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Boateng-Prozess: Richterin will seine Kinder schützen

Justiz

Richterin im Boateng-Prozess will seine Kinder schützen

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    Jérome Boateng am Freitag in München im Gerichtssaal.
    Jérome Boateng am Freitag in München im Gerichtssaal. Foto: Frank Hoermann/Sven Simon

    Jérôme Boateng kommt etwas spät. Ruhig bleibt er mit seinem Verteidiger Leonard Walischewski vor seinem Platz stehen, damit die Fotografen und Kameraleute zu ihren Bildern kommen. Die sehen dann wenigstens anständig aus und auch das ist nicht unwichtig an diesem Tag, an dem der Fußballstar vor Gericht antreten muss und zeigen will, dass er nichts zu verbergen hat. Der 35-jährige Boateng trägt einen dunklen Anzug, weißes Hemd sowie Brille, er ist angeklagt, seine frühere Lebensgefährtin beleidigt und geschlagen zu haben. Sechs Jahre liegt der Vorfall zurück, den Boateng anders darstellt. Zweimal ist er deswegen schon verurteilt worden, doch die Urteile wurden wieder aufgehoben. Nun startet in München Verfahren Nummer vier. 

    Prozess-Marathon im Fall Boateng

    Der Prozess-Marathon war schon immer ein Medienereignis, ja, es wäre ohne die Rolle der Medien so gar nicht denkbar. Aus einem Fall von Gewalt in der Partnerschaft, wie er trauriger Alltag in deutschen Gerichtssälen ist, wurde eine öffentliche Schlammschlacht, geführt auf mehreren Feldern und ohne Rücksicht auf Opfer und Angehörige.

    Auch an diesem Morgen sind die Kameraleute schon eineinhalb Stunden vor Prozessbeginn vor dem Gebäude und schießen erste Symbolbilder, Online-Portale berichten per Live-Ticker von dem Verfahren, als wäre es ein Fußballspiel. Schauplatz ist ein Saal, in dem man schon über die Mörderbande von der NSU zu Gericht saß und den Mann, der den Münchner Modeschöpfer Rudolf Moshammer umgebracht hat. 

    Deal hätte Boateng milde Strafe beschert

    Richterin Susanne Hemmerich versucht in letzter Sekunde noch einmal, das drohende Spektakel zu verhindern, bei dem die Details einer kaputten Beziehung breitgetreten werden. Sie appelliert, sich um der zwei 13-jährigen Töchter Boatengs und seiner einstigen Lebensgefährtin willen zu einigen. Seit sechs Jahren müssten die Kinder miterleben, wie der erbitterte Streit zwischen ihren Eltern in aller Öffentlichkeit geführt wird. Hemmerich äußert ihr Unverständnis über die lange Verfahrensdauer und schreibt dafür der Justiz eine Teilverantwortung zu. Überhaupt ist die Stimmung zwischen Richterin und Staatsanwältin sowie den Nebenklage-Vertreterinnen schnell gereizt, was sich in kleinen Wortgefechten zeigt. Hemmerich beklagt die "umfangreiche mediale Vorverurteilung" des Angeklagten und versucht danach im Richterzimmer alle Seiten zu einem Deal zu bewegen.

    Gegen ein Geständnis, zu dem er wohl in Teilen bereit war, sollte Boateng eine Geldstrafe bekommen, die zur Bewährung ausgesetzt worden wäre. Damit wäre das Urteil deutlich hinter den früheren Entscheidungen zurückgeblieben. Die Staatsanwaltschaft lehnt ab. Das bedeutet: Bühne frei für Jérôme Boateng.

    Jérôme Boateng: "Sie hat mir das Leben zur Hölle gemacht."

    Der verliest knapp eine halbe Stunde lang eine Erklärung, beantwortet anschließend klar und präzise die Fragen der Richterin und des Sachverständigen. Dabei beteuert der mittlerweile in Linz unter Vertrag stehende Spieler seine Unschuld: "Ich misshandle keine Frauen, setze niemanden unter Druck und stelle niemandem nach." Damit spielt Boateng auch auf die Vorwürfe gegen ihn an, die im Zusammenhang mit dem Freitod seiner früheren Freundin Kasia Lenhardt erhoben werden. Auch diese Vorwürfe, so stellt er es dar, hätten ihren Ursprung in den Lügen und Intrigen seiner ehemaligen Partnerin, von der er sich 2015 getrennt hatte, aber offenbar nicht endgültig.

    Im Karibik-Urlaub soll der Weltmeister zugeschlagen haben

    2018 ging es mit Kindern und Bekannten in den Karibik-Urlaub und dabei soll Boateng sie mit einem Windlicht und einer Kühltasche beworfen und später geschlagen haben. Das bestritt Boateng. Sie habe ihn angegriffen. Er habe sich nur gewehrt, sie weggeschubst und dabei verletzt. Erst Monate später habe sie ihm angezeigt. Nach Boatengs Darstellung wollte die Frau die Anzeige im Streit um Geld und Kinder als Druckmittel benutzen. "Sie hat mir das Leben zur Hölle gemacht."

    Wegen der Vorwürfe bekomme er bei keinem großen Verein mehr einen Vertrag, so der Weltmeister von 2014. "Zudem habe ich alle meine Werbeverträge verloren." Eigentlich habe er sich nicht zu privaten Dingen äußern wollen. Aber: "Ich möchte nicht weiter nur dabei zusehen, wie mein Ruf und meine Zukunft mehr und mehr zerstört wird."

    Nebenklägerin: "Boateng hat schlicht gelogen."

    Eigentlich sollte der erste Verhandlungstag mit dieser Aussage enden, doch so will Carolin Lütcke ihn nicht ausklingen lassen. Die Anwältin vertritt das mutmaßliche Opfer und geht Boateng in einer Erklärung frontal an. Er habe "ordentlich Schlamm" auf ihre Mandantin geworfen und "schlicht gelogen", so Lütcke. Doch für die Vorwürfe gebe es Tatzeugen und ärztliche Belege. Lütcke findet: "Das ist alles sehr gut nachgewiesen." Der Prozess wird kommenden Freitag fortgesetzt und soll nach fünf Verhandlungstagen Mitte Juli enden. 

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