Die Bayerische Staatsregierung weiß zwar aktuell in der Corona-Politik noch nicht genau, was sie will, sie weiß aber schon sehr genau, was sie nicht will. Sie wolle, so formulierte es Staatskanzlei-Minister Florian Herrmann (CSU) bei der Kabinettspressekonferenz am Montag, „keine Echternacher Springprozession provozieren“. Bei dem traditionellen Umzug in Luxemburg zum Grab des heiligen Willibrod in der Echternacher Basilika geht es sprichwörtlich zwei Schritte vor und einen Schritt zurück.
Jetzt schon Corona-Regelungen zu lockern und sie dann wieder zurücknehmen zu müssen, „das wäre ein Hü und Hott“, sagte Herrmann. Die angekündigten Entscheidungen über eine Neufassung der vergangene Woche ausgesetzten Hot-Spot-Regelungen für Regionen mit einer Inzidenz über 1000 sowie über mögliche Erleichterungen für Kultur, Sport und Jugendarbeit wurden deshalb erneut auf kommende Woche vertagt. Die Reaktionen fielen unterschiedlich aus.
Herrmann, Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) und Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) begründeten das Abwarten der Regierung mit den nach wie vor bestehenden Unklarheiten über die weitere Entwicklung der Pandemie. Zwar deute vieles darauf hin, dass die mittlerweile auch in Bayern mit 75 Prozent dominierende Omikron-Variante die Krankenhäuser nicht so sehr belaste, wie das bei früheren Corona-Wellen der Fall war. Gleichzeitig aber könne nicht außer Acht gelassen werden, dass die Impflücke in der Bevölkerung nach wie vor groß sei und die Infektionszahlen täglich neue Höchststände erreichen. Deshalb habe man sich dazu entschieden, vorerst keine Änderungen an den bayerischen Corona-Regeln vorzunehmen.
Neue Corona-Regel für Kinos und Theater?
Er sei aber „optimistisch“, sagte Herrmann und stellte für kommende Woche Lockerungen in Aussicht. Es gebe, wenn sich die Lage nicht verschlechtere, eine „klare Perspektive“. So könnten zum Beispiel die Zugangsregelungen in der Jugendarbeit gelockert und die Zuschauerzahlen in Kinos und Theatern von 25 auf 50 Prozent der Maximalauslastung angehoben werden.
An der aktuell ausgesetzten Hot-Spot-Regelung für Städte und Landkreise mit einer Inzidenz über 1000 hält die Staatsregierung im Grundsatz fest. Sie gilt zwar im Moment nicht, weil eine hohe Zahl von Neuinfektionen mit der Omikron-Variante bisher nicht zwangsläufig zu einer Überlastung des Gesundheitssystems führt. Komplett abschaffen aber will die Regierung sie auch nicht, weil sie auf dem alten Bundesinfektionsschutzgesetz beruht und nach dem neuen Gesetz im Ernstfall nicht wieder eingeführt werden könnte.
Aigner riet Söder zu neuem Corona-Kurs
Dass sich die Staatsregierung unter Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bei der Bekämpfung der Pandemie nicht mehr ganz so strikt zeigt wie vergangenes Jahr, stößt in den Regierungsfraktionen von CSU und Freien Wählern überwiegend auf Zustimmung. Im CSU-Fraktionsvorstand, der sich am Montag zum Auftakt der virtuellen Fraktionsklausur traf, wurde über Corona zunächst zwar noch nicht diskutiert. Vorstandsmitglieder aber sagten auf Nachfrage unserer Redaktion, dass der neue Kurs Söders, künftig mit mehr „Augenmaß“ zu agieren, überwiegend begrüßt werde.
„Wir sollten künftig nur noch Maßnahmen anordnen, die tatsächlich wirken und auch vernünftig begründet werden können“, sagte Fraktionsvize Alexander König. Landtagspräsidentin Ilse Aigner sagte zu Söders Kurskorrektur: „Ich finde das gut. Ich habe ihn auch darum gebeten, in diese Richtung zu gehen.“
Kritik kam dagegen von der SPD. Der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) kritisierte die anhaltende Ungleichbehandlung von Kultur und Gastronomie: „Ich bedauere, dass es die Bayerische Staatsregierung versäumt hat, die Ungleichbehandlung von Kulturbetrieben und Gastronomie in Bezug auf die Corona-Maßnahmen zu beenden.“ SPD-Fraktionschef Florian von Brunn sagte: „Es ist für mich nicht nachvollziehbar, dass in der Gastro nur 2G-Pflicht ist und man dort ohne Masken sitzen darf, aber für Kinos, Theater und Kulturbühnen knüppelharte Auflagen gelten. Das gefährdet Existenzen!“
Die AfD verurteilte die Corona-Politik der Staatsregierung erneut scharf. „Normalisierung ist längst möglich, für Markus Söder und seine Truppe aber unerwünscht. Von Tag zu Tag verstärken sich daher die Bürgerproteste“, sagte Fraktionschef Ulrich Singer.