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Bayerns Traditionen im Wandel: Neue Umfrage gestartet

Heimat

Traditionen vor 100 Jahren und heute: Wie sich Bayerns Bräuche verändern

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    Der Adventskranz mit vier Kerzen ist für viele Menschen jetzt in der Vorweihnachtszeit eine wichtige Tradition.
    Der Adventskranz mit vier Kerzen ist für viele Menschen jetzt in der Vorweihnachtszeit eine wichtige Tradition. Foto: dpa

    Klopferstage waren bei den Kindern in der Vorweihnachtszeit beliebt: Mit einem Holzhämmerchen, das einen langen Stiel hatte, klopften sie an die Fenster, sagten einen Spruch auf und hofften auf Äpfel, Nüsse, im besten Fall auch auf einen Lebkuchen, erzählt Christoph Lang. Das war 1908/1909. „Es ähnelt, wenn man will, Halloween“, erklärt der Bezirksheimatpfleger für Schwaben und kann von anderen Bräuchen gerade auch rund um Weihnachten berichten, die sich weiter entwickelt haben. Dass wir über Bräuche, ja über das Alltagsleben der Menschen in Bayern zur Zeit um 1908/1909 gut unterrichtet sind, verdanken wir einer großen Umfrage zur damaligen Zeit.

    Doch wie sieht es heute aus? Welche Traditionen pflegen die Menschen noch? Welchen Stellenwert haben kirchliche Feiertage? Was essen sie wann, und wo gehen sie hin, um sich zu entspannen? Wo kaufen sie ein? Sprich: Wie leben die Menschen heute in Bayern?

    Ein Zeitdokument für die Zukunft soll geschaffen werden

    Diese große Frage will der Bayerische Landesverein für Heimatpflege in einem auf drei Jahre angelegten Projekt namens „Heimat Bayern im Wandel“ mit einem umfassenden Fragebogen beantworten. Damit soll die Umfrage aus dem Jahre 1908/1909, die auf rund 27.000 Seiten dokumentiert ist, aktualisiert werden. Und verbessert. Denn damals beantworteten die etwa 400 Fragen vor allem Lehrer und Pfarrer. Heute werden Menschen aus allen sozialen Schichten gesucht, Jüngere, Ältere, Menschen mit und ohne Migrationshintergrund, Menschen, die in der Stadt leben, Menschen, die auf dem Land wohnen, sagt Michael Ritter, Projektkoordinator und stellvertretender Geschäftsführer des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege. „Wir wollen ein Zeitdokument für die Zukunft schaffen“, erklärt Ritter das Ziel.

    Klopferstage waren bei den Kindern in der Vorweihnachtszeit beliebt: Mit einem Holzhämmerchen, das einen langen Stiel hatte, klopften sie an die Fenster, sagten einen Spruch auf und hofften auf Äpfel, Nüsse, im besten Fall auch auf einen Lebkuchen
    Klopferstage waren bei den Kindern in der Vorweihnachtszeit beliebt: Mit einem Holzhämmerchen, das einen langen Stiel hatte, klopften sie an die Fenster, sagten einen Spruch auf und hofften auf Äpfel, Nüsse, im besten Fall auch auf einen Lebkuchen Foto: Heimatmuseum Weißenhorn

    Genau das fasziniert auch den schwäbischen Heimatpfleger Lang, der mit anderen Expertinnen und Experten das Projekt unterstützt. „Darüber hinaus sind solche Umfragen auch mit die wichtigsten Quellen zum Brauchgeschehen.“ Und viele Bräuche stoßen auch heute auf großes Interesse. Bestes Beispiel: Raunächte. „Da wird aber auch viel Unfug erzählt, was mit historischen Quellen überhaupt nicht belegbar ist“, weiß Lang. So tauche schon das Wort „Raunacht“ zumindest in Schwaben nie auf. Doch längst sei zu beobachten: „Je mehr sich die Verbundenheit zu den christlichen Kirchen löst, desto stärker blühen neopaganistische Bräuche.“ Also Bräuche ohne christlichen Kontext. Auch weiß Lang: „Bräuche geben ein Gefühl von Sicherheit – früher wie heute.“

    Etwa drei Stunden Zeit sollte man sich nehmen

    Um nun direkt von den Menschen zu erfahren, welche Bräuche für sie heute wichtig sind und wie sie generell ihren Alltag gestalten, machen sich zwei Stipendiatinnen und zwei Stipendiaten in ganz Bayern auf die Suche nach Menschen, die sich etwa drei Stunden Zeit für ein ausführliches Gespräch nehmen. Lara Berger ist eine der Stipendiatinnen. Die 23-Jährige studiert Geschichte und Gesellschaft an der Universität Passau und kommt aus Nördlingen. Von dem Projekt war sie von Anfang an begeistert. Denn wann habe man schon die Gelegenheit, über den Alltag von so vielen fremden Menschen in kurzer Zeit so viel zu erfahren? Zumal Berger sich schon immer für die Lebensgeschichten der Menschen in ihrer Region interessiert und beispielsweise bereits ein Zeitzeugenprojekt durchgeführt hat, bei dem sie ältere Menschen aus dem Donau-Ries von ihrer Kindheit und Jugend erzählen ließ.

    Die vier Stipendiaten befragen im Auftrag des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege Menschen in ganz Bayern nach ihren Gewohnheiten und Einstellungen: Maximilian Kawasch, Raffaela Kerscher, Lara Berger und Fabian Böck.
    Die vier Stipendiaten befragen im Auftrag des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege Menschen in ganz Bayern nach ihren Gewohnheiten und Einstellungen: Maximilian Kawasch, Raffaela Kerscher, Lara Berger und Fabian Böck. Foto: Bayerischer Landesverein für Heimatpflege

    Nun kreist Berger mit ihren Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner um acht Themenkomplexe: darunter Bräuche und Kulturerbe, Ernährung und Konsumverhalten, Kleidung und Tracht, Glaube, Kunst und Musik, gesellschaftlicher Zusammenhalt, Freizeitverhalten sowie Natur und Landschaft. Die Stipendiaten freuen sich, wenn sich Menschen bei ihnen melden, die für ein Gespräch bereit sind, sie sprechen aber auch Menschen an.

    So ist Berger auf Sebastian Wegele über Instagram aufmerksam geworden. Der gebürtige Rieser beschäftigt sich in dem Sozialen Netzwerk mit dem „Rieser Grantler“, einer Person, die er als Illustrator in seiner historischen Tracht, dem typischen Rieser Bauernhemd, aber in unterschiedlichen Aktivitäten zeigt. Ein Interesse an Historischem ist also nicht zu leugnen. Auch kann der 32-jährige Mediengestalter schön erzählen, was ihm an seiner ländlich geprägten Heimat Donau-Ries gefällt und was an seinem jetzigen Wohnort, der Stadt Augsburg. Lange gesprochen habe er mit Berger, wie er gegenüber unserer Redaktion erzählt, über das jeweilige Kulturleben, weil er sich sehr für Konzerte im Bereich Rock und Punk interessiert, selbst früher E-Gitarre gespielt hat und jetzt E-Bass lernt. Hier punkte Augsburg klar mit seiner musikalischen Subkultur gegenüber dem Donau-Ries. Dafür könne man im Donau-Ries besser und schneller entschleunigen, weil die Landschaft so viel mehr Erholungsmöglichkeiten in der Natur biete.

    Eine Wasserpfeife an Heilig Abend

    Wegele ist aber auch das Thema „Gesellschaftlicher Zusammenhalt“ sehr wichtig: „Zwar ist die Nachbarschaftshilfe auf dem Land oft aktiver als in der Stadt, weil man sich eher persönlich kennt. Doch die Digitalisierung mit Apps wie „nebenan.de“ bietet hier neue, spannende Möglichkeiten.“ Und noch etwas gefällt ihm in Augsburg: „Dass die Erinnerungskultur so gepflegt wird, das finde ich sehr wichtig. In Augsburg ist man aktiver, wenn es darum geht, auf historische Ereignisse aufmerksam zu machen. Hier gehen Menschen auch auf die Straße für das, was ihnen wichtig ist.“ Und wie hält er es nun mit Bräuchen? Ist er auch ein Fan der Raunächte, hat er einen Adventskranz? Wegele lacht. Nein, einen Adventskranz habe er nicht und Raunächte interessieren ihn auch nicht. Aber der passionierte Teetrinker hat eine besondere Weihnachtstradition: Wenn er an Heilig Abend zu seiner Mutter nach Möttingen fährt, raucht er an diesem Abend stets eine Wasserpfeife.

    Wer sich an der Umfrage beteiligen will, erhält alle Kontaktdaten unter www.heimat-bayern.de.

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