Für Bayerns Schülerinnen und Schüler ist ein herausforderndes Schuljahr vorüber. Zeit, sich von den Strapazen zu erholen – und um zu diskutieren, wie das nächste besser werden kann. Lehrkräftemangel, Unterrichtsausfall und der große Leistungsdruck sind häufig die ersten Themen, die sie anführen, wenn es um die Probleme des bayerischen Schulsystems geht. Wie genau denken sie aber darüber? Und wie blicken sie auf ihre Zukunft an der Schule?
Bei einer Diskussion in der Event-Location Alte Utting in München haben sich Schülerinnen- und Schülervertreter des Freistaats am Donnerstag versammelt, um zu erklären, was sich ihrer Meinung nach ändern muss. Unter ihnen war etwa ein Vertreter von Fridays for Future München sowie der Landesschülersprecher. Es war die erste Veranstaltung in diesem Format, zu der der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) eingeladen hatte. Auch wenn die Schulzeit wohl noch nie frei von Problemen war, weise das bayerische Bildungssystem laut der Teilnehmenden doch einige schwerwiegende Defizite auf, so das Fazit.
Etwa, wenn Lehrkräfte fehlen und keine Vertretung einspringe. Dann kämen Klassen zunehmend unter Zeit- und später auch Leistungsdruck. Der – in den Augen der Schülerinnen und Schülern teils unzeitgemäße – Lehrplan müsse trotzdem zum Ende des Schuljahrs abgearbeitet sein. Über viele Stunden hinweg, sagten die Jugendlichen, müssten sie sich den Stoff teils selbst beibringen. Wegen des straffen Lehrplans sei zudem für ein bedeutendes Thema zu wenig Zeit: Die politische Bildung und Demokratieerziehung komme in allen Fächern trotz der eingeführten „Verfassungsviertelstunde“ zu kurz, erklärten sie.
An Bayerns Schulen bleibe im Lehrplan kaum Zeit für aktuelle Themen
Die Forderungen der Schülerinnen und Schüler: Demokratie als Lebensform vermitteln, echte Partizipation fördern und früher mit der politischen Bildung beginnen. Lehrkräfte sollten bei der Einordnung von Aussagen unterstützen und den Schülerinnen und Schülern „Werkzeuge an die Hand geben, um diese selbstständig zu hinterfragen“, sagte der Kreisvorsitzende „Auszubildende und Schülerunion“, Georg von Kotzebue. Derzeit bleibe kaum Zeit dafür, aktuelle Themen gemeinsam einzuordnen, fügten andere Schülerinnen und Schüler hinzu.
Klar ist: Die Themen, die die Schülerinnen und Schüler bewegen, finden auch außerhalb des Klassenzimmers statt. Amelie Nitsch ist Vorstand der Grünen Jugend München und erklärte nach der Diskussion gegenüber unserer Redaktion, dass sich Schülerinnen und Schüler oft machtlos fühlten. „Es bleibt kaum Zeit, die Krisen einzuordnen“, sagte sie. Themen wie „soziale Ungerechtigkeit“ blieben auf der Strecke und man werde „mit diesem Krisengefühl allein gelassen“.
Zu wenig Engagement für Inklusion an Schulen in Bayern
Alleingelassen fühlte sich auch Alanay Victoria Gel. Sie ist gehörlos und erzählte, übersetzt von ihrem Dolmetscher, von Zeiten, als es einer Lehrkraft ihrer Förderschule „zu anstrengend war, in Gebärdensprache zu unterrichten“. Ihre Mitschülerinnen und Mitschüler hätten teilweise ausreichend hören können, um dem Unterricht zu folgen. Für sie sei das nicht möglich gewesen. Die Inklusion von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen war großes Thema in der Diskussionsrunde. Sie einigte sich darauf, dass man mehr dafür tun müsste, Barrieren abzuschaffen. „Jeder muss teilhaben dürfen“, gebärdete Gel.
Die Jugendlichen diskutierten auch über die Dauer der Grundschulzeit in Bayern. Einige möchten diese verlängern oder fordern ein längeres gemeinsames Lernen. Der frühe Übertritt auf weiterführende Schulen setze die Kinder unter Druck und führe zu verfrühten Entscheidungen. „Ein zehnjähriges Kind kann nicht entscheiden, ob es später Lehramt studieren oder ins Handwerk gehen möchte“, sagte der stellvertretende Landesschülersprecher Dalton Sly Del Salto Blanco Oleas.
Schülerinnen und Schüler sollen erneut über ihre Erfahrungen sprechen dürfen
Einmal auf Mittel-, Realschule oder dem Gymnasium angekommen, sei das System kaum durchlässig. Besonders jene Schüler, die auf die Mittelschule gingen, bekämen oft einen Stempel aufgedrückt, so Del Salto Blanco Oleas. Das gegliederte Schulsystem, meinten die Jugendlichen, sollte reformiert werden und mehr auf die Stärken der einzelnen Schüler eingehen, „sodass die Bildung einen Mehrwert bekommt und man früh die Möglichkeit hat, ein eigenes Profil zu bilden“, meinte der Vorstand der Liberalen Schüler München, Peter Pavlov.
Nach der Veranstaltung zeigte sich BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann vom Engagement der Schülerinnen und Schüler beeindruckt. Es sei ihr ein großes Anliegen, den Schülern eine Bühne geben zu können, um ihre Perspektive darzustellen. Auf deren Wunsch wolle man sich im kommenden Jahr wieder treffen – um hoffentlich über Veränderungen zu sprechen.
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