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CSU: Vor dem Parteitag: Neuer Aufbruch für die CSU, aber wohin?

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Vor dem Parteitag: Neuer Aufbruch für die CSU, aber wohin?

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    In einem Jahr wird in Bayern ein neuer Landtag gewählt. Und wie vor der letzten Wahl tourt Ministerpräsident Markus Söder durch die Kinos, plaudert über Politisches und Persönliches, wie hier Anfang Oktober in Nürnberg.
    In einem Jahr wird in Bayern ein neuer Landtag gewählt. Und wie vor der letzten Wahl tourt Ministerpräsident Markus Söder durch die Kinos, plaudert über Politisches und Persönliches, wie hier Anfang Oktober in Nürnberg. Foto: Daniel Löb, dpa

    Es gibt diese kleinen Ärgerlichkeiten im Leben des Markus Söder: Da lädt diese in Bayern nahezu unbedeutende Partei namens SPD zu ihrem Landesparteitag ein, auf dem der weitgehend unbekannte „Florian von Dings“ (Originalton Söder) sich ohne jede Aussicht auf Erfolg zum „Spitzenkandidaten“ für die Landtagswahl küren lässt – und es kommt: der Bundeskanzler! Und eine Woche später ruft die größte und wichtigste, seit sieben Jahrzehnten fast ununterbrochen den stolzen Freistaat regierende CSU ihre knapp 1000 Delegierten zu ihrem großen Parteitag nach Augsburg – aber da kommt nur: Friedrich Merz!

    Nun gut, es hätte noch schlimmer kommen können für den CSU-Chef. Nicht auszudenken, wenn nicht mittlerweile der stets streng dreinblickende Friedrich Merz, sondern noch immer der ewig lächelnde Armin Laschet Vorsitzender der CDU wäre. Ein Intimfeind als Ehrengast beim Parteitag – das hätte gerade noch gefehlt. Aber über diese weitaus ärgerlichere Geschichte aus dem vergangenen Jahr soll in der Union am besten gar nicht mehr geredet werden. Konservative Kanzlerkandidatenkonkurrenz, fortgesetzte Sticheleien, monatelanger Schwesterparteienzwist, persönliche Verletzungen, unerwartete Wahlschlappe ... Schluss, Aus, Schwamm drüber.

    Unbelastet von all diesen Querelen will Söder mit seiner CSU jetzt in Bayern einen neuen Aufbruch starten, ein Jahr vor der Landtagswahl. Die große Frage freilich lautet: Wohin?

    2018 riss Söder das Ruder wenige Wochen vor der Wahl herum

    Im Landtagswahlkampf 2018 marschierte er als Ministerpräsident – damals noch an der Seite von CSU-Chef Horst Seehofer – unter dem Eindruck der Flüchtlingskrise zunächst stramm nach rechts. Erst wenige Wochen vor dem Wahltermin erkannte Söder, dass das ein Irrweg war, der nur die AfD stark macht, und riss das Ruder wieder herum. Dieser Schwenk im letzten Moment rettete ihm und seiner Partei die entscheidenden Prozente. Das schlechteste CSU-Wahlergebnis seit mehr als einem halben Jahrhundert (37,2 Prozent) reichte in Bayern für eine Regierungskoalition mit den bis dahin – und bei manchen CSU-Mandatsträgern bis heute – ungeliebten Freien Wählern.

    Danach begann Söders Flirt mit den Grünen. Die Koalition mit der SPD im Bund hatte sich auseinandergelebt. Die überwältigende Zustimmung zum Artenschutz-Volksbegehren „Rettet die Bienen“ in Bayern hatte dem CSU-Chef vor Augen geführt, welchen Stellenwert die Ökologie in der Gesellschaft mittlerweile hat. Schwarz-Grün oder – wenn's denn sein muss – ein Dreierbündnis mit den Grünen und der FDP schien für die Union im Bund die einzige Machtoption. Der CSU-Chef umarmte im Hofgarten hinter der Staatskanzlei sogar einen Baum, um seine Liebe zur Natur zu demonstrieren.

    Als dann die Corona-Pandemie die Menschen heimsuchte, Söder sich mit klaren Worten als Macher präsentierte und neben Bundeskanzlerin Angela Merkel zum beliebtesten Politiker in Deutschland aufstieg, lockte plötzlich die Chance auf die Kanzlerkandidatur. Für einen Spitzenkandidaten aus Bayern ist eine Bundestagswahl zwar, wie die CSU mit Franz Josef Strauß (1980) und Edmund Stoiber (2002) leidvoll erfahren musste, wenig Erfolg versprechend. Das sei ungefähr so aussichtsreich „wie ein Russlandfeldzug“, hieß es noch zum Jahreswechsel 2020/21 in der Partei. Doch der Reiz, es vielleicht doch ganz nach oben zu schaffen und Strauß und Stoiber zu übertrumpfen, war offenkundig überwältigend.

    Mein Freund, der Baum: Ministerpräsident Markus Söder im Juli bei der Präsentation seines „Klimafahrplans“.
    Mein Freund, der Baum: Ministerpräsident Markus Söder im Juli bei der Präsentation seines „Klimafahrplans“. Foto: Peter Kneffel, dpa

    Das Ergebnis ist bekannt. Laschet verhinderte Söder und Söder trug seinen Teil dazu bei, dass Laschet als Kanzlerkandidat der Union scheiterte. Aber allem Ärger in der Union zum Trotz (siehe oben) schien die Ausgangslage der CSU für die Landtagswahl wieder bestens. Eine SPD-geführte Regierung im Bund war für die bayerischen Christsozialen schließlich schon immer ein Garant für absolute Mehrheiten im Freistaat.

    Diese Zeiten aber sind offenbar vorbei. Obwohl die Ampel-Regierung in Berlin durch fortgesetzte Uneinigkeit und Streitereien auffällt, kommt die CSU in Umfragen kaum vom Fleck. Auf Berlin zu schimpfen und in Bayern Stabilität zu versprechen – diese Strategie Söders reicht für einen neuen Aufbruch zu alter Stärke offensichtlich nicht aus. Auch die Hoffnung der Christsozialen, dass alles besser werde, „wenn wir nach Corona wieder raus zu den Leuten kommen“, erfüllte sich bisher nicht. Wohl kein Ministerpräsident vor ihm war in so kurzer Zeit so viel im Land unterwegs wie Söder seit dem Frühjahr 2022. Sogar seine innerparteilichen Kritiker bescheinigen ihm höchsten Fleiß und unermüdlichen Einsatz. Der erhoffte Effekt aber sei bisher ausgeblieben.

    In Umfragen kann die CSU kaum aufholen

    In der CSU werden dafür eine Reihe von Erklärungen angeboten. Da seien zunächst die äußeren Umstände: Der Union gelinge es im Bund nicht, ausreichend Profil zu zeigen. CDU und CSU fehle markantes Personal. Die Union erscheine nur als „Variante“, nicht als „Gegenmodell“ zur Ampel. Hinzu komme: Die Verunsicherung durch den Krieg in der Ukraine und dessen Folgen für Deutschland spielten im rechten politischen Lager vor allem der radikalen AfD mit ihren populistischen Parolen in die Hände. Und da sei eben auch noch die sehr spezielle Situation in Bayern: Nur hier habe die Union im bürgerlich-konservativen Lager eine ernsthafte Konkurrenz durch die Freien Wähler.

    Was das konkret bedeutet, habe sich in der jüngsten Umfrage im Auftrag des Bayerischen Rundfunks gezeigt. Da habe die FDP im Vergleich zum Jahresbeginn vier Prozent verloren, Freie Wähler und AfD hätten jeweils um zwei Prozent zugelegt. Die CSU dagegen habe sich demnach kaum verbessern können – von 36 auf 37 Prozent. Eine andere Umfrage im Auftrag von Sat.1 Bayern sieht die CSU etwas stärker bei 39 Prozent – ein Prozent weniger als in den Monaten davor.

    Söder will mit den Freien Wählern weiterregieren

    Söder hat aus dieser Situation bereits im Sommer die Konsequenzen gezogen, als er eine Fortsetzung der „Bayern-Koalition“ mit den Freien Wählern zum Wahlziel erklärte und jede andere mögliche Koalition ausschloss. Von einer absoluten Mehrheit soll in der CSU am besten sowieso keiner mehr reden. Zaghafte Andeutungen von Parteifreunden, dass da ja wohl deutlich mehr als 40 Prozent drin sein sollten, will der Parteichef nicht hören.

    Sitzung des bayerischen Kabinetts Hubert Aiwanger (links, Freie Wähler) und Markus Söder (CSU) hätten laut Umfrage derzeit die nötige Mehrheit.
    Sitzung des bayerischen Kabinetts Hubert Aiwanger (links, Freie Wähler) und Markus Söder (CSU) hätten laut Umfrage derzeit die nötige Mehrheit. Foto: Peter Kneffel

    Söder nennt seine Maßgabe realistisch. Andere nennen es taktische Vorsorge – damit hinterher niemand sagen könne, er habe sein Wahlziel verfehlt. Und manche spotten: Der Slogan „CSU = Bayern“ greife nicht mehr. Es müsse längst heißen „CSU + Freie Wähler = Bayern.“

    Die eigene Stärke speist sich aus der Schwäche der Konkurrenz

    Mit gemischten Gefühlen wird auch beobachtet, wie Söder versucht, seiner Partei Zuversicht zu geben, indem er sich selbst als alternativlos und siegessicher präsentiert. Zugespitzt formuliert lautet seine Botschaft: „Ich! – Wer sonst?“ Keinen seiner Gegenkandidaten aus den Reihen der Opposition sieht er als persönliche Herausforderung an. Zu unbekannt. Zu unerfahren. Im falschen politischen Lager. Also: chancenlos in jeder Hinsicht. Auch hier geben ihm seine parteiinternen Kritiker recht – im Moment jedenfalls. Aber sie wenden gleichzeitig ein, dass es „schon ein wenig dürftig“ sei, die eigene Stärke nur mit der Schwäche der Konkurrenz zu begründen.

    In der Partei gibt es viel öffentlich nicht ausgesprochenes Unbehagen. Es betrifft Söders Redeweise in der Krise: Er verstärke mit seinen wiederholten Warnungen vor Blackout und Wohlstandsverlust die Ängste von Bürgerinnen und Bürgern, statt den Menschen Mut zu machen. Es betrifft seine politischen Kurswechsel, zum Beispiel in der Pandemie: erst strengster Corona-Bekämpfer, dann – trotz der angespannten Lage in den Krankenhäusern – Verkünder der neuen Freiheit und erklärter Volksfest-Fan. Und es betrifft sein Auftreten gegenüber der Bundesregierung: Wo bleibt bei all den Klagen über eine angebliche „Benachteiligung“ Bayerns das klassisch-selbstbewusste „Mia san mia“?

    Verstärkt wird dieses Unbehagen beim Blick über die Grenze nach Europa. In vielen Ländern stehen konservative Parteien mit dem Rücken zur Wand, müssten sich, wie Italien oder Schweden, auf Bündnisse mit radikalen Parteien einlassen oder seien aufgespalten oder ganz von der Bildfläche verschwunden. Droht das über kurz oder lang auch der Union?

    "Hightech und Heimat" statt "Laptop und Lederhose"

    In Bayern, da sind sich allerdings auch in der CSU alle einig, ist es noch nicht so weit. Niemand zweifelt aktuell daran, dass Söder auch nach dem Wahlsonntag im Herbst kommenden Jahres eine „Bayern-Koalition“ mit Hubert Aiwanger und seinen Freien Wählern wird bilden können. Der alte CSU-Slogan von „Laptop und Lederhose“ wird fortgeschrieben werden zu „Hightech und Heimat“. Die Parteien, die die Staatsregierung tragen, werden mit einer politischen Bilanz punkten können, die in ihrer eigenen Wahrnehmung nur beim sozialen Wohnungsbau unübersehbare Defizite aufweist. Auf allen anderen Politikfeldern könne man darauf verweisen, dass es anderswo deutlich schlechter laufe und die Staatsregierung – auch wenn die Opposition im Landtag beharrlich versuche, Zweifel zu schüren – mit ihren Zukunftsinvestitionen und Sozialleistungen einsame Spitze sei.

    Die alten Gewissheiten freilich sind dahin. Die einst herausragende Fähigkeit der CSU, wertkonservative, wirtschaftsliberale und christ-soziale Wählerinnen und Wähler in Stadt und Land unter einem großen Dach zusammenzuhalten, ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten Schritt für Schritt geschwunden. Die Hoffnung, befreit von den Zwängen der Großen Koalition, wieder „CSU pur“ leben zu können und damit auch ehemalige Stammwähler zu begeistern, hat sich bisher nicht erfüllt. Das ist, auch wenn er es wohl nie zugeben würde, der größte Ärger des Markus Söder.

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