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Bahn: Geht Bayern das Geld für seine Regionalzüge aus?

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Geht Bayern das Geld für seine Regionalzüge aus?

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    Übervolle Züge, fehlende Fahrdienstleiter, Lokführer und Fahrzeuge sowie Verspätungen auf überlasteten Strecken: "Wir merken überall, dass die Infrastruktur auf der letzten Rille fährt", sagt Errol Yazgac von Pro Bahn.
    Übervolle Züge, fehlende Fahrdienstleiter, Lokführer und Fahrzeuge sowie Verspätungen auf überlasteten Strecken: "Wir merken überall, dass die Infrastruktur auf der letzten Rille fährt", sagt Errol Yazgac von Pro Bahn. Foto: Sebastian Gollnow, dpa

    Die gute Nachricht zuerst, denn weitere werden nicht folgen: Der Regionalexpress 96 zwischen Memmingen und München um acht Uhr morgens wird weiterhin fahren. Der bei Pendlern beliebte Zug war wegen des weiteren ICE aus der Schweiz in akuter Gefahr, im Dezember eingestellt zu werden. Denn der Fernverkehr hat Vorfahrt auf den Strecken der Deutschen Bahn. Es gab Krisengespräche mit hochrangigen Bahnmanagern, CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek sowie Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) schalteten sich ein. Letzterer traut sich jetzt immerhin zu sagen: "Ich bin optimistisch, dass eine Lösung gelingt."

    Regionalexpress 96 ab Memmingen fährt weiter

    Willkommen im Bahnland Bayern, wo es offenbar schon der Fürsprache hochrangiger Politiker bedarf, um einen Zug, der im Schnitt von 200 Menschen bestiegen wird, vor dem Exitus zu bewahren. Die Verhältnisse im regionalen Schienenverkehr, der dank des 49-Euro-Tickets für viele Menschen eine preiswerte Art des Transports ist, sind speziell, weil die Interessen von Bahn, Bund, Ländern und verschiedenen Unternehmen aufeinanderprallen. Einer bleibt dabei oft auf der Strecke: der Fahrgast.

    Auf die Frage, was schiefläuft im Bahnverkehr, antwortet Errol Yazgac mit einer Gegenfrage: "Haben Sie Zeit bis morgen?" Als regionaler Sprecher der Fahrgastorganisation Pro Bahn ist Yazgac ein Kummerkasten für enttäuschte Passagiere. Also erzählt er von übervollen Zügen, gestrandeten Schulklassen, fehlenden Fahrdienstleitern, Lokführern und Fahrzeugen sowie Verspätungen auf überlasteten Strecken. "Wir merken überall, dass die Infrastruktur auf der letzten Rille fährt."

    Züge in Bayern sind so unpünktlich wie nie

    Im vergangenen Jahr waren Regionalzüge und S-Bahnen im Freistaat so unpünktlich wie noch nie seit der Bahnreform in den 1990er-Jahren. Als pünktlich gelten Züge, die weniger als sechs Minuten Verspätung haben. Das schafften nur 87 Prozent. Sechs Prozent der Züge fielen gleich ganz aus. Hauptursache sei die oftmals marode Bahninfrastruktur, erklärt die Bayerische Eisenbahngesellschaft BEG, die den Regionalverkehr steuert. Beim überregionalen Verkehr sieht es noch schlechter aus: Laut Deutscher Bahn kommen nur zwei Drittel der ICE rechtzeitig an.

    Behinderungen wegen Bauarbeiten: ein häufiges Bild auf Bayerns Bahnstrecken.
    Behinderungen wegen Bauarbeiten: ein häufiges Bild auf Bayerns Bahnstrecken. Foto: Marcus Merk

    Nach jahrzehntelangem Spar-Diktat hatte die Ampelregierung in Berlin Milliarden Euro für die Erneuerung der Bahn angekündigt und so im Koalitionsvertrag verankert. Allerdings steckt sie in finanziellen Nöten. Auch die Union will in die Bahn investieren, wie der bayerische CSU-Fraktionschef Holetschek versichert. "Pünktlichkeit ist das A und O. Was sich gerade auf deutschen Bahnstrecken abspielt, ist zum Teil blamabel." Die Infrastruktur der Bahn müsse grundlegend erneuert werden und dafür brauche es eine Bahnreform. Damit hebt Holetschek auf Pläne von CDU und CSU ab, nach einem Sieg bei den Bundestagswahlen das Schienennetz, die Bahnhöfe und die Energiesparte aus dem Bahn-Konzern herauszulösen und wieder direkt vom Bund steuern zu lassen. "Wir müssen uns diese Dinge zurückholen", sagt er.

    Wo in den Bahnverkehr investiert werden soll

    Auf dem Weg zu einer besseren Bahn will die Deutsche Bahn in den nächsten sechs Jahren besonders belastete Strecken zeitweise komplett sperren und sanieren. Sieben dieser 40 sogenannten Hochleistungskorridore liegen in Bayern, einer davon ist die Strecke zwischen Augsburg und Ulm. In Bayern soll nach dem Willen der Staatsregierung im Nahverkehr bis 2040 keine Diesellok mehr fahren. Deshalb wurden zuletzt mit Unterstützung des Freistaats die Strecken München-Memmingen-Lindau – allein das kostete 1,12 Milliarden Euro – und Lindau-Ulm elektrifiziert. Für die weiteren Strecken Ulm-Kempten und Senden-Weißenhorn ist die Planung beauftragt. Kempten-Oberstdorf soll noch kommen. Zudem beginnt heuer der Testbetrieb für Wasserstoffzüge zwischen Augsburg und Füssen sowie Peißenberg.

    Wann das alles betriebsbereit ist? Da mag Verkehrsminister Christian Bernreiter lieber keine Prognose abgeben. Er weist auf eine riesige Finanzierungslücke hin: Der Bund habe für die Hochleistungskorridore 30 Milliarden Euro vorgesehen, nötig wären aber 45 Milliarden Euro bis 2027. Zudem gebe es auch abseits der Korridore massiven Erneuerungsbedarf. "Ein Ende des Sanierungsstaus ist nicht in Sicht."

    Verkehrsminister bekommt Vorschläge, wo er Züge streichen kann

    Womöglich gibt es aber noch ein größeres Problem, denn Geld fehlt auch für den Betrieb der Regionalzüge. Die Länder bräuchten nach einem Gutachten des Bundeswirtschaftsministeriums bis 2031 40 Milliarden Euro mehr, um den Regionalverkehr im bisherigen Umfang fahren zu lassen. Ohne Geld ist er in Gefahr – auch in Bayern, wo der Freistaat laut Bernreiter bereits zuschießt. "Unser Spielraum ist nicht unendlich. Schon jetzt bekomme ich aus der Verwaltung Vorschläge, auf welchen Strecken man einsparen könnte", sagt er.

    Diese Züge sind wegen des Deutschland-Tickets preislich für viele interessant. Nach den Erhebungen der Bayerischen Eisenbahngesellschaft spielt dieses 49-Euro-Abo eine wesentliche Rolle bei der Wiederbelebung des Bahnverkehrs nach Corona. Die BEG sagt, erstmals seit 2019 sei wieder die Hälfte der Einwohner Bayerns mehrmals pro Jahr mit dem Regionalzug oder mit der S-Bahn unterwegs. 11,2 Millionen 49-Euro-Abos werden nach Angaben des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen deutschlandweit benutzt, und zwar vor allem von Stammkunden. Mehr als die Hälfte der Abonnenten habe zuvor mehr bezahlt – jetzt springt der Steuerzahler ein. Rund 80 Prozent der Kunden wohnen in Städten, wo es bessere Bahnanschlüsse und Nahverkehrsangebote gibt.

    Das Deutschland-Ticket wird voraussichtlich teurer

    Wie teuer das Ticket 2025 wird, ist offen, die Prognose aber ist klar: Es wird teurer. Wie es nach 2025 weitergeht, ist ohnehin offen. Bernreiter kritisiert, dass der erhoffte Zuwachs an Abonnenten ausgeblieben sei. Den Hauptgrund sieht er in der schlechten Infrastruktur der Bahn. Profitiert hätten vor allem die Bewohner der Ballungsgebiete. "Die Menschen auf dem Land aber schauen mit dem Ofenrohr ins Gebirge." Das übrigens gilt auch für die Kunden des Regionalexpress 96, für den sich Bernreiter eingesetzt hat. Nach den Überschwemmungen in den Pfingstferien ist die Strecke zwischen Memmingen und München derzeit gesperrt.

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