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Corona-Pandemie: Ab sofort gibt es keine Gratis-Tests mehr für alle

Corona-Pandemie

Ab sofort gibt es keine Gratis-Tests mehr für alle

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    Bisher hatte jeder – auch ohne Symptome oder konkreten Anlass – Anspruch auf kostenlose Schnelltests. Das ist nun vorbei.
    Bisher hatte jeder – auch ohne Symptome oder konkreten Anlass – Anspruch auf kostenlose Schnelltests. Das ist nun vorbei. Foto: Jens Büttner, dpa (Symbolbild)

    Stäbchen rein, kurz warten, Gewissheit haben: Es ist noch nicht lange her, da gehörte der Gang zur Teststation für viele Menschen ein Stück weit zum Corona-Alltag dazu. Der Aufwand hielt sich schließlich in Grenzen, Teststationen gab es fast neben jeder Imbissbude und kostenlos waren die Antigen-Schnelltests obendrein. Bisher hatte jeder – auch ohne Symptome oder konkreten Anlass – Anspruch auf kostenlose Schnelltests. Das ist für viele Menschen allerdings vorbei. Oft werden nun drei Euro pro Abstrich fällig. Und das ausgerechnet jetzt, wo die Inzidenzen stark ansteigen und Expertinnen und Experten längst von einer Sommerwelle sprechen, die da auf das Land zukommt – oder es schon erreicht hat. Die Sieben-Tage-Inzidenz in Bayern liegt derzeit bei über 600, die Zahl der Infizierten, die im Krankenhaus behandelt werden müssen, steigt ebenfalls – innerhalb von einer Woche um fast 30 Prozent.

    Unterschiede zwischen PCR- und Schnelltest

    PCR-Test: Etwa 48 Stunden dauert es, bis das Ergebnis eines PCR-Tests vorliegt. PCR steht für Polymerase-Kettenreaktion. Genauso wie beim Schnelltest ist eine Probe aus dem Rachenraum nötig. Allerdings wird diese durch den Mund genommen. Anschließend wird die Probe in ein Labor geschickt und ausgewertet.

    Schnelltest: Bei einem Schnelltest wird zuerst durch die Nase eine Probe aus dem Rachenraum genommen. Noch vor Ort wird diese mit einer Flüssigkeit auf einen Teststreifen gegeben. In dem Streifen ist ein Stoff enthalten, der auf die Eiweiß-Struktur des Corona-Virus reagiert. Ist das Virus in der Probe vorhanden, verfärbt sich der Streifen. Das Ergebnis liegt bei diesem Test nach etwa 20 Minuten vor.

    Unter anderem wegen der enorm hohen Kosten für den Bund – Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) spricht von durchschnittlich einer Milliarde Euro pro Monat, die man sich angesichts der angespannten Haushaltslage nicht mehr leisten könne – gibt es die Tests zum Nulltarif künftig nur noch für bestimmte Personengruppen. Dazu zählen Menschen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können wie etwa Frauen im ersten Schwangerschaftsdrittel. Auch Kinder unter fünf Jahren, Haushaltsangehörige von Infizierten sowie Bewohner und Besucherinnen von Pflegeheimen und Kliniken werden kostenlos getestet. Ebenso pflegende Angehörige und Menschen mit Behinderung sowie deren Betreuerinnen und Betreuer. Personen, bei denen ein Test zur Beendigung der Quarantäne erforderlich ist, müssen auch nichts bezahlen. Wer Symptome hat, solle sich beim Arzt testen lassen, rät das Bundesgesundheitsministerium. Die Abrechnung erfolge dann über die Krankenkassenkarte.

    Wer auf Corona getestet werden will, braucht einen Nachweis

    Diese Voraussetzungen für einen Gratis-Test müssen natürlich nachgewiesen werden, bei Kindern etwa mit der Geburtsurkunde, bei Besuchen in Kliniken oder Pflegeheimen mit einem Musterformular. Es sei wichtig, dass den Menschen, die Anspruch auf einen kostenlosen Test haben, keine Steine in den Weg gelegt werden, sagt Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU). „Die Regelung muss deshalb so unbürokratisch wie möglich umgesetzt werden. Bayern setzt auf möglichst niedrigschwellige Nachweise des Anspruchs.“ Ein Sprecher seines Ministeriums ergänzt: „Hinsichtlich der Frage, wie der Nachweis im Einzelfall konkret geführt werden kann, werden wir gegenüber dem Bund auf eine Klarstellung pochen. Wir haben gegenüber dem Bundesministerium für Gesundheit bereits um Übermittlung des angekündigten Formblatts sowie um Vollzugshinweise gebeten.“

    Die ganze Sache könnte in den kommenden Wochen noch zu einigen Irritationen führen. Denn nicht nur, wer einen kostenlosen Test haben will, muss einen Nachweis vorlegen – sondern auch, wer nun drei Euro für einen Corona-Test bezahlen muss. Diese Bürgertests mit Eigenbeteiligung sind für Menschen gedacht, die eine Veranstaltung in einem Innenraum – etwa ein Konzert – besuchen werden, die durch die Corona-Warn-App einen Hinweis auf ein erhöhtes Risiko erhalten haben oder zu einer Person Kontakt haben werden, die ein hohes Risiko für einen schweren Verlauf hat, etwa wegen einer Vorerkrankung. Komplett anlassloses Testen soll es eigentlich nicht mehr geben. Wer unbedingt ohne Grund getestet werden möchte, kann das aber dennoch machen lassen – wenn er den Test dann komplett selbst bezahlt. Wer einen Drei-Euro-Test haben möchte, kann den Anspruch etwa durch das Vorlegen von Konzertkarten nachweisen oder bei einem anstehenden Kontakt zu einer Risikoperson eine Selbstauskunft ausfüllen.

    Corona-Bürgertests kosten künftig drei Euro. Vulnerable Gruppe werden weiterhin kostenlos getestet.
    Corona-Bürgertests kosten künftig drei Euro. Vulnerable Gruppe werden weiterhin kostenlos getestet. Foto: Tom Weller, dpa

    Hausärzteverband übt harsche Kritik an der Testverordnung

    An all dem hagelt es Kritik. Unter anderem vom deutschen Hausärzteverband. Grundsätzlich sei es zwar richtig, die anlasslosen Massentestungen asymptomatischer Personen einzuschränken, erklärt der Bundesvorsitzende Ulrich Weigeldt in einem Pressestatement. „Die nun vorgelegte neue Testverordnung ist aber vor allem ein Bürokratiemonster mit zum Teil haarsträubenden Regelungen, die schlichtweg nicht zu Ende gedacht sind.“ Es sei nicht Aufgabe der Hausärztinnen und Hausärzte und der Praxisteams, zu kontrollieren, ob jemand beispielsweise ein Konzert besucht. „Die Idee, dass sich die Praxen Eintrittskarten oder Ähnliches ihrer Patientinnen und Patienten als Nachweis vorlegen lassen, ist absurd.“

    Bayern hätte – wie jedes andere Bundesland – die Möglichkeit, die drei Euro zu ersetzen. Das wird aber nicht passieren. „Der Bund hat entschieden, diese Gebühr einzuführen, und muss dazu auch stehen. Diese Kosten an die Länder abzuwälzen, wird der gesamtgesellschaftlichen Herausforderung durch die Pandemie nicht gerecht“, sagt Bayerns Gesundheitsminister Holetschek. „Wir Länder schultern bereits einen beträchtlichen Teil der finanziellen Last, die die Pandemie verursacht.“ Allein für die Tests in Schulen und Kitas habe der Freistaat 700 Millionen Euro ausgegeben. „Dahingehend ist das Stimmungsbild unter den Ländern parteiübergreifend einhellig – aus gutem Grund.“

    Corona-Experte Wendtner: Hemmschwelle für einen Test wird erhöht

    In der Opposition sieht man das anders. „Der Freistaat sollte sich an den Kosten für die Tests beteiligen und die drei Euro pro Test für die Bürgerinnen und Bürger übernehmen“, sagt Christina Haubrich, die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen im Bayerischen Landtag. „Die Staatsregierung hat nun die Möglichkeit, selbst Verantwortung zu übernehmen und nicht immer nur mit dem Finger nach Berlin zu zeigen.“ Die kostenlosen Bürgertests seien schließlich ein entscheidendes Werkzeug, um die Pandemie zu kontrollieren, meint Haubrich.

    Professor Dr. Clemens Wendtner, Chefarzt an der München Klinik Schwabing, sagt: "Durch kostenpflichtige Bürgertests wird die Hemmschwelle für einen Test erhöht."
    Professor Dr. Clemens Wendtner, Chefarzt an der München Klinik Schwabing, sagt: "Durch kostenpflichtige Bürgertests wird die Hemmschwelle für einen Test erhöht." Foto: München Klinik Schwabing, dpa

    Was die Kontrolle über das Virus angeht, könnte die neue Testverordnung in der Tat Probleme machen. Das befürchtet etwa Professor Clemens Wendtner, Corona-Experte und Chefarzt an der München Klinik Schwabing. „Durch kostenpflichtige Bürgertests wird die Hemmschwelle für einen Test erhöht und es wird sich nicht mehr jeder niederschwellig testen lassen. Dadurch wird man mehr im Nebel fahren und kein realistisches Abbild des Infektionsgeschehens mehr erhalten“, sagt er. „Zum Schluss wird man dies nur an Hospitalisierungen ablesen können, wobei man dann nur noch schwer gegensteuern kann, da Maßnahmen verzögert wirken würden.“

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