Für Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek sprechen die Zahlen eine klare Sprache: 29 Millionen Impfdosen gegen das Coronavirus wurden im Freistaat bislang verabreicht. Dem gegenüber stünden 108 anerkannte Impfschäden, betont der CSU-Politiker und sagt: "Der Nutzen einer Impfung überwiegt also bei Weitem die Risiken.“ Sehr viele schwere Verläufe oder gar Todesfälle nach einer Infektion mit Covid-19 habe man dank der Impfungen verhindern können.
Doch auch wenn schwere Nebenwirkungen selten sind, gibt es diese Fälle: Menschen, die seit einer Corona-Impfung unter Erschöpfungszuständen, Herz-Kreislauf-Problemen sowie Herz- und Nervenschädigungen oder anderen Nebenwirkungen leiden. Mediziner sprechen inzwischen vom "Post-Vac-Syndrom". Betroffene berichten nicht nur von vielfältigen gesundheitlichen Problemen, viele haben einen Arzt nach dem anderen abgeklappert, ohne eine Diagnose gestellt zu bekommen.
Viele Betroffene wurden an den Long-Covid-Ambulanzen abgewiesen
Immer wieder hatte der bayerische Gesundheitsminister gefordert, dass sich die bestehenden Ambulanzen, die es für Long- und Post-Covid-Patienten an den bayerischen Universitätskliniken gibt, auch für Menschen mit Impfschäden öffnen sollten. "Die Kliniken können aufgrund ihrer aktuellen zur Verfügung stehenden medizinischen Ressourcen und personellen Kapazitäten Patienten annehmen", hatte Holetschek unserer Redaktion im Frühjahr gesagt. Die Realität sah für viele Post-Vac-Patienten aber anders aus. An den Long-Covid-Ambulanzen wurden sie abgewiesen, berichten Betroffene unserer Redaktion. Man sei für sie nicht zuständig, hieß es.
Nun will Holetscheck die Behandlung von Post-Vac-Betroffenen deutlich verbessern. Am Universitätsklinikum Augsburg soll eine innovative und interdisziplinäre Ambulanz insbesondere für Menschen mit langanhaltenden und komplexen Beschwerden nach einer Covid-Impfung entstehen. "Wir dürfen die Betroffenen mit ihren Beschwerden nicht alleine lassen", betont Holetschek.
Am Uniklinikum will man mit der Ambulanz neue Wege gehen, heißt es. Verschiedene Fachdisziplinen wie Pulmologie, Kardiologie, Gynäkologie, Pädiatrie und Psychiatrie/Psychosomatik sollen eng mit der Allgemeinmedizin zusammenarbeiten. Das Projekt läuft unter dem Namen "Reforme", das steht für Resilienz, Forschung, Rehabilitation und Mechanismen der Erholung. Voraussichtlich Anfang 2024 dürften die ersten Patientinnen und Patienten behandelt werden. Am Mittwoch waren weder von der Uniklinik Augsburg noch vor der Universität Augsburg nähere Details zu erfahren. Holetschek betont unterdessen: "Gerade von der Verbindung der Ambulanz zur Forschung erhoffe ich mir, dass wir unserem Ziel einer besseren Versorgung der Betroffenen näherkommen. Denn: Wir wissen noch zu wenig über die oft komplexen Krankheitsbilder."
In Marburg stehen Tausende auf der Warteliste
Als reine Post-Vac-Ambulanz will Holetschek die neue Ambulanz am Uniklinikum aber nicht verstanden wissen, sondern als eine Einrichtung, die deutlich breiter angelegt ist. Bislang gibt es eine spezielle Post-Vac-Ambulanz nur im hessischen Marburg. Wer glaubt, durch die Corona-Impfung einen längeren gesundheitlichen Schaden erlitten zu haben, kann dort vorstellig werden. Jedoch stehen dort bereits Tausende Menschen auf der Warteliste.
Die SPD-Gesundheitspolitikerin Ruth Waldmann hat bereits im April im Gesundheitsausschuss des Landtags gefordert, eine solche Post-Vac-Ambulanz an einer bayerischen Uniklinik einzurichten. Ihr Antrag wurde damals abgelehnt. "Für mich stellt sich die Frage: Warum hat man diese Ambulanz dann nicht schon viel früher eingerichtet? Die Betroffenen leiden. Und sie brauchen schnell Hilfe", sagt Waldmann.