Die Wiesn ist erst seit ein paar Tagen vorbei, da scheint sich eine Entwicklung zu zeigen, die Experten bereits prophezeit hatten: eine neuerliche Corona-Welle. Die Inzidenzen in der Landeshauptstadt steigen. Und nicht nur dort. Auch in den meisten umliegenden Landkreisen lag die Inzidenz am Freitag über dem Wert von 1000. Eine Woche zuvor war noch kein einziger über dieser Schwelle. Wie ist also die Lage in München, wo die Wiesn-Grippe genauso dazugehört, wie der Kater danach?
Für Gesundheitsreferentin Beatrix Zurek war dieser Effekt erwartbar. Sie schränkt jedoch ein: „Ein genauer Wiesn-Effekt lässt sich dennoch schwer ermitteln. Denn es sind vielerlei Übertragungswege denkbar, zum Beispiel durch private Treffen und Feiern, Konzerte oder Clubs.“ Dennoch sei davon auszugehen, dass die Wiesn zu Folgeansteckungen im Freundes- und Bekanntenkreis geführt habe. Angesichts der bekannten Corona-Inkubationszeiten geht Zurek davon aus, dass die Fallzahlen nochmals deutlich steigen werden.
Am Großhaderner Krankenhaus steigt die Patientenzahl
Die Lage ist, das zeigt sich vor allem in den Kliniken, angespannter als sonst in Post-Wiesn-Zeiten. Matthias Klein, Leiter der Zentralen Notaufnahme des Klinikums Großhadern, sagt, dass bereits während der Wiesn viele Corona-Infizierte in die Notaufnahmen gekommen seien. „Außerdem wurde auch medizinisches Personal auf dem Oktoberfest infiziert, das jetzt nicht mehr arbeitet.“ Für Klein ist das alles nicht überraschend. „Es war völlig klar, dass es so kommen würde.“ Bernhard Heindl ist Leiter der Stabsstelle Unternehmensentwicklung am LMU-Klinikum München und Teil des dortigen Krisenstabs. „Die Zahl der Corona-Patientinnen und -Patienten steigt – wie es zu erwarten war – extrem schnell.“ Zudem sei die Zahl der erkrankten Mitarbeiter „sehr hoch“, die Lage angespannt.
Ähnliche Töne kommen aus der München Klinik. „Die gestiegene Inzidenz spüren wir auch“, sagt Sprecher Raphael Diecke. Aktuell würden dort rund 200 Covid-Patienten versorgt, davon über 20 auf Intensiv- und Überwachungsstationen. „Das ist ein deutlicher Anstieg gegenüber dem Vormonat.“ Auch wenn ein großer Teil der Patientinnen und Patienten mit und nicht wegen Corona in der Klinik sei, bleibe der Aufwand in der Isolation und Betreuung derselbe.
Die Notfallversorgung sei aktuell sichergestellt, doch die Situation belaste das Personal. „Wir können – anders als Fluglinien – nicht Patienten vor der Tür anstehen lassen“, sagt Diecke. „Wir werden von den Rettungsdiensten ’akutbelegt’ und müssen das mit den verfügbaren knappen Ressourcen abdecken.“ Auch bei der München Klinik sei viel Personal erkrankt. Viele seien länger als fünf Tage infektiös, so Diecke, und dürften erst dann zurückkehren, wenn der Test negativ ausfällt. Zudem gebe es einige, die ihre erkrankten Kinder zu Hause betreuen müssten.
Rettungsdienst: "Wir sind seit zweieinhalb Jahren im Krisenmodus"
Auch beim Rettungsdienst spürt man die Auswirkungen der neuen Welle massiv, wie der BRK-Rettungsdienstleiter Sönke Lase sagt. Die Versorgung sei zwar sichergestellt, das jedoch nur unter „großen Kraftanstrengungen“. Auch der Rettungsdienst kämpfe mit einem erhöhten Krankenstand. „Das Thema Corona ist aus dem Fokus geraten“, sagt Lase. Dabei habe es bereits im Sommer eine Welle gegeben, von vielen unbemerkt. Zur Corona-Lage gesellten sich zudem noch normale grippale Infekte. Und hinzu kämen die ohnehin schon steigenden Einsatzzahlen. „Oft liest man ja gerade, das sei mit der Wiesn-Grippe immer so. Aber es ist schon ein Unterschied, das geht übers normale Maß hinaus“, sagt Lase über die Situation. „Wir sind seit zweieinhalb Jahren im Krisenmodus.“
Doch nicht nur im Raum München steigen derzeit die Corona-Zahlen. Bayern verzeichnete am Freitag eine Inzidenz von 818, und damit ein Plus von knapp 25 Prozent im Vergleich zur Vorwoche. Derzeit melden bayernweit 78 Intensivstationen einen eingeschränkten Betrieb, 51 arbeiten regulär.