal in den Krankenhäusern infiziert ist und daher selbst infolge einer Sars-CoV-2-Infektion oder aus anderen Gründen ausfällt. Hier ist die Lage aktuell noch kompensierbar.“ Falls sich die Infektionslage im Herbst und Winter deutlich verschlechtere, werde man „angepasste Maßnahmen“ prüfen.

    Dass es derzeit in Bayern kaum Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie gebe, sei aus infektiologischer Sicht bedauerlich, sagt Corona-Experte Wendtner. „Ich hoffe, dass da nachgebessert wird.“ Er sei in den vergangenen zweieinhalb Jahren immer im „Team Vorsicht“ gewesen – daran ändere sich nichts. „Ich bin jetzt nicht im ,Team Gelassenheit’. Die Inzidenzen schnellen ja bereits hoch, unter anderem bedingt durch die Wiesn.“ In seiner Klinik hätte sich die Anzahl der stationären Covid-Fälle innerhalb von rund drei Wochen fast verdoppelt, berichtet der Mediziner. „Man kann nicht die Augen davor verschließen, dass die Infektionszahlen steigen werden. Und es werden auch wieder mehr Menschen im Krankenhaus behandelt werden müssen.“ Der Bund habe den Ländern die Möglichkeit gegeben, auf solche Verschlechterungen zu reagieren, sagt Wendtner. „Etwa dadurch, dass es dann etwa verschärfte Teststrategien gibt. Und dass die Maske wieder öfter getragen werden muss.“

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