Das Ende des langwierigen Prozesses gegen Jérôme Boateng ist in Sicht. Der Grund, weshalb sich inzwischen bereits zum vierten Mal ein Münchner Gericht mit Gewaltvorwürfen gegen Jérôme Boateng befasst, liegt weit in der Vergangenheit: Die Ex-Freundin von Boateng wirft ihm vor, sie 2018 in einem gemeinsamen Karibikurlaub attackiert zu haben. Sie gab an, der heute 35-Jährige habe ein Windlicht und eine Kühltasche nach ihr geworfen. Später habe er sie angespuckt, an den Haaren gezogen, ihr mit beiden Händen ins Gesicht geschlagen und ihr in den Kopf gebissen.
Er sagt, sie sei ein streitbarer Mensch, wüsste genau, welche Knöpfe sie drücken müsste, doch geschlagen habe er sie nie. Sie sagt das genaue Gegenteil: Der ehemalige Fußballweltmeister habe sie körperlich misshandelt. Zudem soll der Fußballprofi, der seit Kurzem beim Linzer Athletik-Sport-Klub unter Vertrag steht, gedroht haben, die gemeinsamen Kinder würden in ein Heim kommen, sollte sie ihn wegen des Karibik-Vorfalls anzeigen.
Boateng-Prozess in München: 1,12 Millionen Euro fordert die Staatsanwaltschaft
Am vorletzten Prozesstag betritt der frühere Bayern-Profi den diesmal deutlich kleineren Gerichtssaal, gekleidet in einen schwarzen Anzug und weißes Hemd. Wegen eines Staatsschutzverfahrens findet der Prozess am Freitag in einem kleineren Saal statt. Er lässt sich geduldig mit gesenktem Blick von den Medienvertreterinnen und -vertretern ablichten. Auch wenn es diesmal deutlich weniger Augenpaare im Publikum sitzen, sind alle Blicke auf ihn gerichtet. Seine Ex-Freundin, die die Nebenklage im Fall Boateng angetreten hatte, ist nicht persönlich erschienen.
In ihrem Schlussplädoyer vor dem Landgericht München I forderte die Staatsanwaltschaft eine Geldstrafe in Höhe von 1,12 Millionen Euro für den 35-Jährigen. „Für mich steht der Sachverhalt so fest“, sagte die Staatsanwältin und sprach sich für eine Geldstrafe von 160 Tagessätzen zu 7000 Euro aus.
Anwältin Carolin Lütcke wiederholte zum Abschluss den Wunsch ihrer Mandantin, dass „dieser Prozess einfach endgültig vorbei ist“. „Es ist ein echter David-gegen-Goliath-Kampf“, bei dem Boateng „kein Unrechtsbewusstsein“ zeige. Einen Verständigungsvorschlag habe er zurückgewiesen, weil er diesen nach Lütckes Angaben nicht mit seinem Gewissen vereinbaren und vor seinen Kindern vertreten konnte. Dass er sich „als 1,92 Meter großer, durchtrainierter Profisportler“ als Opfer seiner 30 Zentimeter kleineren Ex-Freundin darstelle und sie bezichtige, ihn ebenfalls angegriffen zu haben, sei „typisch“ für Täter häuslicher Gewalt.
Boatengs Verteidigung beklagt das „erfundene Narrativ des Frauenschlägers“
Bei dem Vorfall in der Karibik habe es sich um eine für beide Seiten erwartbare Rangelei gehandelt, die bei Weitem keine lebensgefährlichen Verletzungen zur Folge gehabt habe, erklärte dagegen Boatengs Verteidiger Leonard Walischewski der Richterin Susanne Hemmerich in seinem Plädoyer. „Jedermann weiß, oder hat zumindest schon davon gehört, wie verbissen und teilweise bösartig Ex-Partner gegeneinander kämpfen, insbesondere wenn es um die Kinder oder das Finanzielle geht“, sagte Walischewski. Das steigere sich oftmals in übertriebene und falsche Anschuldigungen und am Ende gäbe es immer nur Verlierer. Auch im vorliegenden Fall, beteuerte der Verteidiger, sei das so. Er sprach von einem „erfundenen Narrativ des Frauenschlägers“.
Boatengs Verteidigung forderte höchstens eine „moderate Geldstrafe“ wegen fahrlässiger Körperverletzung oder die Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldauflage. Die Höhe stellte Boatengs Anwalt ins Ermessen des Gerichts.
Boatengs Mutter macht von Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch
Auch Boatengs Mutter war als Zeugin geladen, gab jedoch durch den Sprecher des Münchener Oberlandesgerichts bekannt, im Prozess gegen ihren Sohn von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch zu machen. „Die Mutter Boateng hat ein schillerndes Bild und bringt meiner Meinung nach hier gar nichts“, kommentierte Richterin Hemmerich. In der Vergangenheit hatte Boatengs Mutter gegenüber der Bild-Zeitung belastende Aussagen über ihren Sohn geäußert, diese aber später wieder zurückgezogen. Im vorliegenden Verfahren, berichtete Richterin Hemmerich, wolle sie sich nicht weiter beteiligen.
Ein gemeinsamer Bekannter von Boateng und dessen Ex-Freundin hatte außerdem ausgesagt und die Beziehung der beiden als emotional aufgeladen und außerordentlich schwierig beschrieben. Er schilderte auch einen Vorfall, bei dem die Ex-Partnerin nach ihrer Geburtstagsfeier Boateng in einem Auto ins Gesicht getreten haben und später dann selbst gestürzt sein soll.
Freund des Ex-Paars: „Beide waren nicht geeignet, eine Beziehung zu führen.“
Die beiden hätten „ein miserables Beziehungsverhältnis“ gehabt, sagte der Mann. „Beide waren nicht geeignet, eine Beziehung zu führen.“ Gerade mit Blick auf die Zwillingstöchter sei das eine furchtbare Entwicklung. „Ich finde es eine Schande, dass es so weit gekommen ist“, betonte er und bekam dafür Zustimmung von Richterin Hemmerich: „Ich auch.“
Boateng selbst sprach nach den Plädoyers von einem Fehler und bedankte sich beim Gericht dafür, „dass sich endlich ein Gesamtbild vom Vorfall gemacht wurde“. In der Vergangenheit sei es mehrmals vorgekommen, dass Menschen aus seinem privaten Umfeld versuchten, sich durch ihn finanzielle Vorteile zu verschaffen. Er selbst habe sich im laufenden Prozess nie als Opfer dargestellt, sondern Fehler eingeräumt. Lange habe er geschwiegen. „Aber ich bin auch müde und irgendwann muss ich mich verteidigen und ausführlich äußern“, erklärt der Fußballprofi und klingt dabei tatsächlich erschöpft. „In erster Linie möchte ich mich bei meinen Kindern entschuldigen und ich danke ihnen“, beendete Boateng seine letzten Worte vor Gericht.
Das Urteil soll nun am Freitag kommender Woche fallen. (mit dpa)
Es scheint, dass der vermögende Boateng von zwei Seiten abgezockt und gemolken werden soll.
Die Tagessätze basieren auf dem Nettogehalt eines Tages. Die Idee ist, dass sich reiche nicht wegen zu niedriger Geldstrafe alles erlauben können. Oder wäre ihnen das lieber?
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