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Corona-Impfstoff: Angst vor AstraZeneca: Lässt sich das Vertrauen zurückgewinnen?

Corona-Impfstoff

Angst vor AstraZeneca: Lässt sich das Vertrauen zurückgewinnen?

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    Derzeit gibt es keine Impfungen mit dem Mittel von AstraZeneca.
    Derzeit gibt es keine Impfungen mit dem Mittel von AstraZeneca. Foto: Alexander Kaya

    Wie schnell aus einem angekratzten Image ein schwer zu kittender Riss werden kann, das zeigen die vergangenen fünf Wochen beinahe lehrbuchhaft. Anfang Februar kommen die ersten AstraZeneca-Impfdosen in Bayern an. Noch ist die Stimmung gut – obwohl schon da klar ist, dass die Wirksamkeit niedriger ist als etwa beim Mittel von Biontech. Gesundheitsminister Klaus Holetschek spricht damals trotzdem von einer hohen Akzeptanz für das Präparat, das zeige die breite Anwendung des Impfstoffs in Großbritannien. Und er erklärt, dass sich das Vakzin des britisch-schwedischen Herstellers als praxistauglich erwiesen habe.

    Nun: So ganz sollte er damit nicht recht behalten – auch, wenn sich bisher schon sehr viele Menschen mit dem Mittel haben impfen lassen. Denn: Derzeit sind die Impfungen wegen möglicher schwerer Nebenwirkungen ausgesetzt. Und die Akzeptanz und das Vertrauen sind bei vielen Menschen ziemlich im Keller. Kann man das überhaupt wieder rückgängig machen?

    "Der radikale Stopp der Impfungen hat mich gewundert"

    Die psychologische Komponente ist ausgesprochen wichtig, betont Dr. Antonios Bayas, leitender Oberarzt an der Klinik für Neurologie und klinische Neurophysiologie am Uniklinikum Augsburg. Täglich erreichen ihn und seine Kolleginnen und Kollegen verunsicherte Patienten, die sich fragen, ob sie sich vor dem Hintergrund der aufgetretenen Komplikationen noch impfen lassen sollen. Und wenn ja, dann nicht mit AstraZeneca – oder etwa doch? Der erfahrene Neurologe Bayas empfiehlt weiterhin eine Impfung. Auch mit AstraZeneca, wenn hiermit wieder geimpft werden kann. Auch Patienten mit neurologischen Erkrankungen wie Multiple Sklerose.

    Die vermuteten Komplikationen, die im Zusammenhang von Impfungen mit AstraZeneca aufgetreten sind, müssen nach Bayas Einschätzung weiter geklärt werden. Keine Frage. „Doch der radikale Stopp der Impfungen hat mich gewundert“, sagt der 53-Jährige. Er hofft, vorausgesetzt, es kommen nicht neue belastbare Zahlen zu möglichen Komplikationen ans Licht, dass der Impfstoff so schnell wie möglich wieder zum Einsatz kommt. Denn seiner Einschätzung nach wird der Impfschutz von AstraZeneca „zerredet“, die möglichen Gefahren viel zu stark in den Vordergrund gerückt. Zumal, wie er sagt, die anderen Impfstoffe auch gesundheitliche Risiken bergen können.

    „Dabei haben wir doch eine ganz besondere Situation“, erklärt Bayas: „In kürzester Zeit müssen Millionen, ja Milliarden von Menschen geimpft werden.“ Und Impfen sei momentan die einzige Möglichkeit, aus dieser Pandemie zu kommen, die neben schweren, oft tödlichen Erkrankungsverläufen, auch viele sekundäre Schäden nach sich ziehe – sei es im psychologischen, aber auch im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereich. Daher hätte er die aktuellen Probleme mit AstraZeneca lieber mit einem Warnhinweis über mögliche Nebenwirkungen adressiert, der an Patienten verteilt wird, damit sie auf bestimmte Symptome besonders achten.

    Impfung mit AstraZeneca: Wie gefährlich sind Sinusthrombosen?

    Doch worauf müssen Geimpfte überhaupt aufpassen? Wie gefährlich sind sogenannte Sinusthrombosen, die nun aktuell nach Impfungen beobachtet werden? Können sie eine Folge der Impfung sein? „Ein Kausalzusammenhang zwischen der Impfung und einer Sinusthrombose kann momentan nach meiner Einschätzung nicht klar hergestellt werden, dies ist Gegenstand einer laufenden Untersuchung“, betont Bayas. „Denkbar wäre es allerdings, dass Gerinnungsstörungen nach einer Impfung auftreten.“ Doch es seien mit bisher bekannten 30 Fällen mit verschiedenen Thrombose-Komplikationen bei fünf Millionen mit dem AstraZeneca Impfstoff geimpften Menschen im europäischen Wirtschaftsraum doch sehr seltene Erscheinungen.

    Sinusthrombosen sind Thrombosen im Gehirn. Als Sinus bezeichnet man die großen Blutleitern im Gehirn, die das Blut zum Herzen abführen. „Sinusthrombosen können milde verlaufen und beispielsweise Kopfschmerzen verursachen, sie können aber auch zu Schwellungen im Gehirn, zu Hirnblutungen und unterschiedlichen neurologischen Anfällen führen. Im Extremfall können Sinusthrombosen tödlich verlaufen“, sagt Bayas. Kopfschmerzen seien aber auch ganz häufige Symptome nach Impfungen. „Wer allerdings Störungen des Bewusstseins bemerkt oder neurologische Begleiterscheinungen wie beispielsweise Sehstörungen, Gefühlsstörungen sowie Lähmungen, der sollte unbedingt notfallmäßig einen Arzt aufsuchen.“

    Im Vergleich zu den häufiger zu behandelnden Beinvenenthrombosen, sind Sinusthrombosen laut Bayas eher selten. Frauen seien stärker betroffen als Männer und auftreten würde das Krankheitsbild häufig im dritten, vierten Lebensjahrzehnt, also durchaus bei jüngeren Menschen. Doch kann die Ursache von Sinusthrombosen überhaupt erkannt werden? „Das ist die entscheidende Frage“, sagt Bayas. So gebe es Patienten, die eine Gerinnungsstörung und dadurch ein höheres Risiko für Thrombosen haben. Auch kann die Pille als Verhütungsmittel das Risiko für Thrombosen erhöhen. „Aber es gibt viele Fälle, bei denen man den Auslöser trotz umfangreicher Abklärung nicht findet.“ Und um belastbare Zusammenhänge zwischen einer Impfung mit AstraZeneca und einer Sinusthrombose darlegen zu können, bräuchte es aus Sicht des Arztes längere Zeiträume und belastbarere Zahlen. Zeit, die jetzt, in dieser Pandemie, nicht vorhanden ist.

    "Bei dem Impfstoff habe es von Anfang an Verunsicherung gegeben"

    Unbeantwortete Fragen gibt es derzeit auch in Ulm. Dort ist eine 48-jährige Frau gestorben – wenige Tage vor ihrem Tod am vergangenen Montag wurde sie im Ulmer Impfzentrum mit AstraZeneca geimpft, das zuständige Gesundheitsamt bestätigt dies. Inwiefern aber ihr Tod wirklich im Zusammenhang mit der Impfung stehen könnte, das ist bisher vollkommen unklar. Auch in Augsburg gibt es offene Fragen: Am Universitätsklinikum wird derzeit ein Patient oder eine Patientin – Näheres ist nicht bekannt – mit Verdacht auf eine Impfkomplikation nach einer AstraZeneca-Verabreichung behandelt. Inwieweit es sich um eine tatsächliche Impfkomplikation handle oder ob der Vorgang als eigenständiges Krankheitsbild zu bewerten sei, das lasse sich aus medizinischer Sicht nicht sicher abgrenzen, heißt es aus dem Klinikum. Man habe den Vorgang als Verdachtsfall dem Paul-Ehrlich-Institut übermittelt.

    Bayerns Gesundheitsminister Holetschek erhofft sich eine sehr schnelle und klare Darstellung der Europäischen Arzneimittelbehörde, sagte er in einem Radiointerview. „Und auch wenn wir dann beim Ergebnis sind, müssen wir wieder Vertrauen aufbauen.“ Bei dem Impfstoff habe es von Anfang an Verunsicherung gegeben, die Kommunikation sei nicht optimal gewesen.

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