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Bauernpräsident Felßner: Es braucht jemand mit Ahnung von Ahnung

Interview

Vom Bauernpräsidenten zum Landwirtschaftsminister? „Wir müssen raus aus diesem Lagerdenken“

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    Der bayerische Bauernpräsident und CSU-Bundestagskandidat Günther Felßner.
    Der bayerische Bauernpräsident und CSU-Bundestagskandidat Günther Felßner. Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa

    Herr Felßner, sind Sie im Moment mehr für den Bayerischen Bauernverband oder für die CSU unterwegs?
    GÜNTHER FELSSNER: Ich bin mit voller Kraft für den Bayerischen Bauernverband aktiv. Die restliche, zur Verfügung stehende Zeit gehört aber jetzt natürlich dem Wahlkampf.

    Die Ankündigung, dass Sie für die CSU Bundeslandwirtschaftsminister werden sollen, hat für viel Kritik gesorgt. Hat Sie das getroffen?
    FELSSNER: Das war erwartbar und kam von Leuten, die mich kaum kennen. Ich habe in meinen zweieinhalb Jahren als Bauernpräsident stets betont: Wir sind als Bauernverband Denkfabrik für die gesamte Gesellschaft, wir machen nicht nur Lobbyarbeit für zwei Prozent der Bevölkerung. Natürlich ist es ein Unterschied, ob man wie ich im Moment für einen Verband Verantwortung trägt oder innerhalb der Regierung der Bundesrepublik Deutschland. In dem Fall würde für mich ein komplett neuer Abschnitt beginnen, ich hätte eine komplett andere Verantwortung. Was ich mit an die Spitze des Ministeriums nehmen könnte und möchte, ist die Ahnung vom Sachgebiet. Ich habe eine fundierte Ausbildung in der Landwirtschaft, ich bin Diplom-Agraringenieur, habe 25 Jahre einen Betrieb geführt, habe im Verband gearbeitet und sitze seit vielen Jahren für die CSU in Lauf an der Pegnitz im Stadtrat.

    Josef Schmid, Chef der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft in Bayern, spricht von einem Verstoß gegen die Satzung des BBV, die politische Unabhängigkeit vorschreibt. Wie sehen Sie das?
    FELSSNER: Der Bayerische Bauernverband ist parteipolitisch unabhängig. Gleichwohl ermuntern wir als breite, gesellschaftlich relevante Organisation unsere Mitglieder, sich in die Demokratie einzubringen, also in Gemeinderäten, Kreistagen, Landtag, Bundestag und sogar im Europaparlament aktiv zu sein. Klar ist: Wenn ich auf den Stuhl des Bundeslandwirtschaftsministers wechseln sollte, werde ich alle meine Ämter im Verband und was damit zusammenhängt, niederlegen.

    Haben Sie im Vorfeld darüber nachgedacht, an der BBV-Spitze in Bayern zu pausieren?
    FELSSNER: Nein, habe ich nicht. Ich bin ja erstmal nur ein Kandidat, mache ein Angebot, und ich bin in keinerlei parteipolitischer Funktion. Da wäre es geradezu vermessen, gleich alles hinzuschmeißen und so zu tun, als wäre ich schon gewählt. Ein Schritt nach dem anderen. Jetzt liegt die Entscheidung erst einmal bei den Wählerinnen und Wählern.

    Auch am Wochenende, bei der Aufstellung der CSU-Liste, gab es Kritik von Delegierten. Man solle keine Ämter verteilen, bevor die Wahl gewonnen wurde…
    FELSSNER: Ich bin ein großer Fan von Transparenz. Als Quereinsteiger habe ich keinen Wahlkreis und wollte auch niemandem einen streitig machen. Natürlich hätte man meinen Namen auch erst nach der Wahl als Agrarminister ins Spiel bringen können. Aber ich hätte es nicht gut gefunden, erst dann aufs Tableau zu treten. Ich halte es für richtig, dem Wähler gegenüber zu sagen, was man vorhat. Wahrheit und Klarheit ist mir wichtig. Der Plan der CSU, jemanden mit Fachverstand zum Agrarminister zu machen, ist ein Angebot an die Wählerinnen und Wähler. Und dann muss man die Karten auch offen auf den Tisch legen.

    Sie stehen auf Platz 3 der CSU-Liste. Es ist also alles andere als sicher, dass Sie in den Bundestag gewählt werden. Knüpfen Sie das Ministeramt an das Bundestagsmandat?
    FELSSNER: Nein. Ich bin mir bewusst, dass es in Bayern ein Ergebnis von etwa 45 Prozent braucht, um über die Liste in den Bundestag zu kommen. Ich arbeite mit voller Kraft für jede Stimme, die das möglich machen könnte, denn das wäre sicher die bessere Ausgangssituation. Aber mein Beweggrund ist ein anderer: Deutschland, die deutsche Wirtschaft und unsere Landwirtschaft sind in einer schwierigen Situation. Und ich werde meinen Beitrag dafür leisten, dass sich das ändert.

    Wann hat Markus Söder Sie denn gefragt?
    FELSSNER: Das war Ende des Sommers. Mein erster Gedanke war jedenfalls: Wenn er mir das zutraut und die Wählerinnen und Wähler auch, habe ich als Bürger geradezu die Pflicht, es zu machen. Ich kann und will nicht nur am Spielfeldrand stehen und sagen, wie es besser gehen würde, sondern will anpacken und etwas verändern. Insofern: Ich würde das Amt auch ohne Parlamentsmandat antreten. Das wäre ungewöhnlich, aber man könnte sich dann auch voll und ganz auf die Aufgabe im Ministerium konzentrieren.

    Die Süddeutsche Zeitung sprach von einer Anbiederung Söders an die Bauernschaft, als Ihre Personalie bekannt wurde. Wie sehen Sie das?
    FELSSNER: Das ist eine bösartige Unterstellung. Markus Söder und ich haben in den vergangenen Jahren vieles auf den Weg gebracht. Wir haben in Bayern den Zukunftsvertrag für die Landwirtschaft geschlossen und das war keineswegs selbstverständlich, denn das Vertrauen zwischen Bauern und Staatsregierung war nach dem Volksbegehren „Rettet die Bienen“ angeknackst. Wir haben mit den Schlepperdemos die Gesellschaft und die Stimmungslage in Deutschland auf die Straße gebracht und viel bewegt. Aber diese von vornherein negative Haltung ist typisch deutsch – immer erst das Problem suchen. Dass man ein Fachministerium mit jemandem, der vom Fach ist, besetzt, könnte ja auch eine echte Chance sein, oder?

    Landwirte sind längst nicht nur im Bauernverband vertreten. Als Bundesminister für Landwirtschaft und Ernährung säßen Sie zwischen den Stühlen verschiedener Interessengruppen. Wie wollen Sie damit umgehen?
    FELSSNER: In der Kommunalpolitik zum Beispiel spielt Parteizugehörigkeit maximal eine untergeordnete Rolle. Da geht es darum, Probleme zu lösen. So bin ich das gewohnt. Und ich werde auch künftig Politik von der Sache her machen. Als Landwirt weiß ich, ich muss Dinge mutig anpacken. Und in meiner Funktion im Bauernverband denke ich Landwirtschaft und alles, was daran hängt, gesamtgesellschaftlich. Und genau das würde ich als Regierungsmitglied – wenn es denn so weit kommt – auch tun. Ich bin seit Jahren im Austausch mit Umwelt- und Naturschutzverbänden und habe auf dieser Basis ein Modell für die Landwirtschaft der Zukunft entwickelt. Wir müssen, auch gesamtgesellschaftlich, raus aus diesem Lagerdenken und das gemeinsam angehen.

    Wie sieht dieses Modell aus?
    FELSSNER: Es besteht aus vier Säulen, die gleich wichtig sind. 1. Wir müssen uns in Europa selbst ernähren. 2. Wir werden in Zukunft als Landwirte regenerative Energie für Wirtschaft und Gesellschaft zur Verfügung stellen müssen. Wir brauchen Wind, Sonne, Geothermie, Biomasse, Holz, all das kommt von unseren Flächen. 3. Wir müssen unsere Wirtschaft dekarbonisieren, also fossile Rohstoffe und all das Plastik durch nachwachsende Alternativen ersetzen. Dieser schwarze Kohlenstoff aus Erdöl muss langfristig durch grünen Kohlenstoff aus Biomasse ersetzt werden. 4. Ressourcenschutz, das heißt, wir müssen den Boden schützen, damit er uns diese ersten drei Faktoren produzieren kann, wir müssen Luft und Wasser schützen, ebenso die Biodiversität.

    Als Bauernverband fordern Sie ein Agrarministerium, das eine ökonomisch nachhaltige Land- und Forstwirtschaft als Kernaufgabe sieht. Eine Abkehr von grüner Ideologie also?
    FELSSNER: Ideologie hat für mich in der Politik nichts zu suchen! Aber klar ist: Die Ampelregierung ist letztlich nicht am Thema Ökologie gescheitert, sondern an der fehlenden ökonomischen Tragfähigkeit ihrer Politik. Nachhaltigkeit geht nur, wenn auch die Ökonomie stimmt. Das ist in der Politik und das ist auch in der Landwirtschaft so: Auf den Bauernhöfen arbeitet man so, dass auch die nächsten Generationen eine Lebensgrundlage haben. Aber erhalten werden kann ein Hof nur, wenn man auch Geld mit der Arbeit verdient.

    Die Einkommen der heimischen Betriebe sind zuletzt eingebrochen – in Bayern um 20 Prozent, bundesweit um 30 Prozent. Was muss passieren, damit sich die Arbeit der Landwirte wieder rentiert?
    FELSSNER: Landwirtschaft ist ein Zukunftsberuf. Denn die Arbeit der Bäuerinnen und Bauern liefert grüne Lebensgrundlage für unsere gesamte Gesellschaft. Bundesagrarminister Cem Özdemir hat sich schon damit eingerichtet, jedes Jahr Ertragsrückgänge zu verkünden. Das fand man dann nachhaltig. Wir müssen weg von fossilen Rohstoffen und dem Leben auf Kosten der folgenden Generationen. Damit das gelingt, brauchen wir aber eine größere grüne Ernte. Damit wir nicht nur Lebensmittel, sondern auch nachwachsende Rohstoffe und Energie erzeugen können, müssen Flächen in eine multifunktionelle Nutzung gebracht werden. Dafür brauchen wir Wissenschaft, Forschung, Innovation. Doch die einzige Botschaft aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium war: Extensivieren und Flächen stilllegen. Wenn dann Lebensmittel importiert und mehr fossile Energie verbraucht werden, ist allerdings rein gar nichts für die Umwelt gewonnen.

    Ist das Mercosur-Abkommen aus Ihrer Sicht ein Fehler?
    FELSSNER: Ich stehe zu fairem Handel, Mercosur aber ist ein unfair verhandeltes Abkommen, weil zum Beispiel für Importe von Rindfleisch, Zucker, Ethanol und Geflügel Tür und Tor geöffnet werden, obwohl diese Dinge in Südamerika zu Bedingungen produziert werden, die in Europa verboten sind. Wenn wir hier in Europa unseren Landwirten ständig neue Auflagen in Sachen Tierwohl, Klima- und Umweltschutz machen, gleichzeitig aber aus anderen Teilen der Welt Produkte importieren, von denen wir wissen, dass sie diese Standards unterminieren, ist das nicht fair. Deswegen fordern wir, den Agrarteil neu zu verhandeln.

    Der Bauernverband fordert für die nächste Legislatur ein Bürokratie- und Auflagenmoratorium. Wie kann Bürokratieabbau funktionieren?
    FELSSNER: Ich lasse mich daran messen, dass ich die Bürokratie abbaue, wenn ich als Bundesagrarminister die Möglichkeit dazu bekomme – und zwar in einer Art und Weise, die auch spürbar ist. Ich halte es sowohl in der Gemeinsamen Agrarpolitik für geboten und möglich, wie auch in der Bundespolitik. Ein Beispiel: Deutschland muss bis 2030 die Ammoniak-Emissionen um 29 Prozent reduzieren. Dafür sind Techniken wie Schleppschlauchfässer, die Gülle bodennah ausbringen, vorgeschrieben. Kleine Bauernhöfe aber können sich diese Technik oft nicht leisten. Wir haben mit dem bayerischen Agrarministerium die GülleAppBayern entwickelt, die den Landwirten auf Grundlage von wissenschaftlichen Erkenntnissen die Möglichkeit gibt, Rindergülle weiterhin mit den vorhandenen Fässern auszufahren – und gleichzeitig werden die Emissionen reduziert. Und: Das Ganze kommt ohne zusätzliche Dokumentation aus, die Kontrollen sind wie im Straßenverkehr stichprobenartig. Der Effekt: Wir reduzieren Klimagase, unterstützen kleinere Höfe und Strukturen – und bauen Bürokratie ab. Das schafft man aber nur, wenn man ein bisschen Ahnung von Landwirtschaft hat.

    Weniger Bürokratie, mehr Vertrauen – glauben Sie, dass durch diesen Ansatz auch wieder mehr Zufriedenheit unter den Landwirten einkehrt?
    FELSSNER: Auf jeden Fall. Früher haben Landwirte wegen schlechter Preise demonstriert. Heute sagen sie: Ich kann nicht mehr, weil ich die Flut an Auflagen nicht mehr überschauen kann, ich fühle mich überfordert mit all der Bürokratie. Das gilt vor allem für die 60 Prozent Nebenerwerbslandwirte in Bayern. Das kann doch nicht sein. Wir brauchen mehr unternehmerische Freiheit, wir müssen den Menschen wieder mehr zutrauen und ihnen Vertrauen entgegenbringen. Natürlich braucht es einen rechtlichen Rahmen, natürlich braucht es Kontrollen und Strafen, wenn jemand gegen Regeln verstößt. Aber lieber kontrolliert man risikobasiert, als dass wir wirklich jeden Schritt dokumentieren und kontrollieren.

    Als die Landwirte Anfang des Jahres auf die Straße gingen, war der Ausgangspunkt die Streichung der Agrarrückerstattung.
    FELSSNER: Die Ampelregierung hat damit einen kolossalen Fehler begangen. Das war ein böses Foulspiel an den Landwirten. Denn die deutschen Bauern würden, wenn das komplett umgesetzt ist, mit dem teuersten Treibstoff Europas fahren und haben keine Alternativen zur Verfügung. Deswegen die Demonstrationen, die der Ampelregierung auch die ersten unkittbaren Risse zugefügt haben. Die Wiedereinführung der Agrardieselrückerstattung wäre deshalb auch eine der ersten notwendigen Maßnahmen. Meine Vision ist trotzdem, dass die Landwirtschaft der erste Sektor wird, der tatsächlich CO₂-neutral ist. Dazu brauchen wir einen anderen Agrartreibstoff, ganz klar. Es gibt bereits regionale, biogene Kraftstoffe aus Pflanzenöl, aus Biomasse oder gebrauchten Altfetten. Damit das aber wirtschaftlich ist, müssen diese Kraftstoffe wieder von der Mineralölsteuer befreit werden. Alles andere ist ja auch widersinnig, schließlich sind das ja Pflanzenöle. Bestehende Motoren könnten genutzt werden, die Landwirtschaft relativ schnell einen immensen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Langfristig könnte man sich so auch die Agrardieselrückerstattung sparen. Auch das bedeutet letztlich eine Entbürokratisierung.

    Zur Person

    Günther Felßner ist seit 2022 Präsident des Bayerischen Bauernverbands (BBV). Der 58-Jährige führt mit seiner Familie einen landwirtschaftlichen Betrieb in Lauf an der Pegnitz.

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    3 Kommentare
    Wolfgang Leonhard

    Ein Landwirt als Wirtschaftsminister und jetzt noch der Bauernverband als "Denkfabrik für die gesamte Gesellschaft"? Jetzt weiß ich, was mit der Klage über die Deindustrialisierung Deutschlands gemeint ist und wohin uns Söder führen will.

    Richard Merk

    Unserem MP Söder geht es doch nur um alle Stimmen der Bauern hinter der Union zu versammeln. Die Nachteile der Einseitigkeit interessiert ihn nicht. Noch mehr Dünge im Grundwasser und Pestizide im Getreide betrifft schließlich nur das gemeine Volk. Umwelt- und Klimaschutz ist lediglich Sache der bösen Grünen.

    Burghard Deichmann

    Dann kann man ja auch die DGB Vorsitzende zur Sozial- oder Finanzministerin machen.

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