Vor gut einem Jahr hat Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sie angekündigt, jetzt hat das bayerische Kabinett sie auf den Weg gebracht: verpflichtende Sprachtests vor der Einschulung. Wer durchfällt, muss in die Kita und soll dort eine besondere Förderung erhalten. Eltern, die nicht mitziehen, droht ein Bußgeld. Doch wird aus dem Wahlkampfschlager auch im Alltag ein Hit? Grüne, SPD sowie der Bayerische Lehrerinnen- und Lehrerverband melden massive Zweifel an. Sie werfen der Staatsregierung Pfusch vor und stützen sich auf Angaben aus den Ministerien für Unterricht und Soziales. Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) widerspricht.
Darum geht es: Erstmals im kommenden März sollen eineinhalb Jahre vor der Einschulung die Sprachkenntnisse aller Kinder in Bayern festgestellt werden. Betroffen sind Kinder, die 2025 fünf Jahre alt werden; die meisten von ihnen sollen im September 2026 ihren ersten Schultag haben. Doch zunächst heißt es Sprachtests - zumindest für einen Teil. Ausgenommen sind Kinder, denen bereits die Kita ein gutes Sprachniveau bestätigt. Mit diesem Vorgehen soll erreicht werden, dass alle Kinder in der Schule gut Deutsch sprechen und so bessere Bildungschancen haben.
Sprachtests: Lehrer-Präsidentin warnt vor „Bürokratie-Wahnsinn“
Die Kritik: Dieses Ziel sei zweifellos richtig, sagt die Präsidentin des Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverbandes, Simone Fleischmann. Sprache sei der entscheidende Schlüssel für Bildung. Dennoch lässt Fleischmann an den Plänen der Staatsregierung kaum ein gutes Haar. Diese verfolge ihre Ziele „mit der Brechstange“. Fleischmann: „Das kann nicht funktionieren.“ Der größte Kritikpunkt ist das Personal. Schon jetzt gebe es zu wenige Lehrkräfte. Zu erwarten sei aber, dass durch die Tests noch mehr Kinder mit entdeckt würden, die nur schlecht Deutsch sprechen und verstehen. Fleischmann: „Dann braucht es eine professionelle Förderung.“ Den Schulen werde dann nichts anderes übrigbleiben, als anderen Förderunterricht und Beratungen einzuschränken. Hinzu komme eine Reihe von bürokratischen Anforderungen bis hin zu Bußgeldbescheiden für Eltern, die ihre Kinder nicht zur Sprachförderung schicken. Fleischmann sprach gegenüber unserer Redaktion wortwörtlich vom „Bürokratie-Wahnsinn.“
Bayerischer Sprachtest wird noch entwickelt
Die Fakten: Grüne und SPD haben die zuständigen Ministerien mit einem ganzen Fragenkatalog zur Umsetzung der Sprachtests konfrontiert. Aus den Antworten geht unter anderem hervor, dass Kitas und Schulen in Bayern zuletzt rund 300 Sprachkurse weniger anboten als noch 2018. Gleichzeitig ist aber die Zahl der Kinder um rund 1000 auf mehr als 30.000 gestiegen. Ob wegen Personalmangels Kurse ausfallen müssen, wissen die Ministerien eigenen Angaben zufolge nicht. Nach den Auskünften der Ministerien sollen für das Gesetz und seine Folgen keine zusätzlichen Kräfte eingestellt werden. Die Schulen und die - meist von Kommunen betriebenen Kitas - müssten das mit vorhandenen Mitteln und Kräften schultern. Wie der Test aussehen wird, ist auch noch unklar. Derzeit wird mithilfe eines wissenschaftlichen Beirates ein digitalisiertes Instrument entwickelt, um den Test durchzuführen. Bleiben sollen zudem an den Kitas die sogenannten Beobachtungsbögen, mit deren Hilfe der Sprachstand von Kindern bereits seit 20 Jahren gemessen wird.
Das sagt die Opposition: Die Kita-Expertin der Grünen, Julia Post, übt scharfe Kritik. „Die Söder-Regierung lebt in diesem Gesetz ihre bürokratische Regulierungswut aus, die kein einziges Problem löst, aber viele weitere erschafft.“ Anstatt einen weiteren Test draufzusatteln, solle die Staatsregierung lieber in Sprachförderung investieren. Post: „Diese Kurse gibt es ja heute schon – aber sie fallen ständig aus, weil es an Geld und Personal fehlt.“ Ähnlich argumentiert die Sozialexpertin der SPD, Doris Rauscher: „Es ist höchste Zeit, dass CSU und FW zusätzlich Geld und Personal bereitstellen.“
Sprachtest: Ministerin Scharf widerspricht der Kritik
Das sagt die Kita-Ministerin: Die für die Kitas zuständige Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) glaubt dagegen an den Erfolg des Gesetzes. Sie verweist darauf, dass es in Bayern schon seit 20 Jahren Sprachförderkurse gibt, bei denen Schulen und Kitas zusammenarbeiten, die sogenannten Vorkurse „Deutsch 240“. „Wir bauen auf dieses etablierte System“, sagt Scharf. Am Ende ihrer Kindergartenzeit sollten alle Kinder in Bayern so gut Deutsch sprechen, damit sie in der Schule mitkommen. Doch nicht alle Erstklässler waren zuvor in einer Kita. Laut den Zahlen der Staatsregierung sind im letzten Kindergartenjahr 99 Prozent eines Jahrgangs in der Kita, im Jahr davor 94 Prozent. In konkreten Zahlen: Zuletzt waren bayernweit 7500 Erstklässler zuvor nicht in der Kita. Genau an diesem Punkt setze das Gesetz an, so Scharf: „Wir wollen alle Kinder erreichen.“
Mir stellt sich gerade die Frage, warum wird das Pferd mal wieder von hinten aufgezäumt? Sollte nicht erst mal in der Vorschulgruppe der Kita gefördert werden! Wir haben eine Zeit lang in den den USA gelebt, unsere Kinder sind dort in die Kita und Vorschule gegangen. In der Vorschule gab es verpflichtend zwei mal die Woche Unterricht Englisch>Deutsch bzw. Deutsch>Englisch und für Kinder aus Südamerika Englisch>Spanisch bzw. Spanisch>Englisch. Die Vorschule hat es damit begründet das die Kinder durch nicht beherrschen der Sprache vielleicht die Zusammenhänge in der Schule nicht verstehen obwohl sie es könnten. Das Sind die Erfahrungen die wir gemacht haben und ich fand es für unsere Kinder nicht schlecht.
Ich frage mich ernsthaft wie ich ohne Sprachtest, ohne Vorschule, ohne Kita, allerdings mit ein wenig Kindergarten, ein Uni-Studium ziemlich problemlos absolvieren konnte.
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