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Foto: Tom Weller, dpa
Foto: Tom Weller, dpa

Altenheime müssen wie andere Einrichtungen im Gesundheitsbereich nun ihre ungeimpften Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter melden. Denn seit Mittwoch gilt die einrichtungsbezogene Impfpflicht.

Bayern
18.03.2022

Wegen Pflege-Impfpflicht: Bereits Tausende Ungeimpfte in Bayern gemeldet

Von Michael Kienastl

Seit Mittwoch gilt die einrichtungsbezogene Impfpflicht. Schon jetzt gehen viele Meldungen bei den Gesundheitsämtern ein. Immer mehr Beschäftigte verlassen die Branche.

Ob und in welcher Form eine allgemeine Impfpflicht in Deutschland kommt, steht auch nach der ersten Lesung mehrerer Gesetzesentwürfe im Deutschen Bundestag weiter in den Sternen – es fehlt an Mehrheiten für einen der fünf Vorschläge. Was aber seit Mittwoch bundesweit gilt, ist die einrichtungsbezogene Impfpflicht. Von ihr betroffen sind nicht nur Pflegende, sondern etwa auch Reinigungs- und Küchenkräfte, die in den jeweiligen Einrichtungen arbeiten.

In Bayern wird die Regelung, wie berichtet, in einem Stufenplan umgesetzt. Alle Einrichtungen und Unternehmen im Gesundheits- und Pflegebereich sind innerhalb der kommenden zwei Wochen verpflichtet, ungeimpfte Mitarbeitende über ein zentrales Internetportal dem zuständigen Gesundheitsamt zu melden. Ausgenommen sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die einen gültigen Genesenennachweis oder ein ärztliches Attest bezüglich einer medizinischen Kontraindikation vorlegen können. Bis Mittwoch wurden nach Angaben einer Sprecherin des bayerischen Gesundheitsministeriums bereits 6943 Personen gemeldet.

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Ungeimpften droht ein Bußgeldverfahren und als Ultima Ratio ein Betretungsverbot

Auf die zwei Wochen Meldepflicht folgt eine vierwöchige Beratungsphase auf freiwilliger Basis. Die jeweiligen Ärzte in den Impfzentren und Praxen sollen die Zweifelnden von der Impfung überzeugen. Erst wer sich dann immer noch nicht impfen lässt, muss mit einem Bußgeldverfahren und als Ultima Ratio mit einem Betretungsverbot rechnen. Die Geldbuße hängt unter anderem von der Teilnahme an der Impfberatung, der finanziellen Situation des Betroffenen sowie der regionalen oder einrichtungsbezogenen Versorgungssituation ab und kann maximal 2500 Euro betragen. Bußgelder und Verbote werden aber nicht automatisch ausgesprochen.

Laut Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) soll stets eine Anhörung vorausgehen und der Einzelfall berücksichtigt werden – „pragmatisch und mit Augenmaß“. Aufgrund des Stufenplans ist aber laut dem Gesundheitsministerium nicht damit zu rechnen, dass ein Betretungsverbot vor dem 1. Juli in Kraft treten könnte. Ziel des gestuften Verfahrens sei es, wie Holetschek sagt, „noch möglichst viele ungeimpfte Mitarbeitende in den betroffenen Bereichen von einer Impfung zu überzeugen“.

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Ruth Waldmann von der SPD hält die Beratungen für überflüssig

Noch immer setzt das Gesundheitsministerium dabei auf den Totimpfstoff Novavax. Doch ob dadurch die Impfquote im Gesundheitsbereich gesteigert werden kann, darf zumindest angezweifelt werden. Aus dem Hoffnungsträger, der vor allem für gegenüber mRNA-Vakzinen skeptische Pflegekräfte gedacht war, ist ein Ladenhüter geworden. „Die Nachfrage ist gleich null“, sagte etwa Jakob Berger, Bezirksvorsitzender Schwaben des Bayerischen Hausärzteverbandes vergangene Woche.

Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag, Ruth Waldmann, kritisiert den Stufenplan und die Übergangszeit als „extrem lasch“. Ein Mangel an Informationen sei nicht das Problem – Beratungen hält sie für überflüssig. „Es haben alle mitbekommen, dass es eine Pandemie und eine Impfung gibt“, sagt Waldmann. Für sie ist es das falsche Signal, Zögerlichkeit anzukündigen. „Das Richtige wäre: Jetzt wird es höchste Zeit.“ Waldmann ist zwar gegen eine allgemeine Impfpflicht und warnt vor zu hohen Erwartungen, die viele Menschen in sie stecken – schon allein aus Gründen der Rechtssicherheit. Doch im Gesundheitsbereich sei durch den Kontakt zu vulnerablen Gruppen eine „besondere Pflicht da“.

Arbeitsagentur: Deutlich mehr Beschäftigte als im Vorjahreszeitraum haben sich arbeitssuchend gemeldet

Doch Gesundheitsminister Holetschek ist nicht der Einzige, für den die einrichtungsbezogene nur eine Vorstufe zur allgemeinen Impfpflicht sein soll. Für Bernhard Gattner vom Caritasverband der Diözese Augsburg fällt Impfen „in die gesamtgesellschaftliche Verantwortung und nicht nur die der Pflegekräfte“. Ähnlich sieht das Daniel Wagner von der Diakonie Bayern. Auch wenn es bis jetzt noch nicht eingetreten ist, befürchtet er, dass Pflegekräfte kündigen werden, sollte die Impfung lediglich in ihrem Bereich verpflichtend sein.

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Zahlen der Regionaldirektion Bayern der Bundesagentur für Arbeit zeigen, dass sich zuletzt deutlich mehr Beschäftigte im Gesundheitsbereich arbeitssuchend gemeldet haben als sonst. Zwischen Dezember 2021 und Februar 2022 waren es 5767 – im Vorjahreszeitraum lediglich 3589. Der Grund muss nicht die Impfpflicht sein. Nach Einschätzung von Diakonie-Sprecher Wagner könne das auch an der allgemein gestiegenen Arbeitsbelastung durch die Pandemie liegen. Die Impfquoten lägen bei der Diakonie mit im Schnitt etwa 90 Prozent deutlich über der allgemeinen Bevölkerung. Auch bei der Caritas gebe es, wie Gattner erklärt, nur „eine Handvoll Einrichtungen, die Probleme bekommen würden“.

Holetschek verweist auf die Versorgungssicherheit, die stets gegeben sein müsse und wegen der auch nicht pauschal Betretungsverbote ausgesprochen werden könnten. Auch ohne Impfpflicht fehlen der Branche laut Studien bis 2030 rund 500.000 Pflegekräfte.

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