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Bayerischer Landtag: Zoff um radikalen Chat: Alle zusammen gegen die AfD

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Zoff um radikalen Chat: Alle zusammen gegen die AfD

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    Markus Bayerbach gilt als gemäßigter Vertreter seiner Partei, dennoch steht er nun im Zentrum des Streits um Konsequenzen aus der „Chat-Affäre“.
    Markus Bayerbach gilt als gemäßigter Vertreter seiner Partei, dennoch steht er nun im Zentrum des Streits um Konsequenzen aus der „Chat-Affäre“. Foto: Ulrich Wagner (Archivbild)

    Es ist vermutlich ein bisher einmaliger Vorgang. Zumindest kann sich offenbar kein aktiver Abgeordneter daran erinnern, dass im Landtag jemals ein Ausschussvorsitzender abberufen worden wäre, weil die Mehrheit der Mitglieder seines Ausschusses ihm das Vertrauen entzieht. Es trifft den Augsburger AfD-Politiker Markus Bayerbach. Er soll an diesem Donnerstag – darin sind sich CSU, Grüne, Freie Wähler, SPD und FDP einig – seines Amtes als Vorsitzender des Bildungsausschusses enthoben werden. Begründung: Er habe den Ausschuss „belogen“ oder zumindest „getäuscht“. Die Zweidrittelmehrheit für die Abberufung steht, hieß es am Vortag. Nur wie es dann weitergehen soll, weiß auch niemand so recht. Die Bereitschaft, ein anderes AfD-Mitglied zu wählen, hält sich bei den anderen fünf Fraktionen in engen Grenzen. Das Vorschlagsrecht für diese Position aber hat, so sind die Spielregeln im Parlament, einzig die

    Ausgerechnet Bayerbach. Der 58-jährige Förderschullehrer gilt nicht als Radikaler. Er wird dem gemäßigten Teil der Rechtsaußenpartei zugerechnet und ist, anders als viele seiner Kolleginnen und Kollegen, bisher nicht mit extremen Positionen oder Äußerungen aufgefallen. Auch über seine Art, den Bildungsausschuss zu leiten, gab es bisher keine Beschwerden – bis zu diesem Donnerstag Anfang Dezember.

    Bayerbach sagte die Unwahrheit über den AfD-Chat

    Im Fokus der „Chat-Affäre“ der AfD stand zunächst seine Abgeordnetenkollegin Anne Cyron, ebenfalls Mitglied im Bildungsausschuss. Ihr wurde vorgeworfen, in dem Telegram-Chat, der durch Recherchen des Bayerischen Rundfunks enthüllt worden war, Umsturzfantasien verbreitet zu haben. Sie hatte, wie es hieß, in der sogenannten „Alternativen Nachrichtengruppe“ die Meinung vertreten, „dass wir ohne Bürgerkrieg aus dieser Nummer nicht mehr rauskommen werden“.

    Die Empörung war groß. Und als dann in der Debatte um Cyron an Bayerbach die Frage kam, ob denn auch er Mitglied in dem Chat gewesen sei, verneinte er das. Doch das stimmte nicht. Der FDP-Abgeordnete Matthias Fischbach hatte nachgezählt. Bayerbach habe sich mit 458 Wortmeldungen an den Debatten im Chat beteiligt. Bayerbach musste das schließlich einräumen. Er betonte aber, dass er schon länger nicht mehr Mitglied in dem Chat sei.

    Aus der Welt schaffen konnte er die Angelegenheit damit nicht. Er beteuerte zwar, eine vorsätzliche Lüge sei „natürlich nicht beabsichtigt“ gewesen. Doch auch eine nachgereichte Entschuldigung akzeptierten die Mitglieder des Bildungsausschusses nicht. Das Vertrauensverhältnis sei zerstört, stellte die schwäbische SPD-Abgeordnete Simone Strohmayr fest. Vertreter der anderen Fraktionen äußerten sich ähnlich. Bayerbachs Abberufung also scheint beschlossene Sache.

    Bayerbach: Verhalten der anderen Parteien ist "peinlich"

    Er selbst hält die Kritik für vorgeschoben. „Ich weiß, dass es weniger um mich als um die Partei geht. Ich bedauere, dass man den Bildungsausschuss für parteipolitische Zwecke missbraucht“, sagt Bayerbach auf Anfrage unserer Redaktion. Er räumt ein, dass seine Antwort „objektiv nicht ganz korrekt war“, aber er habe nie behauptet, dass er nie in der Chat-Gruppe aktiv war. Das liege aber lange zurück. Was die politische Konkurrenz jetzt daraus mache, sei „peinlich“.

    Einige grundsätzliche Bedenken über die Folgen seiner Abberufung aber gibt es auch dort. Dass die Mehrheit im Maximilianeum keinen AfD-Vertreter zum Vize-Präsidenten des Landtags wählte, konnte noch damit begründet werden, dass der Landtag sich in seiner Außendarstellung nicht von einem Mitglied einer in Teilen rechtsextremen Partei vertreten lassen will. Auch wurde der AfD verwehrt, ein Fraktionsmitglied in das geheim tagende Parlamentarische Kontrollgremium zu entsenden, das unter anderem den Verfassungsschutz kontrolliert. „Wer unter Umständen selbst vom

    Rückt ein anderes AfD-Mitglied nach?

    Der AfD aber den Vorsitz im Bildungsausschuss zu verwehren, lässt sich unter demokratisch gewählten Parlamentariern freilich nicht mehr so zwanglos begründen. Da geht es weder um die Repräsentation des Landtags nach außen, noch um den Kernbereich der inneren Sicherheit. CSU, Freie Wähler und FDP sagen deshalb nicht kategorisch Nein zu einem anderen AfD-Kandidaten. Die Frage ist nur: Wer?

    Anne Cyron, neben Bayerbach die einzige AfD-Vertreterin im Bildungsausschuss, komme aus nahe liegenden Gründen nicht infrage, heißt es von allen Seiten. Die AfD-Fraktion müsste ein anderes Mitglied benennen und in den Bildungsausschuss schicken. Sie hat das alleinige Vorschlagsrecht. „Wenn da ein akzeptabler Personalvorschlag kommt, dann überlegen wir uns das“, sagt etwa FDP-Fraktionschef Martin Hagen.

    AfD-Fraktionschef kritisiert "durchsichtiges Manöver"

    Bei der AfD will man erst einmal abwarten, wie die Sitzung des Bildungsausschusses abläuft. Fraktionschef Ulrich Singer sagt, die Begründung für Bayerbachs Abberufung sei „an den Haaren herbeigezogen“. Es handle sich um ein „durchsichtiges Manöver“. Dass es die Chat-Gruppe gegeben habe, sei unstrittig, aber es sei „weder eine Gruppe der Partei und schon gar nicht eine Gruppe der Fraktion“ gewesen. Eine konkrete Strategie, wie sie auf Bayerbachs Abberufung reagieren werde, habe seine Fraktion noch nicht. „Wir ziehen schon in Erwägung, jemand anderes zu benennen“, sagt Singer. Er glaube aber nicht, dass ein anderes AfD-Mitglied gewählt würde: „Die wollen uns nicht, aber dann sollen sie das auch ehrlich sagen.“

    Die Chancen, eine Kandidatin oder einen Kandidaten durchzubringen, stehen für die Rechtspartei tatsächlich schlecht. Zwar steht der AfD der Vorsitz im Bildungsausschuss formal zu. Das Recht eines jeden Mitglieds des Landtags, frei darüber zu entscheiden, wen er oder sie wählt und wen nicht, wiegt allerdings schwerer. Hinzu kommt: 16 der 18 Mitglieder der AfD-Fraktion sollen in der Chat-Gruppe mit dabei gewesen sein. Ob sich da noch einer findet, dessen demokratische Gesinnung und Verfassungstreue außer Zweifel steht?

    Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze hat dazu eine klare Meinung: „Offen demokratieverachtend, gewaltverherrlichend, Hass und Hetze verbreitend – das ist die AfD-Fraktion im Bayerischen Landtag. Das hat nicht zuletzt die Telegram-Chatgruppe gezeigt. Die gesamte Partei muss vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Die Mitglieder der AfD-Fraktion sind unwählbar.“

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