Startseite
Icon Pfeil nach unten
Bayern
Icon Pfeil nach unten

Benedikt XVI.: Zwölf Stunden Fahrt für ein paar Sekunden Abschied von Benedikt

Benedikt XVI.

Zwölf Stunden Fahrt für ein paar Sekunden Abschied von Benedikt

    • |
    Allein am Dienstagvormittag wurden 25.000 Menschen durch den Petersdom und am aufgebahrten Leichnam von Papst Benedikt XVI. vorbeigeschleust. Viel Zeit zum Innehalten gab es da nicht.
    Allein am Dienstagvormittag wurden 25.000 Menschen durch den Petersdom und am aufgebahrten Leichnam von Papst Benedikt XVI. vorbeigeschleust. Viel Zeit zum Innehalten gab es da nicht. Foto: Antonio Calanni, dpa

    Es ist Dienstagmorgen auf der Autobahn kurz vor Rom, als Pfarrer Thomas Jeschner die Totenvesper anstimmt. Die 35 Begleiterinnen und Begleiter im Bus singen mit. Fast zwölf Stunden Fahrt liegen da schon hinter der Reisegruppe aus Bayern, die am Vorabend aus Regensburg und München aufgebrochen ist. Als am Silvestertag die Nachricht des Todes von Papst Benedikt XVI. die Runde machte, begannen überall in

    „Einen Papst aus Bayern bekommen wir so schnell nicht wieder“, erklärt am Nachmittag ein etwas erschöpfter Florian Obermeier, der aus Bernhardswald im Kreis Regensburg mitgekommen ist. Er steht vor dem Petersdom, hat sich von Benedikt XVI. verabschiedet und einen hastigen Blick auf seinen Leichnam werfen können. Es ist ein Paradox: Einen halben Tag dauerte die Anfahrt für die vom bayerischen Pilgerbüro organisierte Gruppe – und im Vatikan geschieht dann alles in erbarmungsloser Eile. Man bekommt von den Ordnern in der Basilika kaum Zeit, vor dem aufgebahrten Leichnam innezuhalten. 25.000 Menschen waren es am Dienstagvormittag, die in den Dom strömten, am Vortag gar 65.000. Die Polizei hatte mit weniger als der Hälfte gerechnet. Florian Obermeier und Dietmar Weigert haben sich an einem Seitenaltar ein paar Minuten Ruhe nehmen können. „Wir haben ein Vaterunser dagelassen“, sagt Weigert, „für den Emeritus und unsere eigenen Anliegen“.

    Selbst ein Benedikt-Skeptiker ist gekommen, um sich zu verabschieden

    Am Dienstagmorgen fuhren zwei weitere Busse aus Regensburg und München los. Insgesamt kommen auf diese Weise 200 bayerische Pilger nach Rom, um Benedikt die letzte Ehre zu erweisen und an seiner Begräbnisfeier am Donnerstag teilzunehmen. Es sind Gläubige, Verehrer Joseph Ratzingers, auch ein Benedikt-Skeptiker ist unter ihnen. Die Menschen kommen aus ganz Bayern – und jeder hat seine ganz eigene Geschichte und Sicht auf den im Alter von 95 Jahren gestorbenen emeritierten Papst.

    Gisela Steiner kommt aus Oberstdorf im Allgäu. Spontan entschied sie sich, in Rom Abschied von Benedikt XVI. zu nehmen. Gut, dass ihre Kinder und Enkel gerade da waren. Der Sohn fand für sie heraus, dass das Pilgerbüro in München Busse organisiert, ihre Tochter fuhr sie dann zum Treffpunkt. „Es ist schon ein bisschen allerhand, dass ich, die Oma, meine zu mir gekommenen Kinder und Enkel stehen lasse und einfach nach Rom fahre“, sagt die bald 80-Jährige und lacht.

    Nach Tod von Benedikt XVI.: "Gekommen, um ihm die Ehre zu erweisen"

    Steiner muss gute Gründe für so eine Fahrt haben. Ganz gewiss ist es ihre Verbundenheit mit dem katholischen Glauben, der ihr in schwierigen Lebenssituationen immer wieder geholfen hat. Und ja, sie mochte den zurückhaltenden Bayern auf dem Stuhl Petri. Steiner sagt, ihr hätten die Bücher Joseph Ratzingers so gefallen. Dann gab es eine Zufallsbegegnung in Altötting mit dem Papst. Er fuhr mit dem Auto vorbei, und Steiner sah, wie sehr Ratzinger sich über die ihn grüßenden Menschen freute. „Wie ein Kind“, sagt sie. Jetzt steht die Oberstdorferin in der Schlange vor dem Petersdom. „Vor seinem Tod wurde an seiner Ehre gekratzt. Ich bin jetzt auch gekommen, um ihm die Ehre zu erweisen.“

    Eine Frau in der Schlange hört Steiners Worte und stimmt ihr spontan zu. Die zwei älteren Damen unterhalten sich über Benedikts Erbe. Sie verehren ihn nicht blind, haben in ihm aber einen großen Halt und heilsamen Kontrapunkt zu schwindelerregenden Entwicklungen erfahren. „Der Umbruch im Umgang mit Sexualität war enorm 1968“, sagt Steiner. Dass sich da einer klar gegen diesen Sinneswandel positionierte, tat ihr gut. „Bei jeder Neubewertung gibt es auch Fehlbewertungen, das ist ja im eigenen Leben auch nicht anders“, meint sie. Dass Benedikt XVI. zum Ende mit einer Heftigkeit als Lügner beschimpft wurde, weil er als Erzbischof von München Fehler im Umgang mit Missbrauchstätern begangen haben soll, war für sie eine Grenzüberschreitung. 

    "Lasst Euch nicht vom Glauben abbringen!"

    Beim Eintreten ziehen die Menschen in der Schlange ihre Handys aus der Tasche. Steiner, im dicken Wintermantel und mit rotem Stirnband, bleibt kurz stehen und schließt die Augen. Betet sie? Dankt sie? „Lasst Euch nicht vom Glauben abbringen!“ An diesen Satz aus Benedikts geistigem Testament muss sie jetzt denken. 

    Wenige Minuten später steht sie vor dem Leichnam Benedikts XVI. Sie will auch ein Foto machen, aber vor lauter Menschen und der Eile der Ordner gelingt es nicht. Steiner geht weiter, blickt nach rechts zum aufgebahrten Papst, hält noch einmal inne. Dann drängen die Ordner zum Weitergehen. Es ist ein etwas würdeloser Abschied, da stimmt Steiner zu. „Aber es reicht, um ein inneres Bild von ihm zu behalten“, sagt sie.

    Gisela Steiner (mit rotem Stirnband) erwies Benedikt die letzte Ehre.
    Gisela Steiner (mit rotem Stirnband) erwies Benedikt die letzte Ehre. Foto: Julius Müller-Meiningen
    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden