Alpenblick und traditionsreiches Landleben: Für Ausstehende versprüht die Gemeinde Reichling im südlichen Landkreis Landsberg pure Idylle. Doch in der Gemeinde mit ihren knapp 1700 Einwohnenden rumort es gewaltig. In einer Unterschriftenaktion zeigen Bürgerinnen und Bürger antiautoritäre Tendenzen im CSU-Land. Und alles nur, um ihren gewählten Bürgermeister loszuwerden. Wer auf die vergangenen Monate zurückblickt, den erstaunt die Aktion weniger.
Johannes Hintersberger ist seit März 2020 Bürgermeister in Reichling
Johannes Hintersberger hat seinen Namen geändert, doch seinem Image innerhalb der Gemeinde hat es augenscheinlich nicht geholfen. Noch als Johannes Leis kandidierte er bei den Kommunalwahlen im März 2020 erstmals für das Amt des Bürgermeisters – und gewann knapp per Stichwahl für die „WählerGemeinschaft". Der Schwiegersohn des gleichnamigen CSU-Landtagsabgeordneten aus Augsburg hat seitdem viel Kritik für seine Arbeit und sein Auftreten geerntet.
Im Sommer 2022 gab es etwa einen Paukenschlag in Reichling, als drei Gemeinderatsmitglieder auf einmal ihr Amt aufgaben. Während ein Gemeinderat für seinen Rücktritt berufliche Gründe ins Feld führte, spielten bei Heidrun Höbel, die als Gemeindesekretärin arbeitet, und Alfons Schelkle kommunalpolitische Gründe sowie der Umgangston eine Rolle. Beide kritisierten Hintersbergers Umgangston in den Sitzungen und seine Arbeitsweise.
Im Februar 2023 kündigte überraschend die beliebte Leiterin des örtlichen Kindergartens nach 20 Jahren Tätigkeit. Die Erzieherin wollte sich damals nicht zu den Gründen äußern, doch im Ort war von mehreren Seiten zu hören, dass es Spannungen zwischen ihr und dem Bürgermeister gegeben haben soll. Dass seine Ehefrau, Kindergartenleiterin im Nachbarlandkreis, diesen Job ein halbes Jahr lang übernahm, gefiel einigen Betroffenen nicht. Dabei betonte Hintersberger, dass es sich um eine interimsmäßige und ehrenamtliche Tätigkeit seiner Frau gehandelt habe.
Trotz Unterschriftenliste: Reichlinger Bürgermeister will im Amt bleiben
Einigen Bürgerinnen und Bürgern der Gemeinde war es zu viel des Guten, sie wurden aktiv in einer wohl bayernweit einmaligen Aktion. Rund 30 Reichlinger gingen in den vergangenen Wochen von Haus zu Haus, führten Gespräche an Haustüren und sammelten bisher 586 Unterschriften, um den Bürgermeister zur Amtsniederlegung zu bewegen. Insgesamt leben 1350 Wahlberechtigte in der Gemeinde. Schwer erreichbar, intransparent, keine Teamfähigkeit und respektvoller Umgang: Die Liste an Kritikpunkten ist lang, ein Rücktritt kommt für den Bürgermeister jedoch nicht infrage, der jegliches Fehlverhalten von sich weist: "Ich bin ein rechtmäßig gewählter Vertreter für sechs Jahre, und das muss man so respektieren."