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Caritas: Wurde eine Frau zum Wiedereintritt in die Kirche gedrängt?

Caritas

Wurde eine Frau zum Wiedereintritt in die Kirche gedrängt?

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    Caritasverbände sind Wohlfahrtsorganisationen der römisch-katholischen Kirche. Sie engagieren sich für Menschen in Not und für gesellschaftlich Schwache.
    Caritasverbände sind Wohlfahrtsorganisationen der römisch-katholischen Kirche. Sie engagieren sich für Menschen in Not und für gesellschaftlich Schwache. Foto: Andreas Arnold, dpa (Symbolbild)

    Anita Müller (Name geändert) sagt, sie sei regelrecht "zum Wiedereintritt in die römisch-katholische Kirche gedrängt" worden. Der sei – so habe man ihr mehrfach zu verstehen gegeben – Voraussetzung für einen Job. Ein Job, der sie bis heute mit großer Freude erfülle und den sie gerne auch künftig ausüben wollen würde, erzählt sie. Müller treibt noch etwas um: Noch während der Prozess ihres Wiedereintritts lief, sei ihr gesagt worden, sie solle bald Tatsachen schaffen, sonst bestehe sie die Probezeit nicht. Sie habe sich unter Druck gesetzt gefühlt.

    Die Erzieherin arbeitet seit Oktober 2022 für die CAB Caritas Augsburg Betriebsträger gGmbH, eine Tochtergesellschaft des

    Die deutschen katholischen Bischöfe, hier bei ihrer Frühjahrsvollversammlung in diesem Jahr, haben sich im November 2022 auf eine Reform des kirchlichen Arbeitsrechts geeinigt: die neue "Grundordnung des kirchlichen Dienstes".
    Die deutschen katholischen Bischöfe, hier bei ihrer Frühjahrsvollversammlung in diesem Jahr, haben sich im November 2022 auf eine Reform des kirchlichen Arbeitsrechts geeinigt: die neue "Grundordnung des kirchlichen Dienstes". Foto: Robert Michael, dpa (Archivbild)

    Müllers "Fall" – von der Ausschreibung im Juli 2022 über das Vorstellungsgespräch im August bis hin zu einem Probezeitgespräch im Februar und einem Abschlussgespräch über die Probezeit im Mai 2023 – spielt zu einer Zeit, in der die Reform der "Grundordnung des kirchlichen Dienstes" diskutiert, von den Bischöfen beschlossen und im Bistum Augsburg zum 1. Januar 2023 in Kraft gesetzt worden ist. Zu ihrer Überarbeitung war es vor allem wegen des anhaltenden Protests von queeren Kirchenmitarbeitenden gekommen, die wegen ihrer sexuellen Orientierung oder Identität den Verlust ihres Jobs zu befürchten hatten. Die Kirche als Arbeitgeber will fortan eine "Kirche ohne Angst" sein.

    Was die Frau beschäftigt, beschäftigt offenbar viele Menschen: "Muss man katholisch sein, um bei der Caritas zu arbeiten?"

    Mitte März 2023 erhielt Müller die "Mitteilung über eine Rekonzilation". Fett gedruckt steht auf dem Papier, dass sie "mit der römisch-katholischen Kirche wiederversöhnt worden" sei. Der Wiedereintritt zog sich über die ersten Monate des Jahres, Gespräche mit dem zuständigen Pfarrer inklusive. Doch erst nach dem Gespräch über ihre Probezeit im Mai – ihr Dienstverhältnis, eine Elternzeitvertretung, ist bis Ende September befristet – habe sie sich eingehend mit dem kirchlichen Arbeitsrecht befasst, sagt sie. Aus Zweifeln daran, ob man sie übernehmen wolle. Sie kam zur Ansicht, dass man ihre Stelle ausfüllen kann, wenn man nicht katholisch ist. Müller fühlt sich unfair behandelt.

    Der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller erklärt: Auch in der neuen "Grundordnung" sei der Kirchenaustritt weiter ein Kündigungsgrund.
    Der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller erklärt: Auch in der neuen "Grundordnung" sei der Kirchenaustritt weiter ein Kündigungsgrund. Foto: Rolf Vennenbernd, dpa (Archivbild)

    Was sie beschäftigt, beschäftigt offenbar viele Menschen. Auf der Internetseite des katholischen Wohlfahrtsverbandes, www.caritas.de, ist in der Rubrik "Häufig gestellte Fragen" gleich die erste: "Muss man katholisch sein, um bei der Caritas zu arbeiten?" Die Antwort: "Laut der im Herbst 2022 reformierten Grundordnung müssen nur Mitarbeitende, die eine verkündigungsnahe Beschäftigung haben oder die das katholische Profil der Einrichtung inhaltlich prägen, mitverantworten und nach außen repräsentieren, katholisch sein." In der Stellenbeschreibung, die Müller vorlag, war bloß gefragt worden: "Sie identifizieren sich mit den Grundsätzen der katholischen Kirche und dem Auftrag der Caritas?" Im Dienstvertrag, der auf den 1. Oktober 2022 datiert, wird auf die Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes in ihrer jeweils geltenden Fassung und auf die Grundordnung als Bestandteil des Dienstverhältnisses hingewiesen.

    In der alten Grundordnung sei der Kirchenaustritt als absoluter Nichtanstellungsgrund bewertet worden, erklärt der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller – "obwohl es gerade bis Ende 2022 bundesweit bei der Caritas viele Beschäftigte gab, die auch als ausgetretene Katholiken anstandslos beschäftigt wurden". In der neuen Grundordnung sei ein Austritt weiter ein Kündigungsgrund, bei der Anstellung werde allerdings nur noch nach der Zustimmung zu den christlichen Zielen der Einrichtung gefragt. "Katholisch müssen die leitenden Haupt- und ehrenamtlichen Organverantwortlichen einer katholischen Einrichtung sein", auf Müller treffe das nicht zu. Haben in ihrem Fall "übereifrige Leute der Caritas das alte Recht trotz Geltung der neuen Grundordnung durchgesetzt", wie es Schüller aufgrund der Schilderungen Müllers für denkbar hält?

    Die Caritas weist die Vorwürfe der Frau zurück – und gibt eine erstaunliche Antwort

    Herbert Kratzer, CAB-Geschäftsführer, Ressort Behindertenhilfe, antwortet ausführlich. Müllers Vorwurf, sie sei zum Wiedereintritt gedrängt worden, weist er zurück. Sie habe "schon beim Einstellungsgespräch aus eigener Initiative darauf hingewiesen, dass sie sich mit der Caritas befasst hat, sie als guten Arbeitgeber mit Haltung sieht und wieder in die Kirche eintreten möchte". Dies sei dann freiwillig geschehen. Auch der Vorwurf, sie bestehe ohne Wiedereintritt die Probezeit nicht, "trifft sicher nicht zu", so Kratzer.

    Die Frage nach einer Kirchenmitgliedschaft als Voraussetzung für eine Anstellung als "Durchführungskraft" – wie Müller – bei der CAB sowie im gesamten Caritasverband der Diözese beantwortet er unter Verweis auf die neue Grundordnung und den Kommentar der Caritas-Dienstgeber auf Bundesebene dazu: Demnach sei "eine Kirchenmitgliedschaft nicht per se eine Voraussetzung für eine

    Deutlicher noch äußert sich Bernhard Gattner, Sprecher des Caritasverbandes, auf Nachfrage: Müllers Wiedereintritt "war nicht erforderlich". Schon früher habe man das je nach Aufgabenbereich sehr differenziert bewertet. Vor wenigen Tagen habe er ein "sehr angenehmes und offenes Gespräch" mit ihr geführt, erklärt Herbert Kratzer noch. Er habe sie eingeladen, sich auf eine andere freie Stelle zu bewerben. Insofern habe sie "nach eigener Initiative eine Zukunft bei der CAB". Man muss ergänzen: solange sie nicht wieder aus der Kirche austritt.

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