Frau Kari, Sie sind die erste Tierschutzbeauftragte einer Bundesregierung überhaupt und seit etwas über einem Jahr im Amt. Wie würden sie Ihre eigene Zwischenbilanz ziehen?
ARIANE KARI: Ich habe das ganze vergangene Jahr gespürt, dass Tierschutz in der gesamten Gesellschaft angekommen ist. Die Anfragen von Tierschutzverbänden oder Bürgerinnen und Bürgern sind enorm. Insofern hat mich dieses Jahr in meinen Grundüberzeugungen bestätigt. Und obwohl wir mit fünf Personen ein kleines Team sind, haben wir meiner Meinung nach einiges erreichen können.
Anfang des Jahres haben Sie sich in einem Runden Tisch mit den überlasteten Tierheimen getroffen. Warum?
KARI: Viele glauben, ich sei nur für die Landwirtschaft zuständig, weil es den Heimtieren ja sowieso gut ginge. Aber dem ist nicht so. Die Tierheime in Deutschland sind seit Jahren schon überfüllt und bis zu 60 Prozent der Tiere werden von Privatpersonen abgegeben. In den Tierheimen spiegeln sich die Tierschutzprobleme in den Wohnzimmern wider, also eine explodierende Straßenkatzenpopulation, Spontankäufe, besonders auch von qualgezüchteten Tieren, und die fehlende Sachkunde vieler Tierhalter.
Die Bundesregierung plant gerade ein neues Tierschutzgesetz. Für die Privathaltung fordern die Tierheime seit Langem die bundesweite Katzenkastration. Die fehlt im Gesetzentwurf aber. Wieso?
KARI: Beim jetzigen Kabinettsentwurf, der kommenden Donnerstag ins Parlament kommt, erhoffe ich mir an einigen Stellen noch Nachbesserungen. Ganz konkret muss ein Katzenkastrationsgebot tatsächlich bundesweit kommen, auch weil die Länder und Kommunen derzeit kaum von der Möglichkeit Gebrauch machen, entsprechende Regelungen zu treffen. Bei verwilderten, kranken Katzen denken viele an das europäische Ausland, wir haben das Problem aber ebenfalls. Wenn wir eine grundsätzliche Kastrationspflicht jetzt gesetzlich verankern, verbessern wir die bisherige Rechtslage deutlich. Außerdem fließt dieses Wissen – ich habe eine Katze, die muss ich aus Tierschutzgründen kastrieren – in die Bevölkerung ein. Langfristig bräuchte es aber eine eigene Katzenhaltungsverordnung, da die nicht in Sicht ist, müssen wir über das Tierschutzgesetz gehen.
Bei der Katzenhaltung gehen sie also in Richtung Regeln. Zielt der Hundeführerschein, den Sie fordern, in dieselbe Richtung?
KARI: Also grundsätzlich fehlt es oft an Wissen. Sei es, dass Katzenkastration gelebter Tierschutz ist oder wie ich seriöse Hundezüchter von skrupellosen Welpenhändlern unterscheide. Es geht also darum, dass Tierhaltende sich vor der Anschaffung eines Tieres zumindest ein Grundwissen aneignen. Da würde ich bei der Haltung von Hunden anfangen, auch, weil es dort um Gefahrenabwehr geht. Jemand, der sachkundig mit seinem Hund umgeht, reduziert Beißvorfälle.
Sie haben gesagt: Anfangen. Heißt das, langfristig wollen Sie solche Sachkundenachweise für viele Tierarten einführen?
KARI: Natürlich braucht es für die Haltung von Tieren immer ein bestimmtes Maß an Sachkunde. Und als Stimme der Tiere in der deutschen Bundespolitik ist es mein Ziel, den Tierschutz für alle Tierarten zu verbessern. Aber Regelungen für Hundehaltende sind meiner Ansicht nach am drängendsten, weshalb ich mich in meiner Arbeit derzeit auch hierauf konzentriere.
Noch steht die Katzenkastration nicht im Tierschutzgesetz und auch der Hundeführerschein ist nicht angegangen. Wo stoßen Sie da in Ihrer Arbeit auf Widerstand?
KARI: Der Entwurf des Tierschutzgesetzes hat schon viele gute Ansätze, es ist gut, dass sich da was bewegt. Wenn Sie mich fragen, wer in der Koalition jetzt mehr oder weniger Tierwohl wollte, dann muss ich Ihnen sagen, dass ich parteiunabhängig arbeite. Ich tausche mich fachlich mit den Abgeordneten aus und meine Forderungen, die ich vertrete, sind klar fachlicher Natur. Für alles Politische müssten Sie die Abgeordneten fragen.
Jetzt haben Sie sich aber ein bisschen rausgeredet. Sind ihre Forderungen vielleicht gerade deshalb beim Tierschutzgesetz untergegangen, weil sie keine Partei hinter sich haben?
KARI: Tatsächlich wurden meine Forderungen teilweise berücksichtigt und auch medial stark aufgegriffen. Selbstredend sind weitere dringende Verbesserungen des Gesetzesentwurfs nötig, für die ich mich in den kommenden Monaten im Austausch mit Parlamentariern aller Parteien starkmachen werde. Genau deshalb bin ich übrigens überzeugt davon, dass dieses Amt eine Parteiunabhängigkeit braucht. Denn das Wohl der Tiere ist nicht von der Parteimitgliedschaft abhängig. Wenn ich im Austausch mit den Ministerien und Abgeordneten stehe, muss klar sein, dass ich keine Parteiinteressen vertrete. Gerade, wenn das Amt über die Legislatur hinaus existieren soll, ist das wichtig.
Bei der Qualzucht kommt laut Tierschutzgesetzentwurf kein pauschales Verbot, stattdessen soll nur die Zucht mit diesen Tieren verboten werden. Tierschützern reicht das nicht.
KARI: Bei der Qualzucht braucht es dringend ein Komplettpaket, also zum Beispiel auch ein Import- und Haltungsverbot, wie es Österreich uns vormacht. Natürlich muss es dabei Ausnahmen für die Tiere geben, die bereits gehalten werden, denn es geht keinesfalls darum, irgendwem seinen geliebten Gefährten wegzunehmen. Gleiches gilt z. B. für die Adoption von qualgezüchteten Tieren, die schon heute in Tierheimen sitzen. Aber mit einem Haltungsverbot ist nicht mehr nur der Züchter verantwortlich, sondern auch der private Halter. Denn die Händler beliefern ja eine Nachfrage.
Zur Person: Ariane Kari ist Fachtierärztin und war ab 2017 stellvertretende Landestierschutzbeauftragte in Baden-Württemberg. Seit Mitte Juni vergangenen Jahres ist sie die erste Person im neu geschaffenen Amt der Bundestierschutzbeauftragten, das am Bundeslandwirtschaftsministerium angegliedert ist. Kari hat keine Parteimitgliedschaft.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden