Die Aufrufe wandern seit Tagen durch die WhatsApp-Gruppen: An diesem Sonntag wollen die Bauern im Kempten gegen die Kürzungspläne der Bundesregierung demonstrieren, außerdem ist eine Großkundgebung auf der Münchner Theresienwiese geplant. Im Unterallgäu sollen die Landwirte an diesem Sonntagabend auf sämtlichen Anhöhen die Warnblinklichter ihrer Schlepper einschalten. Und am 2. Februar rollen die Traktoren dann auf den Augsburger Plärrer.
Seit Wochen sind Landwirte im Land in Aufruhr. Dass die Ampelregierung bereits einen Teil ihrer Pläne zurückgenommen hat und die Kfz-Steuer für landwirtschaftliche Maschinen nun doch nicht kommen soll, reicht den Landwirten nicht. "Wir werden unsere Aktivitäten erst einstellen, wenn beide Maßnahmen zurückgenommen werden", hat der bayerische Bauernpräsident Günther Felßner unlängst im Interview mit unserer Zeitung betont. Die Bundesregierung hat ihr Sparpaket zum Haushalt mittlerweile auf den Weg gebracht – und damit auch das schrittweise Ende der Steuervergünstigung für Agrardiesel. Felßner gibt sich trotzdem kämpferisch: "Das Spiel ist noch lange nicht zu Ende." Er führt in diesen Tagen viele Gespräche mit Bundestagsabgeordneten – in der Hoffnung, dass das Agrardiesel-Aus im Bundestag noch gekippt wird.
Landwirtschafts-Verein: "Wir wollen keine Verhältnisse wie in Frankreich"
Vom "heißen Januar", den der bayerische Bauernpräsident Felßner angekündigt hatte, sollte die Ampel ihre Kürzungspläne nicht komplett zurücknehmen, ist allerdings wenig zu spüren. Traktoren mit Protestschildern waren kaum noch zu sehen, statt bayernweiter Aktionen gab es vereinzelte Mahnfeuer. Hört man sich bei den Landwirten um, räumen manche ein, dass nach den großen Protesten die Luft raus sei. Andere sagen, dass man genau jetzt nicht nachlassen dürfe, wenn man etwas erreichen wolle.
Claus Hochrein ist Vorsitzender von "Landwirtschaft verbindet Bayern" (LSV). Der Verein organisiert gemeinsam mit dem Bauernverband die Demonstrationen. Man wolle keine Lager des Lebensmitteleinzelhandels blockieren oder andere Infrastruktur. "Unser Protest soll laut und sichtbar sein. Aber wir wollen die Bevölkerung nicht blockieren. Wir wollen keine Verhältnisse wie in Frankreich." Und Hochrein stellt klar: "Wir weichen nicht von unseren Forderungen ab." Doch während man beim Bauernverband jegliche Verhandlungen über andere Punkte wie einen Tierwohlcent, der den Umbau der Ställe hin zu mehr Tierwohl finanzieren könnte, ablehnt, klingt das beim LSV anders.
"Ich würde die Abschaffung des Agrardiesels hinnehmen, wenn wir über andere Punkte verhandeln könnten", sagt Andreas Magg, LSV-Sprecher in Schwaben. Der Landwirt aus Sontheim im Unterallgäu meint etwa die Auflage, jährlich vier Prozent der Fläche stillzulegen, sowie Änderungen bei der Pauschalierung der Umsatzsteuer. "Wir hätten zahlreiche Vorschläge, wie man die Lage der Landwirte verbessern kann. Beim Bauernverband heißt es dagegen: "Nur eine Lösung beim Agrardiesel wird die Traktoren von der Straße bekommen."
Es scheint, als hätten die Bauern aus den letzten Protesten gelernt
Trotzdem haben sich beide Verbände Einigkeit auferlegt. Beim Bauernverband verliert man kein böses Wort über den LSV, der vor allem jüngere Landwirte über WhatsApp mobilisiert. LSV-Mann Hochrein sagt: "Wenn wir etwas erreichen wollen, geht das nur miteinander." Es scheint, als hätten die Akteure aus den letzten Bauernprotesten 2019 gelernt. Damals gingen die Landwirte gegen das jüngste Agrarpaket der damaligen Bundesregierung und die verschärfte Düngeverordnung auf die Straße, einig waren sich die Verbände damals nicht unbedingt. Das Bündnis "Land schafft Verbindung", wie der LSV ursprünglich hieß, zerlegte sich infolge interner Streitigkeiten auf Bundesebene.
Trotzdem bleibt die Frage: Wie bekommt man die Traktoren langfristig von der Straße? Und Protestforscher Felix Anderl von der Universität Marburg glaubt, dass nur ein ernsthaftes Verhandlungsangebot der Bundesregierung den Streit lösen könne. "Agrarminister Cem Özdemir müsste auf die Bauern zugehen und ein klares Angebot machen." Andererseits müssten dann auch die Landwirte ihre Blockadehaltung aufgeben. Anderl sagt: "Ein großer Teil wäre bereit zu reden."
Unterdessen hat die Staatsregierung angekündigt, dass sie im Bundesrat die Kürzungen im Agrarbereich stoppen will. Agrarministerin Kaniber will am 2. Februar per Antrag die vollständige Rücknahme der geplanten Einsparungen fordern. Allein beim Agrardiesel kämen auf bayerische Bauern rund 92 Millionen Euro an Belastungen zu.