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Barrierefreiheit: Probelme für Menschen mit Behinderung

Medizin

Zwei Drittel der Arztpraxen sind nicht barrierefrei

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    Nicht nur für Rollstuhlfahrer ist Barrierefreiheit essenziell bei der Arztwahl.
    Nicht nur für Rollstuhlfahrer ist Barrierefreiheit essenziell bei der Arztwahl. Foto: Martin Schutt, dpa

    Einen Arzt zu finden, ist heutzutage schwierig. Für Menschen mit Behinderung verschärft sich diese Situation noch einmal. Denn nur etwa ein Drittel der Arztpraxen in Bayern ist laut Holger Kiesel barrierefrei. Er ist Beauftragter der Bayerischen Staatsregierung für die Belange von Menschen mit

    "Barrierefreiheit ist ein sehr weiter Begriff", erklärt er. Viele Menschen denken dabei an den Rollstuhlfahrer, an Aufzüge, Rampen und große Parkplätze. Dabei bedeute Barrierefreiheit noch viel mehr. Menschen mit Sehbehinderungen etwa brauchen laut Kiesel Leitsysteme, die sie zur Praxis hinführen. Zudem Aufzüge mit Sprachausgabe oder Punktschrift an Treppen und Aufzügen. 

    Was "barrierefrei" in Arztpraxen bedeutet

    Oft vergessen werden laut Kiesel Menschen mit psychischer Behinderung oder Autismus. "Solche Menschen können nicht stundenlang im Wartezimmer sitzen", sagt er. Deshalb sei es wichtig, dass Ärzte auch Video- und Telefonsprechstunden anbieten. "Natürlich ist auch oft direkter Kontakt zum Patienten notwendig", sagt Kiesel. Der Arzt könne aber selbst entscheiden, wann das sinnvoll ist und wann nicht.

    Menschen mit Hör- und Sehbehinderungen bräuchten häufig einen Dolmetscher für Gebärdensprache. Einen solchen Dolmetscher zu bekommen, kann Kiesel zufolge Wochen oder sogar Monate dauern. In Bayern gebe es nur eine Ausbildungsstätte für diesen Beruf. Auch Dr. Stefan Thamasett, Bezirksdelegierter im bayerischen Hausärzteverband, hat Patienten, die solche Behinderungen haben. Er könne aber mit ihnen über Stift und Papier kommunizieren. "Das dauert natürlich etwas länger", sagt der Arzt aus Neu-Ulm. Es sei aber kein Problem.

    Menschen mit Sehbehinderung brauchen eine entsprechende Punktschrift zur Orientierung.
    Menschen mit Sehbehinderung brauchen eine entsprechende Punktschrift zur Orientierung. Foto: Silvio Wyszengrad

    Eine weitere betroffene Gruppe sind laut Kiesel Menschen mit kognitiven Einschränkungen. "Sie brauchen einfache Sprache und mehr Zeit", sagt er. Zwar gebe es auch Spezialangebote wie die Medizinischen Zentren für Erwachsene mit Behinderung (MZEB), doch diese seien unterfinanziert und in ständigen Verhandlungen mit den Krankenkassen. Kiesel hat den Eindruck, Ärzte lernten zu wenig über Menschen mit Behinderung in ihrer Ausbildung. "Manche Behinderungen bringen komplexe medizinische Zusammenhänge mit sich", sagt der Beauftragte. Auch Psychologisches komme zu kurz. Die Frage, wie ein Arzt einen Patienten mit Behinderung bestmöglich unterstützen kann, stehe zu wenig im Fokus. 

    Ärzte in Bayern sind in einer schwierigen Lage

    Thamasett sieht das etwas anders. "Ich würde zustimmen, dass man nicht genug lernt, wie man mit Menschen mit Behinderung umgeht." Der Frage nachzugehen, was es sozial für einen Menschen bedeutet, eine Behinderung zu haben, könne man ausführlicher besprechen. Über Ursachen und Behandlung werde allerdings ausreichend unterrichtet. "Ich kann nur an die Ärzte appellieren", sagt Kiesel. Die Gesellschaft werde immer älter, es werde immer mehr Patienten mit Behinderungen geben. "Es geht auch darum, dass Ärzte ihre Aufgabe erfüllen. Sie haben einen Eid geleistet", sagt Kiesel. Sie seien verpflichtet, zu helfen. Kiesel weiß aber auch, dass die Situation derzeit für Ärzte schwierig ist. Finanziell wie personell.

    Darauf weist auch Thamasett hin. "Das Honorar für Ärzte sinkt", sagt er. Die Kosten für einen Umbau der Praxis muss ein Arzt aber selbst tragen. Sich um die Barrierefreiheit zu kümmern, daran dächten nur wenige, auch wenn es nötig wäre. Die meisten seiner Kollegen und Kolleginnen seien am Limit. 

    Arzt empfiehlt, Barrierefreiheit vorher abzuklären

    Wenn es ums Finanzielle geht, sieht Kiesel auch den Staat in der Pflicht, Abhilfe zu schaffen. Die Bayerische Staatsregierung will die medizinische Versorgung in den Kommunen dieses Jahr mit bis zu 150.000 Euro unterstützen. Das wird laut Kiesel ein Anreiz für Praxen sein, barrierefrei umzubauen. Doch allzu große Veränderungen seien dadurch auch nicht zu erwarten.

    Und nicht nur bauliche Maßnahmen sind nötig, um eine Praxis barrierefrei zu gestalten. Auch Untersuchungsgeräte können für Menschen mit Behinderung zur Herausforderung werden. "In der Radiologie ist das häufig ein Problem", sagt der Experte. Ist das Röntgengerät nicht höhenverstellbar, ist die Untersuchung schnell unmöglich. Thamasett kennt solche Fälle auch vom Augenarzt. "Den Stuhl kann man dort oft nicht wegmachen", sagt er. Wer im Rollstuhl sitzt und sich nicht so leicht umsetzen kann, kann dann auch nicht untersucht werden. Wer also ein Arzttermin vereinbaren will, sollte laut Thamasett möglichst vorher abklären, ob die Praxis überhaupt geeignet ist. 

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