Der Erreger des neuartigen Coronavirus breitet sich in Bayern immer schneller aus – mit ganz unterschiedlichen Folgen für die Menschen im Freistaat. Bislang sind in Bayern insgesamt 56 Patienten positiv auf den Erreger getestet worden, 42 neue Fälle seit vergangenem Donnerstag gibt es. Auch in der Region registrieren die Behörden immer mehr Personen, die sich infiziert haben.
Am Mittwoch wurden im Landkreis Augsburg zwei Infektionen bekannt. Das Landratsamt Augsburg teilte mit, dass es sich bei dem ersten Fall um einen Mann mittleren Alters aus Kutzenhausen handelt. Zwischenzeitlich befand sich der Patient im Uniklinikum Augsburg in klinischer Quarantäne, er wird aber demnächst nach Hause zurückkehren. Angesteckt hat er sich vermutlich in Norditalien, aber nicht in einem Risikogebiet.
Bei dem zweiten Fall ist eine Frau mittleren Alters aus Bonstetten betroffen. Wo sie sich angesteckt hat, war bis Redaktionsschluss unklar. Die zwei Fälle stehen in keiner Verbindung zueinander, erklärte das Landratsamt. Beide Familien haben Kinder im schulpflichtigen Alter, deshalb könnten Schulen geschlossen werden. Um welche Schulen es sich handelt, ist noch nicht bekannt.
Erster Coronafall im Landkreis Aichach-Friedberg
Auch im Landkreis Aichach-Friedberg gibt es nun den ersten nachgewiesenen Fall. Bei der betroffenen Person verläuft die Krankheit aktuell mild. Sie hatte grippeartige Symptome und ist nach eigenen Aussagen auf dem Weg der Besserung. Auf Anordnung hält sie sich derzeit isoliert von anderen Personen auf. Nach jetzigem Stand der Ermittlungen war die Person weder in einem Risikogebiet noch hatte sie Kontakt zu anderen nachweislich erkrankten Personen.
In Ulm steigt die Zahl der infizierten Personen auf insgesamt drei. Eine Frau, ein 12-jähriger Bub und ein Mann seien positiv getestet worden, teilte das baden-württembergische Sozialministerium am Mittwoch mit. Darüber hinaus stehen im Landkreis Neu-Ulm sieben Kontaktpersonen unter häuslicher Quarantäne. Zu den ersten bekannten Fällen in Baden-Württemberg zählt auch ein Mann aus Göppingen. Er besuchte vor gut einer Woche eine Kinovorstellung des Dietrich-Theaters in Neu-Ulm. Gäste derselben Vorstellung, die vielleicht sogar in der Nähe des Mannes gesessen hatten, wurden dazu aufgerufen, sich bei den Behörden zu melden. Das Kino selbst will sich dadurch nicht verunsichern lassen und startete eine ungewöhnliche Aktion. Zu jeder Essensbestellung gab es ein Corona-Bier gratis dazu. „Wir bleiben locker und lassen uns nicht unterkriegen“, schrieben die Betreiber auf Facebook.
Quarantänemaßnahme auch im Landkreis Lindau am Bodensee wurden zwei neue Fälle des Coronavirus bestätigt. Bei dem einen handelt es sich um eine Jugendliche aus dem Westallgäu. Sie war symptomfrei aus dem Urlaub in Südtirol gekommen, die gesamte Familie hatte sich jedoch vorsorglich testen lassen. Bei der Jugendlichen wurde das Virus nachgewiesen und die gesamte Familie unter Quarantäne gestellt. Der andere Fall ist ein Mann Mitte 40 aus Lindau, der ebenfalls in Südtirol im Urlaub war und der sich aktuell in häuslicher Quarantäne befindet, ebenso alle weiteren Familienmitglieder.
Am Lindau stehen 59 Schüler vorsorglich unter Quarantäne
„Wir handeln mit großer Besonnenheit, und um die Infektionsketten zu unterbrechen, müssen wir schnell handeln“, sagte Landrat Elmar Stegmann. Die Personen, mit denen die Familie in Kontakt stand, wurden vorsichtshalber unter 14-tägige häusliche Quarantäne gestellt. Dies betrifft 59 Kinder an zwei Lindauer Schulen, vier Lehrer und zwei Betreuungskräfte sowie Freunde, die in den letzten Tagen in Kontakt mit der Familie waren.
Die 59 Schülerinnen und Schülern gehören zu hunderten Menschen in Bayern, die als Kontaktpersonen von Corona-Patienten in häuslicher Quarantäne sind. Das sagte am Mittwoch der Präsident des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), Andreas Zapf. Er erklärte, dass derzeit in Bayern täglich rund 2500 Menschen auf das Coronavirus getestet werden könnten, 160 Tests täglich sind möglich. Am LGL arbeite man „am Anschlag“.
Zapf will zudem die Hausärzte mit in die Verantwortung nehmen. Diese hatten berichtet, dass Schutzanzüge, Atemschutzmasken oder Desinfektionsmittel knapp seien – Utensilien, die sie für eine Untersuchung oder Behandlung bräuchten. Sie fühlten sich deshalb von den Behörden im Stich gelassen. Andreas Zapf entgegnete: „Es wäre auch an ihnen gewesen, sich auszurüsten.“ Aktuell versuche man, die Ausbreitung des Virus’ zu verzögern, bis es einen Impfstoff gibt, sagt Zapf. Bis den Laboren der Elite-Universitäten und Pharma-Unternehmen dies gelingt, könnte es noch ein Jahr dauern, schätzt Nikolaus Ackermann. Er ist Leiter der Virologie am LGL. Grund dafür sei, dass anders als bei der Influenza der Impfstoff vollkommen neu entwickelt werden muss.
Vor dem Hintergrund der Ausbreitung des Coronavirus hat das Bayerische Rote Kreuz (BRK) die „Alarmstufe 1“ ausgerufen, die niedrigste Stufe. Als einen Grund gab das BRK eine derzeit nicht absehbare Entwicklung der Ausbreitung an.
Trotz Corona-Angst: Nockherberg in München findet wie geplant statt
Der amerikanische Virenexperte Trevor Bedford forscht in Seattle zu Sars-CoV-2-Viren aus Europa. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtete, dass Bedford vermutet, Patient null aus Kaufering sowie die Mitarbeiter der Firma Webasto in Stockdorf seien Ausbreitungspunkt für sämtliche europäischen Corona-Seuchenherde und sogar für erste Fälle in Mexiko.
Trotz der Ausbreitung des Coronavirus soll das anstehende Paulaner Starkbierfest auf dem Nockherberg in München wie geplant stattfinden. „Wir sollten nicht in Hysterie verfallen, sondern dem Starkbierfest positiv entgegensehen“, sagte Wirt Christian Schottenhamel am Mittwoch. Das Starkbierfest geht vom 13. März bis zum 5. April. Am 11. März steht die Starkbierprobe auf dem Programm, dann werden wie jedes Jahr viele Prominente und Politiker zum Derblecken auf dem Nockherberg erwartet. (mit dpa)
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