An diesem Freitag ist der Stau auf der A93 Richtung Süden vorhersehbar. Gut möglich, dass sich die Lastwagen dann vom Grenzübergang Kiefersfelden bis zum Inntaldreieck und damit zur A8 zurückstauen, wie es an diesem Dienstag der Fall war. Oder dass sogar im Münchner Umland nichts mehr geht. So oder so: Der Stau an diesem Freitagmorgen vor der Grenze dürfte spürbar sein. Brückentag, langes Wochenende und dann noch Lkw-Blockabfertigung, da kommt einiges zusammen.
In Oberaudorf, drei Kilometer vor dem Grenzübergang, spürt man die Folgen, wenn Tirol den Schwerlastverkehr bremst. "Da sind wir Profi", sagt Bürgermeister Matthias Bernhardt. In der kleinen Gemeinde, drei Kilometer vom Grenzübergang entfernt, geht dann an vielen Blockabfertigungstagen nichts mehr, weil sich der Ausweichverkehr durch den Ort quält. An "normalen" Tagen, rechnet der Bürgermeister vor, zählt man auf der Hauptstraße rund 150 Fahrzeuge pro Stunde, wenn Tirol seine "Dosiermaßnahmen" durchführt, sind es bis zu 1500.
Fußgänger können kaum die Straße überqueren
2017, als zu Pfingsten zwischen Kufstein und dem Brenner nichts mehr ging, . Dann lässt die österreichische Polizei nur 300 Lastwagen pro Stunde auf die Inntalautobahn. Da dann für den übrigen Verkehr nur noch eine Fahrbahn zur Verfügung steht, sind die Folge beträchtliche Staus. In Oberaudorf können Fußgängerinnen und Fußgänger an diesen Tagen kaum die Straße überqueren, erklärt der Bürgermeister. Wer mit dem Auto unterwegs ist, kommt kaum voran. Das spüren vor allem Pendler regelmäßig. Hinzu kommt: Für die 6000 Einwohner Oberaudorfs sind auch die Lärm- und Luftbelastung massiv. "Der Verkehr weicht von der Autobahn über das Umland aus. Da umfährt doch fast jeder", sagt Matthias Bernhardt.
Dabei sollte die Blockabfertigung eigentlich ein Auslaufmodell sein. Ein Jahr ist es her, dass sich Bayerns Ministerpräsident Markus Söder in Kufstein mit seinen Kollegen aus Tirol und Südtirol, den Landeshauptmännern Anton Mattle und Arno Kompatscher, zum "Alpengipfel" traf. Gemeinsam habe man sich überlegt, wie man die verfahrene Situation auf der chronisch überlasteten Brennerroute lösen könnte, betonte Söder damals. "Wir spüren, dass der Brenner Entlastung braucht, der Brenner steht vor dem Kollaps." Ein Buchungssystem für Lkw-Fahrten sollte den Verkehr Richtung Süden geordneter fließen lassen. Über ein Slot-System sollten Speditionen im Vorfeld bestimmte Zeitfenster für ihre Transporte über den Brenner buchen. Ist ein Zeitfenster ausgebucht, so die Idee, muss die Fahrt zu einer anderen Zeit stattfinden. Erste Details, wie das technisch funktionieren soll, wollte man im Herbst 2023 vorlegen. Doch dann kündigte Italien an, vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu ziehen und Österreich zu verklagen.
Denn auch für die Italiener ist die Blockabfertigung ein Reizthema. Schließlich lässt Tirol auch am Brenner nur eine bestimmte Zahl an Lkw ins Land, damit es in der Heimat weniger Schwerlastverkehr gibt. Wer verstehen will, wie groß die Verkehrsbelastung mittlerweile ist, muss nur auf die Zahlen schauen. 2,4 Millionen Lkw wälzten sich im vergangenen Jahr über den Alpenpass. Zum Vergleich: Im Jahr 2000 waren es noch 1,1 Millionen. 40 Prozent des Güterverkehrs in den Alpen gehen über den Brenner. Dazu kommen noch gut elf Millionen Autos, die jedes Jahr die Achse nutzen. Entsprechend haben auch die Belastungen auf und entlang der Route zugenommen.
Ein "Slot-System" soll den Güterverkehr besser regeln
Wenn Markus Söder am Freitag nach Rom reist, werden auch die chronisch überlastete Brennerroute und die Blockabfertigung ein Thema sein. Im bayerischen Verkehrsministerium geht man davon aus, dass eine italienische Klage Erfolgschancen hat, eine Entscheidung darüber werde aber viel Zeit in Anspruch nehmen. "Das Slot-System könnte dagegen schnell Abhilfe schaffen", betont ein Sprecher von Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU). Nach wie vor arbeite man eng mit Tirol und Südtirol zusammen, um dieses System voranzutreiben. Damit, heißt es, könnte "die Planbarkeit für den Güterverkehr deutlich erhöht werden" und damit auch der "bei der Blockabfertigung entstehende Rückstau an der Grenze vermieden" werden.
Oberaudorfs Bürgermeister Bernhardt ist skeptisch, dass ein Slot-System viel ändern würde. "Durch ein Regulierungssystem wird der Verkehr ja nicht weniger." Er fordert stattdessen, "das Problem von Anfang an zu durchdenken" – etwa, indem man Retouren für Onlineartikel kostenpflichtig macht und so den Verkehr ein Stück weit reduziert.
Vorerst wird es noch viele Tage geben, an denen im Inntal nichts mehr geht. Für dieses Jahr hat Tirol 40 Blockabfertigungstage angesetzt – allein 15 davon im Mai.