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Bibel auf Fränkisch: Hätte Jesus „bassd scho“ gesagt, Herr Pfarrer?

Bibel auf Fränkisch

Hätte Jesus „bassd scho“ gesagt, Herr Pfarrer?

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    „Heute noch gibt es Kirchenmitglieder, die Mundart belächeln", sagt Claus Ebeling. Er ist evangelisch-lutherischer Pfarrer im mittelfränkischen Lichtenau bei Ansbach.
    „Heute noch gibt es Kirchenmitglieder, die Mundart belächeln", sagt Claus Ebeling. Er ist evangelisch-lutherischer Pfarrer im mittelfränkischen Lichtenau bei Ansbach. Foto: Daniel Karmann, dpa (Archivbild)

    Herr Ebeling, wissen Sie, was ich dachte, als ich zum ersten Mal von Ihrem Projekt hörte?

    Pfarrer Claus Ebeling: Da verlangen Sie ja gleich hellseherische Fähigkeiten von mir!

    Ich dachte: Allmächd!

    Ebeling: Mit diesem Wort hatte sich sogar schon der frühere bayerische evangelische Landesbischof Hermann von Loewenich auseinander gesetzt.

    Allmächtiger Gott, damit sind wir mitten im Thema: Mit vielen Engagierten übersetzen Sie die Bibel ins Fränkische, das Alte Testament in einer Auswahl, das Neue Testament vollständig. Warum?

    Ebeling: Ein bisschen Verrücktheit braucht es doch einfach! Und wer wie ich seit ungefähr 18 Jahren Mundart-Gottesdienste hält, der sucht sich eben auch mal eine besondere Herausforderung. 1995 hatte sich in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern der Arbeitskreis „Mundart in der Kirche“ gegründet, 2018 konnten wir den „Fränkischen Psalter“ herausgeben, ein Mundart-Gesangbuch. 2020 folgte ein zweiter Band. Das waren so 80 DIN A4-Seiten. Dann dachten wir: „Jetzt bräuchten wir nur noch die Bibel.“

    Nur noch ...

    Ebeling: Wir waren vielleicht ein bisschen blauäugig.

    Wie weit sind Sie gekommen?

    Ebeling: Von mehr als 500 ausgewählten und unter uns aufgeteilten Texten fehlen weniger als 20. Aber die Qualität ist manchmal noch recht unterschiedlich.

    Wie meinen Sie das?

    Ebeling: Wir sind zu der Ansicht gekommen, dass es eine Art Rechtschreibung braucht, damit es etwas einheitlicher wird – auch wenn es natürlich kein einheitliches Fränkisch gibt. Zum Beispiel haben wir uns darauf geeinigt, Dehnungen mit Doppelbuchstaben zu verdeutlichen, nicht mit einem h. Denn das hätte zu komischen Dingen geführt. Denken Sie an die Überschrift des Psalms „Der Herr ist Gott allein“. Das hätte geheißen: „Der Herr is Gott allah.“

    Wie „Allah“ – das Wort für Gott im Arabischen.

    Ebeling: Da kommt man schnell auf dünnes Eis.

    Manche müssen bei Ihrer „Fränkischen Bibel“ an die Asterix-Comics in Mundart denken. Oder daran, dass Mundart häufig belächelt wird. Ihnen ist es aber ernst.

    Ebeling: ... und ich habe auch den Eindruck, dass Mundart wieder ernster genommen und mehr geschätzt wird. Mundart ist etwas Kostbares. Bis vor etwa 20 Jahren war das selbst in meiner Landeskirche noch anders: Es gab Beurteilungsbögen für Predigten für Pfarrer und Dekane, in denen es als negativ gewertet wurde, wenn einer eine „stark dialektgefärbte“ Sprache hatte. Heute noch gibt es Kirchenmitglieder, die Mundart belächeln. Dabei verkennen sie, was schon Martin Luther wollte: den Menschen Gott ganz nahe bringen. Und wie sollte das besser gelingen als in der Muttersprache eines Menschen?

    Von welchem Fränkisch reden wir überhaupt? Es gibt ja nicht nur Unterschiede zwischen Unter-, Mittel- und Oberfranken, sondern teilweise bereits von Ort zu Ort?

    Ebeling: Es gibt wirklich eine enorme Vielfalt. Jeder, der im Rahmen unserer Bibel-Übersetzung einen Text bearbeitet, tut das in seinem je eigenen Dialekt. Das kann und darf auch gar nicht anders sein, es geht ja um die jeweilige Muttersprache – um die des Heimatortes. Meiner ist Almoshof, ein Stadtteil von Nürnberg.

    Sie sind gerade ein bundesweit gefragter Interviewpartner. Woher kommt dieses Interesse?

    Ebeling: Ich denke, es gibt zunehmend eine Sensibilität für kulturelle Eigenheiten. Das ist schön.

    Darf ich Sie mal provozieren?

    Ebeling: Gerne.

    Warum braucht es die Bibel auf Fränkisch, wenn immer mehr Menschen aus der Kirche austreten und auch die Bibel-Lektüre wohl nicht sonderlich ausgeprägt sein dürfte?

    Ebeling: Gerade weil so viele Menschen austreten, braucht es so eine Bibel! Die Menschen fühlen sich nicht mehr angesprochen von der Sprache, in der in der Kirche gepredigt wird. Sie ist ihnen fremd geworden. Bibelgesellschaften in aller Welt übersetzen übrigens die Bibel ganz oder teilweise, selbst in die Hunderte von Sprachen und Dialekte, die in Papua-Neuguinea gesprochen werden. Warum soll es dann nicht auch für die Millionen von Franken eine Bibel-Übersetzung geben?

    Haben Sie zum ökumenischen Bibelsonntag am 29. Januar etwas Besonderes vorbereitet? Der Text der Lesung wird eine Stelle aus dem Matthäus-Evangelium sein, „Die Verklärung Jesu“.

    Ebeling: Den hab ich bereits übersetzt, das Matthäus-Evangelium ist komplett. Aber nein – an diesem Tag bieten wir etwas anderes Besonderes an: Vier Kirchengemeinden werden abends zusammen einen „Happy Hour Gottesdienst“ feiern, der sich an Jüngere richtet, mit Band und Empfang.

    Was ist Ihr fränkisches Lieblingswort?

    Ebeling: Herzer-Bezzerla.

    Herzer-Bezzerla?

    Ebeling: Von „Herz“ und „Bezzerla“ für „kleines Schaf“. Es gibt ein Gleichnis von einem reichen Mann, der viele Schafe besitzt und einen armen Mann dennoch beklaut. Er nimmt ihm dessen einziges Schäfchen, dessen Ein und Alles. Das habe ich mit „Herzer-Bezzerla“ übersetzt.

    Meine Lieblingswörter sind: „bassd scho“, also „passt schon“. Damit können Franken – wie auch ich einer bin – so Vieles ausdrücken, von „Alles klar!“ bis „Lass mich in Ruhe!“.

    Ebeling: Kennen Sie den kürzesten fränkischen Dialog? Der geht so: „Und?“ – „Bassd scho!“ Darin ist wirklich alles beinhaltet.

    Hätte Jesus „bassd scho“ gesagt?

    Ebeling: Ja, und zwar zu jeder Sünderin und zu jedem Sünder: „Es bassd scho, wie du bist – du bist Gott recht so.“

    In der mehr als 1500-seitigen Lutherbibel von 2017 heißt es: „Danach hörte ich etwas wie eine große Stimme einer großen Schar im Himmel, die sprach: Halleluja!“ Bei Ihnen heißt es: „Wäi des rum woar, hob i ghörd wäi im Himml a villtausndfacher Jubelchor oogfanga hod zum singa: Halleluja!“ Aus der großen Schar wird ein vieltausend-stimmiger Chor.

    Ebeling: In diesem Fall ging es mir um den Sprachklang. „Groß“ ist auch im Fränkischen „groß“. Dabei kann man in Mundart wunderschöne Bilder malen – die einen gleich ganz anders ansprechen.

    Woher kommt Ihre Liebe zur Mundart?

    Ebeling: Ich hab nie anders gesprochen, ich kann sogar Bairisch, weil meine Großeltern aus Oberbayern kamen. Später war Fitzgerald Kusz mein Deutschlehrer.

    Der Autor des auf Fränkisch verfassten Theaterstücks „Schweig, Bub!“?

    Ebeling: Genau der. Das Stück war damals ein Riesenerfolg – wie der Film „Blues Brothers“, der etwas später ins Kino kam.

    Etwas Nicht-Biblisches müssen wir abschließend noch klären: Is der Glubb, der 1. FC Nürnberg, a Depp?

    Ebeling: Als leidgeprüfter und leidensfähiger Fan sag ich mal so: Ein Klub kann nie ein Depp sein. Und wer die Deppen beim Glubb sind, das wird man nie ergründen können.

    Zur Person Claus Ebeling, 56, ist evangelisch-lutherischer Pfarrer im mittelfränkischen Lichtenau und Vorsitzender des Vereins „MundArt in der Kirche e.V.“

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