Jetzt geht es wieder los: Hauptreisezeit über den Brenner, die Fahrt in den Urlaub endet dort oft im Stau. Viele Urlauberinnen und Urlauber kennen das; wer Richtung Süden unterwegs ist, dem brennt die Sonne gnadenlos durch die Windschutzscheibe und Beschäftigte der Autobahngesellschaft verteilen vorsorglich Wasserflaschen. In den kommenden Jahren könnten sich diese Szenen noch öfter abspielen. Denn Europas wichtigster Verkehrsroute über die Alpen droht der Infarkt.
Inzwischen schlägt auch die Wirtschaft Alarm. Die Firmen in Bayern, Tirol und Südtirol sorgen sich um den Transport von Waren über und unter dem Brennerpass. In einer gemeinsamen Erklärung fordern die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw) und ihre jeweiligen Pendants aus Tirol und Südtirol mehr Tempo bei den Zuläufen für den Brenner-Basistunnel, durch den in Zukunft mehr Waren per Schiene transportiert werden sollen. Zudem kritisieren sie die Blockabfertigung des Lastwagenverkehrs in Tirol, die in Bayern und Südtirol zu kilometerlangen Staus führt. Sie fordern ein Ende des Nachtfahrverbots für moderne Lastwagen der Schadstoffklasse 6. Diese sollen nach den Vorstellungen der Wirtschaft künftig mit Tempo 60 nachts durch Österreich rollen dürfen. Das sei allemal besser, als lange Staus zu produzieren, so Präsident des Unternehmerverbands Südtirol, Heiner Oberrauch: „Das Nachtfahrverbot ist ein Umweltfrevel.“
Tirol will Lkw-Verkehr am Brenner auf die Schiene verlagern
Dass die Wirtschaftsverbände aus drei verschiedenen Ländern gemeinsam ihre Regierungen mit Nachdruck zum Handeln auffordern, ist neu. Aber zwischen Bayern, Tirol und Südtirol ist die Lage verfahren. Während Deutsche und Italiener ein Ende von Blockabfertigung und Nachtfahrverbot fordern, die Italiener deswegen sogar vor dem Europäischen Gerichtshof klagen, sehen die Österreicher darin ein Mittel, um die Verkehrslawine zu bändigen, die den Menschen Lärm und Dreck beschert. Tirols Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) sprach sich zuletzt gegenüber dem ORF dafür aus, den Lkw-Verkehr zunehmend auf die Schiene zu verlagern. Tirol könne und wolle nicht mehr Lastwagen aufnehmen.
Im vergangenen Jahr rollten 11,7 Millionen Autos und 2,4 Millionen Lastwagen über den Brenner. Während die Zahl der Autos weiter wuchs, ging die der Laster leicht zurück. Unter dem Strich aber hat die Verkehrsbelastung auf der Brenner-Autobahn im Laufe der Jahrzehnte enorm zugenommen, 2023 waren auf dieser Route so viele Fahrzeuge unterwegs wie nie zuvor. Rund die Hälfte aller acht Millionen Südtirol-Urlauber kommt über den Brenner. 50 Millionen Tonnen an Gütern werden jährlich über den Pass geschafft, der ab kommendem Jahr eine weitere Engstelle hat.
Wir steuern sehenden Auges auf ein jahrelanges Verkehrschaos zu.
Christian Bernreiter, Bayerischer Verkehrsminister
Die österreichische Autobahngesellschaft hat angekündigt, dass die Luegbrücke auf der A13 in Tirol ab dem 1. Januar 2025 nur noch auf einer Fahrspur pro Richtung befahren werden kann. Da die Brücke saniert werden muss, werden die Einschränkungen über Jahre anhalten. Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) warnt: „Wir steuern sehenden Auges auf ein jahrelanges Verkehrschaos zu.“ Nun brauche es ein tragfähiges Konzept und eine Einschränkung des Nachtfahrverbots.
Die Nachbarn in Österreich dagegen sähen gerne, wenn die Deutschen mit ihren Plänen für den Nordzulauf des Brenner-Basistunnels vorankämen. Das Eisenbahn-Projekt soll viele Lastwagenkilometer überflüssig machen. Derzeit beträgt der Anteil der Schiene am Güterverkehr über den Brenner offenbar weniger als 30 Prozent. Während zwischen Italien und Österreich schon gebaut wird, ist in Deutschland nicht einmal der Trassenverlauf klar. 2025 soll der Bundestag entscheiden. In etwa 20 Jahren rechnet vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt mit einer Fertigstellung. Er fordert die bayerische Regierung sowie die Wirtschaft auf, vor Ort die Menschen zu überzeugen. „Wir müssen vor allem den Kleinkrieg um den Trassenverlauf beenden.“
Straße und Bahnprojekt am Brenner hängen zusammen
Danach sieht es derzeit nicht aus. Den bayerischen Verkehrsminister Bernreiter trieben erst vor wenigen Tagen Planspiele der Tiroler Landesregierung auf die Barrikaden, eine Abzweigung des Brenner-Nordzulaufs nach Salzburg einzurichten. Der Schönheitsfehler: Die Tiroler planten auf bayerischem Boden. „Ziel des Brenner-Nordzulaufs ist die Verlagerung von Güterverkehr auf die Schiene auf einer großen, transeuropäischen Achse – nicht die Fahrzeitverkürzung für Fahrgäste zwischen Innsbruck und Wien über bayerischen Boden“, schimpfte Bernreiter und stellte klar, dass für ihn bei dem Großprojekt die „maximale Anwohnerfreundlichkeit“ die Richtschnur sei.
Auf der anderen Seite könnten die Tiroler im Streit um Blockabfertigung und Nachtfahrverbot nachgiebiger werden, sofern sich auf deutscher Seite beim Bahnprojekt Nordzulauf etwas bewegt. Das zumindest glaubt der Vorsitzende der Tiroler Industriellen-Vereinigung, Max Kloger. „Wenn der Ausbau der Zulaufstrecken in Fahrt kommt, wird es leichter sein, Lösungen zu finden. Es braucht Perspektiven.“
Herr Bernreiter hat die maximale Anwohnerfreundlichkeit als Richtschnur für den Brenner-Nordzulauf, wen wundert es da noch, dass das Projekt seit Jahren nicht in Gang kommt. Solange das die Prämisse der bayerischen Staatsregierung bleibt, solange wird sich auch keine Entlastung der Brennerstrecke ergeben. Denn man kann es einfach nicht jedem recht machen, das sieht man ja auch hier in Augsburg beim Neubau der Strecke nach Ulm.
Eine bessere Verkehrspolitik geht mit 3 x V: 1. Verkehr vermeiden Heute habe ich in einem Modehaus mir angebotenes Mineralwasser Pellegrino abgelehnt. Das wird m. W. über den Brenner zu uns gefahren. 2. Verkehr verlagern. Güter auf die Bahn wird seit Jahrzehnten gesagt, doch die Bundesverkehrspolitik hat mit dem Bundesverkehrswegeplan und Berufung falscher Manager für die Deutsche Bahn diese kaputt gemacht. 3. Verkehr verbessern. Vermutlich wird die Umstellung auf E-LKW diese schadstoffärmer und leiser machen. Raimund Kamm
Herr Kamm Sie sind eh der Schlaueste Experte für Verkehr. In einem stimme ich Ihnen zu die Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene wurde jahrelang verschlafen. Siehe jetzt die Blockadehaltung in Oberbayern für die Brenner Zulaufstrecke. Und den oft sinnbefreiten Warenverkehrs werden sie nicht ändern; das hat auch die EU mit gefördert. Oder Aufträge müssen/werden europaweit ausgeschrieben; am Ende fährt eine Firma aus Südtirol nach Norddeutschland und eine bayr. Firma nach Rom um Montagearbeiten durchzuführen. Das ist heute leider die Realität. Und bis verläßliche E Antriebe für schwere LKWs zur Verfügung stehen, werden noch Jahre vergehen.
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