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Besuch in Schweden: Augsburger Firma schießt im August erste Rakete ins All

Besuch in Schweden

Augsburger Firma schießt im August erste Rakete ins All

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    Bayerns Ministerpräsident Söder besichtigt das Esrange Space Center.
    Bayerns Ministerpräsident Söder besichtigt das Esrange Space Center. Foto: Sven Hoppe, dpa

    Just an dem Tag, an dem die Welt über die Landung der Raumsonde Odysseus auf dem Mond spricht, gibt es Neuigkeiten von der bayerischen Raumfahrt. Sie kommen aus Kiruna, Nordschweden, mehr als 2800 Kilometer Fahrstrecke von München entfernt. 

    Kiruna kann unwirtlich sein, vor Kurzem hatte es minus 45 Grad. Jetzt, Mitte Februar, präsentiert sich die Stadt nördlich des Polarkreises freundlicher: Milde minus fünf Grad und leichter Schneefall herrschen am Freitagmorgen. Ab null Grad, sagen die Einheimischen, beginnt der Frühling. Allerdings wird der sich erfahrungsgemäß nicht vor Mai blicken lassen. Winter ist also von Oktober bis April – und so trägt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, als er in Kiruna durch den Schnee stapft, dicke Stiefel, schwarze Schneehose und einen blauen Parka.

    Als Söder das Raumfahrtprogramm "Bavaria One" verkündete, erntete er Spott. Doch er meinte es ernst

    Angereist ist er mit seinem Tross durch winterliche Landschaften: Am Straßenrad warnen Schilder vor Schlittenhundegespannen, unter den Bäumen sieht man Elche und Rentiere. Kiruna ist bekannt für sein Eisenerzbergwerk, ein Hotel aus Eis – und den ersten Weltraumbahnhof auf europäischem Boden. Esrange heißt das Gelände knapp 50 Kilometer vor den Toren der Stadt. Anfang 2025 soll von dort die erste große Rakete ins All abheben. Seit den 1960er-Jahren starten hier, hoch im Norden, bereits Wetterballons und kleinere Raketen, zudem wird ausgiebig getestet. Schließlich stört man nicht allzu viele Menschen, 23.000 Einwohnerinnen und Einwohner hat der Bezirk Kiruna. Bei einer Größe, die mit Slowenien vergleichbar ist.

    Sieht eiskalt aus, war es auch: Markus Söder auf dem Weg zu einer Fahrt im Hundeschlitten bei Kiruna. Die Temperaturen waren mit rund fünf Grad unter Null vergleichsweise mild für nordschwedische Verhältnisse.
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    Bayerns Ministerpräsident ist auf Auslandsreise in dem skandinavischen Land. Was dort für ihn auf dem Programm steht, zeigt ein Blick hinter die Kulissen.

    Es sind Voraussetzungen, die auch bayerische Firmen schätzen. Als Söder vor sechs Jahren das Raumfahrtprogramm "Bavaria One" verkündete, erntete er Spott. Doch er meinte es ernst: 700 Millionen Euro stellte der Freistaat über vier Jahre verteilt bereit, um es anzuschieben. Das Programm zielt dabei nicht auf den Mond, bayerische Firmen sollen sich am Milliardenmarkt mit Satelliten im Weltall beteiligen können. Nun sagt Söder im Schnee von Kiruna: "Bavaria One fliegt." Damit meint er den Aufbau der Forschung in München-Ottobrunn mit einer europaweit einmaligen Fakultät, an diesem Tag jedoch vor allem die beiden Firmen aus dem

    Isar Aerospace hat innerhalb von fünf Jahren einen kostengünstigen Raketen-Motor entwickelt. Stückpreis: 100.000 Euro. Auf dem Teststand läuft er bestens. Die Rakete der Augsburger Rocket Factory ist für sechs Millionen Euro zu haben. 300 Menschen beschäftigt das Unternehmen mittlerweile, die dreistufigen Raketen aus Edelstahl werden in

    "Wir schreiben hier Geschichte", sagt der Marketing-Chef der Augsburger Rocket Factory

    Die Bedingungen sind extrem, unter denen in Kiruna gearbeitet wird: In den kurzen Sommern gibt es Mückenplagen, in den langen Wintern herrscht Kälte. Rund zehn Beschäftigte haben die Augsburger vor Ort. Zweistellige Minusgrade seien die größte Herausforderung, sagt Kellner. Doch Kiruna sei einfach der beste Ort zum Testen gewesen. Warum? Die Basis hat eine 120 mal 70 Kilometer große Zone, in der zum Beispiel Teile von Raketen niedergehen können, ohne Schaden anzurichten. Elche und Rentiere scheint das wenig zu stören, sie spazieren ungerührt übers Gelände. Gerne hätte man auch mehr in Deutschland ausprobiert, doch das Genehmigungsverfahren sei zu aufwendig gewesen, ergänzt Kellner. "Hier in Schweden ging es in einem Jahr, in

    Der Teststand der Firma Rocket Factory Augsburg mit seinen hohen Schutzwänden: Söder wird auf einem Raketen-Teilstück den Schriftzug "Bavaria 1" hinterlassen.
    Der Teststand der Firma Rocket Factory Augsburg mit seinen hohen Schutzwänden: Söder wird auf einem Raketen-Teilstück den Schriftzug "Bavaria 1" hinterlassen. Foto: Sven Hoppe, dpa

    Satelliten für Kommunikation und Erdbeobachtung soll die "RFA One", so der Name der Rakete aus Augsburg, ins All bringen. Auf dem Teilstück, das in Kiruna auf einem Teststand zwischen meterhohen Schutzwänden steht, prangt jetzt "Bavaria 1". Das hat Söder mit einem Stift darauf geschrieben – nachdem er in einem anderen, strikt abgeschirmten Bau eine Rakete des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) "taufte". Kommende Woche soll sie abheben, von Kiruna aus. Der genaue Zeitpunkt hängt vom Wetter ab.

    Um sich auch auf der DLR-Rakete mit einem "Bavaria 1"-Schriftzug zu verewigen, hat Söder eine etwas mühselige Prozedur hinter sich zu bringen. Es gelten strenge Sicherheitsvorkehrungen. Denn die Rakete ist voll betankt, elektrische Geräte in ihrer Nähe sind deshalb verboten, auch Söder muss sein Handy abgeben. Es könnte eine Zündung ausgelöst werden, einmal ist das schon passiert. Die Rakete trägt Instrumente zur Erforschung der Schwerelosigkeit mit sich und wird etwa 200 Kilometer weit ins All geschossen. Zum Vergleich: Die Raumstation ISS fliegt in 400 Kilometer Höhe. Nach wenigen Minuten wird die Rakete zur Erde zurückkehren, mit einem Hubschrauber werden ihre Überreste dann eingesammelt. Sie ist in Orange-Rot gehalten, damit man sie im Schnee noch besser erkennen kann. Derartige Missionen sind bei Esrange nichts Ungewöhnliches.

    Vor Markus Söder hatte als letzter bayerischer Ministerpräsident Edmund Stoiber Schweden besucht. Das war vor knapp 25 Jahren. Für Söder ist es die zweite Auslandsreise in seiner aktuellen Amtszeit. Im Dezember war er in Israel, ein Besuch im Zeichen des terroristischen Überfalls der Hamas und des daraus resultierenden Angriffs der israelischen Truppen auf den Gazastreifen. Sein zweieinhalbtägiger Ausflug nach Schweden ist weitaus undramatischer. Daheim in München hakeln die Koalitionäre gerade über die Wirtschaftspolitik, im Bund müht sich die Ampel mit den Themen Haushaltsloch oder Ukraine-Krieg ab. Dass das Dauer-Tief der Bundesregierung in diesem Jahr in Neuwahlen münden könnte, diese Hoffnung hat Söder nahezu aufgegeben. Warum also nicht nach Schweden, eingeschoben zwischen den heimischen Pflichtterminen Sicherheitskonferenz und Starkbieranstich?

    Königin Silvia, Abba, Atomkraft und All – das entspricht Söders politischen und persönlichen Vorlieben

    Auch Schweden hat allerhand zu bieten als EU-Mitglied mit höherem Durchschnittseinkommen als in Deutschland. Früher als die Deutschen haben die Schweden infolge der russischen Aggression in der Ukraine eine Zeitenwende eingeleitet, sie streben in die Nato – und haben die Wehrpflicht wiedereingeführt. Ganz nach dem Geschmack des CSU-Ministerpräsidenten sind überdies die Positionen der schwedischen Regierung zur Migrationspolitik und bei der Energieerzeugung. In dem skandinavischen Land sorgt ein Mix aus erneuerbaren Energien und Atomkraft für den Strom aus der Steckdose. Und erst die Musik! Der Franke Söder ist bekennender Abba-Fan. Als die Pop-Gruppe mit "Waterloo" einen Welthit hatte, war er ein siebenjähriger Bub.

    Beim politischen Teil zeigen sich die schwedischen Gastgeber gleichwohl etwas spröde. Der schwedische Ministerpräsident Ulf Kristersson will keine Filmaufnahmen, seine Minister nur ein paar kurze Sequenzen. Große Vereinbarungen treffen beide Seiten nicht, man beschnuppert sich eher. Wie auch immer: Markus Söder gelingt es trotzdem, politische Botschaften in die Heimat zu schicken. Anders verläuft das Treffen mit Königin Silvia. Es findet ebenfalls im kleinsten Kreis statt, doch Kameras sind, zumindest kurz, zugelassen. Söder schwärmt danach von einem äußerst angenehmen Gespräch am knisternden Kaminfeuer. Was er allein schon deshalb als wohltuend empfindet, weil es im königlichen Schloss bei der vorhergehenden Führung reichlich frisch war. 

    Die gebürtige Heidelbergerin Silvia zeigt sich interessiert am Geschehen in Deutschland und erinnert sich bei Tee und Gebäck tatsächlich an ein früheres Aufeinandertreffen mit ihrem Besucher. 2017 war das, da war Söder Finanzminister und hinter Horst Seehofer die Nummer zwei in Bayern.

    Sein Auftritt im Abba-Museum wird zum Hit

    Ein Empfang bei der Königin ist für einen Ministerpräsidenten oder einen anderen Spitzenpolitiker außerhalb einer nationalen Regierung ungewöhnlich. Wobei die Bayern aufgrund ihrer wirtschaftlichen Beziehungen in alle Welt durchaus eine gewisse Sonderrolle bei Auslandsreisen einnehmen. Hinzu kommen Königin Silvias besondere Verbindungen in den Freistaat. Bei den Olympischen Spielen 1972 in München, bei denen sie in den 1960er-Jahren eine Dolmetscher-Schule besucht hatte, lernte die heute 80-Jährige ihren späteren Ehemann kennen, den schwedischen König Carl XVI. Gustaf. Das Königspaar war gemeinsam in Bayern, Silvia zuletzt im vergangenen Jahr. Damals eröffnete sie in München ein neues Haus der von ihr gegründeten World Childhood Foundation. Die Stiftung kümmert sich um misshandelte und missbrauchte Kinder, eine Förderung durch den Freistaat mit mehr als 100.000 Euro war der offizielle Anlass für die Audienz.

    Bayerns Ministerpräsident Markus Söder tanzt im Abba-Museum. Sein Auftritt wird ein Hit in sozialen Medien.
    Bayerns Ministerpräsident Markus Söder tanzt im Abba-Museum. Sein Auftritt wird ein Hit in sozialen Medien. Foto: Sven Hoppe, dpa

    Die Schwedenreise – mit Königin, Abba, Atomkraft und All – entspricht Markus Söders politischen und persönlichen Vorlieben. Auch, weil es ihm wichtig ist, Menschen zu erreichen, die mit Politik nicht viel am Hut haben. In Schweden gelingt ihm, der im Rentier-Pulli durch die sozialen Medien spaziert und wie auf der Sicherheitskonferenz in München eine drastische Erhöhung der Militärausgaben fordert, der Spagat zwischen ernster

    Eine gute Stunde danach ist aus dem Abba-Fan, der die wichtigsten Hits der Popstars auf dem Smartphone abrufbereit hat, wieder der Staatsmann geworden. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder fordert die sofortige Lieferung des Marschflugkörpers Taurus an die Ukraine.

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