Startseite
Icon Pfeil nach unten
Bayern
Icon Pfeil nach unten

Corona-Impfung: Sorge wächst: Werden alte und kranke Menschen beim Boostern übergangen?

Corona-Impfung

Sorge wächst: Werden alte und kranke Menschen beim Boostern übergangen?

    • |
    In vielen Pflegeheimen wächst die Sorge um das Wohlergehen der Seniorinnen und Senioren. Einige warten noch immer auf ihre Boosterimpfung.
    In vielen Pflegeheimen wächst die Sorge um das Wohlergehen der Seniorinnen und Senioren. Einige warten noch immer auf ihre Boosterimpfung. Foto: Patrick Pleul, dpa

    Am Anfang des Boosterns hat in den Pflegeheimen alles viel zu lange gedauert. „Damit wurde wertvolle Zeit vertan“, ärgert sich Dieter Egger, Vorstandsmitglied der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Schwaben. Und noch heute warten einige auf ein mobiles Impfteam, das die Bewohnerinnen und Bewohner zum dritten Mal impft, sagt der schwäbische Sprecher der Hausärzte, Dr. Jakob Berger. Denn nach wie vor fehle Impfstoff: „Die Lage hat sich sogar verschärft“, erklärt er.

    Bei etwa 70 Prozent liegt die Quote der Booster-Impfungen bei der Caritas

    Dabei habe man doch früh gewusst, wie wichtig eine Auffrischungsimpfung gerade für alte und kranke Menschen ist. Doch auch Anja Schwarz vom Caritasverband der Diözese Augsburg bestätigt, dass manche Pflegeheime auf das Boostern noch warten. Bei etwa 70 Prozent schätzungsweise läge die Quote der Bewohner in den Pflegeheimen der Caritas in der Region.

    Wiederholt sich also das Drama vom vergangenen Winter, als so viele Menschen gerade in Seniorenzentren erkrankten und starben? „Die Lage ist äußerst angespannt“, sagt Brigitte Protschka. Sie ist die Präsidentin der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Schwaben, die hier 24 Heime betreibt. Man blicke mit großer Sorge auf diesen Winter. „Gerade beim Boostern ist zwischen der Ankündigung und der Umsetzung in den Heimen viel zu viel Zeit vergangen“, sagt auch Protschka. Doch mittlerweile seien alle Bewohnerinnen und Bewohner, die das wollen, auch geboostert. Aber es komme durchaus vor, dass Seniorinnen und Senioren nicht geimpft sind, weil es ihre Angehörigen nicht erlauben.

    AWO-Präsidentin Protschka befürwortet Impfpflicht für alle

    Die größten Sorgen bereiten Protschka die vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die noch immer nicht geimpft sind. Daher sprach sie sich auch schon im Sommer für eine Impfpflicht zumindest für alle Beschäftigten im sozialen Bereich aus. Denn damit hätte man ihrer Einschätzung nach den Schutz der meist vorerkrankten und nicht selten hochbetagten Menschen wirklich erhöhen können. „Aber bei diesem Thema hat die Politik wieder einmal viel zu lange diskutiert und zu lange nichts getan. Mit fatalen Folgen, sprich Impfdurchbrüchen. Zumindest diese eine Impfpflicht für alle, „denn gerade die älteren und schwerkranken Menschen werden durch eine hohe Impfquote geschützt“.

    Für eine generelle Impfpflicht macht sich auch die Caritas stark: Diözesan-Caritasdirektor Domkapitular Andreas Magg spricht sich für einen „großen solidarischen Schulterschluss aller und gegen jegliche Stigmatisierung einzelner Berufsgruppen“ aus und wünscht sich deshalb eine „Impfpflicht für alle“. Anja Schwarz, zuständig für die stationäre Pflege bei der Caritas in der Diözese Augsburg, erklärt: „Es ist nicht nur eine Pandemie der Pflege, sondern eine Pandemie aller.“

    Bedauerlich ist es allerdings, dass noch immer nicht alle Bewohner in den 53 Caritas-Seniorenheimen der Diözese Augsburg geboostert sind, sagt Schwarz. Viele Heimleitungen merkten schon seit geraumer Zeit, dass die Hausärzte beim Impfen zunehmend überlastet sind. „Doch auch die mobilen Impfteams hatten in manchen Regionen Engpässe.“ Zwar sei man mittlerweile auf einem guten Weg ob der 70 Prozent an geboosterten Senioren in den Einrichtungen, „aber die Organisation und Durchführung durch die möglichen Impfstellen hätte besser laufen müssen“. Die Pflegeheime bräuchten vor allem schnelle und unbürokratische Unterstützung, fordert Schwarz. Vor allem vor dem Erfahrungshintergrund des vergangenen Winters, als viele Senioreneinrichtungen mit besonders umfassendem Ausbruchsgeschehen zu kämpfen hatten, die viele Einrichtungen schwer getroffen haben.

    Alte und kranke Menschen würden unter einer erneuten Isolation massiv leiden

    Als angespannt bezeichnet auch Daniel Wagner, Pressesprecher der Diakonie Bayern, die Lage in den Pflegeheimen. Man versuche, mit Hygienemaßnahmen und dem Testen Infektionen zu vermeiden: „Doch auch Bewohner, die dreimal geimpft sind, können schon an einer leichten Corona-Infektion sterben“. In vielen Einrichtungen fürchte man vor allem einen neuerlichen Lockdown. Denn gerade alte und kranke Menschen leiden extrem darunter, wenn sie keinen Besuch bekommen. „Eine neuerliche Isolation muss daher vermieden werden.“

    Schnell und vorrangig müssen nun die Risikogruppen geboostert werden, fordert auch der Sozialverband VdK. Dabei dürften aber nicht wieder die vielen Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen zu Hause vergessen werden. Alle Risikogruppen hätten direkt angeschrieben werden müssen: „Dazu gehören ein Anschreiben, eine Terminvergabe, mit der diese Menschen auch was anfangen können – also nicht nur digital – und ein Transport zur Impfung für die nicht mobilen Menschen“, sagt Präsidentin Verena Bentele.

    Beim VdK befürchtet man vor allem, dass sich die Situation der vielen Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen zu Hause zuspitzt. „Viele von ihnen haben die Kontakte längst schon wieder reduziert“, erklärt Bettina Schubarth, Pressesprecherin des VdK Bayern, und spricht gerade auch bei den pflegenden Angehörigen von einer „Maximalanspannung“. Diese Menschen „sind einfach durch“. Man dürfe nicht vergessen, die pflegenden Angehörigen hatten keinerlei Verschnaufpause gehabt, da Kurzzeit- und Tagespflegeplätze immer noch absolute Mangelware in Bayern sind. „Dass bei vielen pflegenden Angehörigen die Belastung ebenso stark ist wie bei den Pflegekräften in Kliniken, wird aber nicht richtig gesehen.“ Und diese Menschen könnten nicht mal kündigen.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden