Rund ein Jahr ist es her, dass CSU und Freie Wähler in Bayern in ihre zweite Koalition gestartet sind. Was hatte sich die Söder-Regierung für die neue Wahlperiode vorgenommen? Was ist bereits erreicht worden? Und wo hinken die bürgerlichen Parteien den eigenen Ansprüchen hinterher? Wir ziehen in einer Serie eine erste Zwischenbilanz. Teil 2: Bildungspolitik.
„Bayern ist ein Bildungsland“, heißt es im Koalitionsvertrag von CSU und Freien Wählern. Und in der Tat gibt der Freistaat mehr als jeden dritten Euro für Bildung aus. Doch welche Verbesserungen für die Schülerinnen und Schüler wurden bereits erreicht?
Die neue Bildungsministerin Anna Stolz (Freie Wähler) bekam im ersten Regierungsjahr zwar viel Lob für ihren pragmatischen und offenen Stil. Gleich zweimal wurde Stolz jedoch von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ausgebremst: Zuerst verhinderte er per Machtwort im Zuge der von Stolz angestoßenen Grundschul-Reform die mögliche Streichung einer von drei Religionsstunden. Nach den Sommerferien beendete Söder zudem frühzeitig eine Debatte über unangekündigte Leistungsnachweise: „Exen und Abfragen werden natürlich bleiben“, verfügte er.
Streit um Musik und Kunst in den bayerischen Grundschulen
Sowohl die Grundschulreform, als auch die Debatte über die Leistungsnachweise waren allerdings gar nicht Teil des bildungspolitischen Regierungsprogramms. Die Grundschulreform war vielmehr eine Reaktion auf die auch für Bayern ernüchternden Ergebnisse der jüngsten Pisa-Leistungstests. Ziel ist eine Stärkung der Basiskompetenzen Lesen, Schreiben und Rechnen, für die schon ab dem aktuellen Schuljahr mehr Zeit in den Grundschulen zur Verfügung steht. Um die Belastung der Kinder nicht zu erhöhen, wird der Unterricht in Kunst und Musik in von den Lehrkräften selbst gewählten Zeitrahmen „flexibilisiert“.
Diese Entscheidung löste postwendend viel Kritik aus. Der Lehrkräfteverband BLLV fordert gar eine Ausweitung der Stundentafel, um Einschnitte in der kreativen Bildung zu verhindern. Ministerin Stolz lehnt dies ab: Die Stundentafel in Bayern biete genug Spielräume für ausreichend künstlerischen und musischen Unterricht.
Dauerthema an Bayerns Schulen ist der Personalmangel. Der Koalitionsvertrag verspricht 6000 zusätzliche Lehrerstellen bis 2029. Zum neuen Schuljahr 2024/25 wurden in der Tat bereits rund 1600 neue Lehrerkräfte eingestellt. 2025 sollen noch mal 1300 zusätzliche Lehrkräfte folgen. Ab 2026 hat Ministerpräsident Söder jedoch aufgrund leerer Staatskassen einen Einstellungsstopp verhängt, der auch die Schulen betreffen soll. Ob die noch fehlenden mehr als 3000 zusätzlichen Stellen bis 2029 tatsächlich kommen werden, steht damit infrage.
Die Hälfte der bis 2029 versprochenen zusätzlichen Lehrkräfte für Bayern steht infrage
Vor allem in den Grund- und Mittelschulen bleibt das Personal nicht zuletzt mangels ausreichend verfügbarer Bewerber ohnehin knapp. Hinzu kommt, dass ein höchstrichterliches Urteil eine 2020 beschlossene Mehrarbeit per Arbeitszeitkonto für Grundschullehrkräfte einkassiert hat. Damit muss nun an den Grundschulen auch noch eine große Anzahl unrechtmäßiger Überstunden zeitnah abgebaut werden.
Umgesetzt wurde zum neuen Schuljahr die kontrovers diskutiere wöchentliche Verfassungsviertelstunde – zunächst in einigen Klassenstufen. Ohne Notendruck soll dort über Grundwerte der Verfassung wie Meinungsfreiheit oder Gleichberechtigung diskutiert werden.
Im Laufe des aktuellen Schuljahres sollen zudem erstmals verpflichtende Sprachtests eineinhalb Jahre vor der Einschulung und bei Förderbedarf anschließende Sprachförderung eingeführt werden. Offen bleibt allerdings, woher das dafür notwendige Personal kommen soll.
Gestartet wurde zudem die bis 2028 geplante Ausstattung aller Schüler ab der 5. Klasse mit Tablets oder Laptops. Bis Ende 2025 sollen hier knapp 300 Millionen Euro fließen. Der Philologenverband beklagt jedoch offene technische Fragen sowie Fragen zur sinnvollen Nutzung der Geräte. „Wir brauchen jetzt zuvorderst gute Konzepte und sinnvolle Einsatzmöglichkeiten!“, fordert Verbandschef Michael Schwägerl.
Prüfungen und überladene Lehrpläne: Wie kann man den Druck in den Schulen reduzieren?
Über den Koalitionsvertrag hinaus will Ministerin Stolz zudem in den nächsten Monaten offen darüber diskutieren, wie der von vielen Lehrern, Eltern und Schülern als zu hoch empfundene Druck in der Schule reduziert werden kann: Vor allem eine „Entschlackung“ der Lehrpläne sowie eine „Weiterentwicklung der Prüfungskultur“ hat sich die Ministerin hier vorgenommen.
Eine offene Debatte über unangekündigte Prüfungen würgte Söder wie erwähnt jedoch vorzeitig ab. Und auch der Koalitionsvertrag schließt allzu weitreichende Reformen der Prüfungen aus: „Am Prinzip der Leistungsbewertung durch Noten halten wir fest“, haben CSU und Freie Wähler dort vereinbart.
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