"Wir brauchen mehr Flexibilität, um Familie mit Beruf vereinbaren zu können", sagte die bayerische Arbeitsministerin Ulrike Scharf vor der Arbeits- und Sozialministerkonferenz im Saarland. Das will sie erreichen, indem die maximale Arbeitszeit pro Tag ausgeweitet wird. Das klingt erst einmal widersprüchlich.
Wieso soll die erlaubte Arbeitszeit erhöht werden?
Bayern werde sich bei der Arbeits- und Sozialministerkonferenz für eine entsprechende Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes einsetzen, kündigte Scharf am Mittwoch an. "Ein erster wichtiger Schritt ist es, für einzelne Arbeitstage in der Woche auf freiwilliger Basis und unter Beachtung des Arbeitnehmerschutzes Arbeitszeiten von mehr als zehn Stunden zu ermöglichen." So könnte die wöchentliche Arbeitszeit flexibler auf weniger Wochentage verteilt werden.
Ziel des Vorstoßes sei es, den Fachkräftemangel zu bekämpfen. "Wir brauchen mehr Flexibilität, um Familie mit Beruf vereinbaren zu können – das steigert auch die Beschäftigungsquote." Die Arbeitszeitgesetze müssten dafür an die Lebenswelten der Menschen angepasst werden.
Wie lange darf man aktuell pro Tag arbeiten?
Die zulässige Höchstarbeitszeit beträgt aktuell acht Stunden am Tag. Diese kann auf maximal zehn Stunden ausgedehnt werden – aber auch nur, wenn ein entsprechender Zeitausgleich gewährt wird. Zwischen Arbeitsende und Arbeitsbeginn müssen elf Stunden Ruhepause liegen.
Warum begrüßt Dehoga längere Arbeitszeit?
Der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga Bayern begrüßte die Pläne zur Erhöhung der maximalen Arbeitszeit pro Tag. "Nicht nur Betriebe brauchen mehr Flexibilität, auch die Mitarbeiter fordern hier mehr Spielraum in der Gestaltung ihrer Arbeitszeit", sagte Landesgeschäftsführer Thomas Geppert. "Das Gastgewerbe ist keine Fließbandarbeit. Es muss gearbeitet werden, wenn die Arbeit anfällt."
Als Beispiel nannte er Hochzeitsfeiern, bei denen die Gäste noch länger feiern wollten oder Biergärten, wenn die Sonne scheint. Angesichts des Arbeitskräftemangels wolle man nicht weniger Mitarbeiter mehr arbeiten lassen, sondern sie flexibler einsetzen.
Erhöhung der täglichen Arbeitszeit: Was wird kritisiert?
Während aus der Wirtschaft Beifall kam, gab es Kritik von den Gewerkschaften: "Die Vorschläge führen nur zu noch mehr Leistungsdruck, zu noch mehr Hamsterrad, aber zu keiner einzigen neuen Fachkraft", sagte der Vorsitzende des DGB Bayern, Bernhard Stiedl. Die Beschäftigten würden sich zwar mehr Flexibilität wünschen, jedoch keine Experimente beim Arbeitszeitgesetz, so Stiedl. "Überlange Arbeitszeiten und zu geringe Ruhezeiten sind ein Gesundheitsrisiko." Stattdessen brauche es qualitativ hochwertige Betreuungsmöglichkeiten, um die Beschäftigungschancen von Frauen zu verbessern. Dabei habe "das 'Familienland Bayern' noch viel Luft nach oben".
Auch der Bezirksleiter der IG Metall in Bayern, Johann Horn, äußerte Kritik: "Eine Ausweitung der täglichen Höchstarbeitszeit würde Tür und Tor für die Ausbeutung von Beschäftigten öffnen", sagte er. "Die Folge wäre Arbeit ohne Ende und ohne Grenzen."
Vorbild Österreich? Wie könnte maximale Arbeitszeit in Bayern erhöht werden?
Seit Mittwoch beraten die Arbeits- und Sozialminister der Länder in Perl im Saarland. Seit Jahren gibt es immer wieder Forderungen von Unternehmen, aber auch Parteien wie der FDP, das Arbeitszeitgesetz zu lockern.
Als Vorbild könnte Österreich dienen. Dort hat die Koalition aus ÖVP und FPÖ 2018 ein neues Arbeitsgesetz beschlossen. Wie in Deutschland beträgt die Normalarbeitszeit auch in Österreich acht Stunden pro Tag und 40 Stunden pro Woche. Dabei handelt es sich um die reine Arbeitszeit ohne Ruhepausen. In Ausnahmefällen dürfen aber bis zu zwölf Stunden pro Tag und 60 Stunden pro Woche gearbeitet werden – dauerhaft im Viermonatsschnitt aber nicht mehr als 48 Stunden pro Woche. Bei einer Vier-Tage-Woche kann die tägliche Normalarbeitszeit auf 10 Stunden verlängert werden. (mit dpa)