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Augsburg: Corona-Typ BA.5 in Bayern: "Das sind zu hohe Inzidenzwerte"

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Corona-Typ BA.5 in Bayern: "Das sind zu hohe Inzidenzwerte"

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    Derzeit bekommen viele Menschen ein positives Testergebnis. Die Inzidenz im Freistaat liegt bei fast 630 – deutlich höher als im Sommer vor einem Jahr.
    Derzeit bekommen viele Menschen ein positives Testergebnis. Die Inzidenz im Freistaat liegt bei fast 630 – deutlich höher als im Sommer vor einem Jahr. Foto: Sebastian Gollnow

    Im Sommer 2021 hätte man meinen können, dass jemand in einem ziemlich schlechten Film die Pause-Taste gedrückt hatte. Vor genau einem Jahr lag die Sieben-Tages-Inzidenz in Bayern bei gerade einmal knapp über 5 und niemand sprach von neuen, hochansteckenden Virus-Varianten. In diesem Sommer indes scheint es, als würde der Film, dieses quälend lange Corona-Drama, einfach weiterlaufen. Keine Pause, kein Innehalten – stattdessen: massiv steigende Infektionszahlen.

    Im Freistaat liegt die Inzidenz derzeit bei fast 670 – das ist etwa das 130-Fache dessen, was vor einem Jahr registriert wurde. Die Folge: Immer mehr Menschen müssen wieder wegen Covid-19 im Krankenhaus behandelt werden. Das bayerische Gesundheitsministerium spricht von einer steigenden Tendenz, die seit Anfang Juni sichtbar geworden sei und die man aufmerksam beobachten müsse.

    BA.5 attackiert das Lungengewebe

    Auch Professor Dr. Clemens Wendtner, Corona-Experte und Chefarzt der Infektiologie an der München Klinik Schwabing, hat das derzeitige Infektionsgeschehen im Blick. „Für den Hochsommer sind das zu hohe Inzidenzwerte“, sagt er. „Das macht mir schon Sorgen.“ Vor einem Jahr seien Anfang Juli gerade einmal zehn Covid-Kranke in seiner Klinik gewesen, jetzt seien es 90. Der Grund für das rasante Ansteigen der Infektionszahlen sei der Omikron-Subtyp BA.5, der wegen zweier neuer Mutationen im Spike-Protein noch ansteckender als frühere Untervarianten sei.

    Professor Dr. Clemens Wendtner ist Chefarzt an der München Klinik Schwabing. Er sagt: "Wir haben auch wieder Fälle von schweren Lungenentzündungen."
    Professor Dr. Clemens Wendtner ist Chefarzt an der München Klinik Schwabing. Er sagt: "Wir haben auch wieder Fälle von schweren Lungenentzündungen." Foto: Peter Kneffel, dpa

    Bisher müssten zwar die wenigsten Patientinnen und Patienten auf der Intensivstation behandelt werden, weil die Impfung meist vor schlimmen Verläufen schütze, fährt Wendtner fort. „Aber wir haben auch wieder Fälle von schweren Lungenentzündungen.“ Denn klinisch betrachtet sei es so, dass BA.5 wieder mehr die tieferen Atemwege angreife und das Lungengewebe attackiere. Frühere Omikron-Subtypen wie BA.1 hätten dagegen eher den Rachen betroffen, erklärt der Experte. Mittlerweile mache BA.5 mehr als 65 Prozent der Infektionen aus. „In Kürze werden wir bei 100 Prozent sein“, sagt Wendtner.

    Dass das Infektionsgeschehen derzeit massiv an Fahrt aufnimmt, merkt auch Dr. Hubert Mayer, der Chef der Kliniken an der Paar im Landkreis Aichach-Friedberg. Er spricht von einem immerwährenden „Grundrauschen an Corona-Patientinnen und -patienten“, die in seinen Krankenhäusern behandelt würden. „Und dieses Grundrauschen nimmt zu“, sagt Mayer. Zwar liege derzeit bei ihm niemand wegen Corona auf der Intensivstation – unterschätzen dürfe man die Lage aber nicht. „Dafür, dass jetzt Hochsommer ist, ist die Situation ganz und gar nicht ok“, sagt er. „Denken Sie an den Sommer 2021. Da gab es so gut wie keine Fälle – und dann kam dieser schreckliche Winter.“

    Inzidenzen könnten künftig nicht mehr so aussagekräftig sein

    Erschwerend hinzu komme: Der Blick auf die Inzidenzen werde künftig kein zuverlässiges Bild mehr liefern, sagt Mayer. „Viele Menschen, die zu Hause einen positiven Selbsttest gemacht haben, gehen nicht mehr zum PCR-Test. Andere lassen sich trotz Symptomen überhaupt nicht mehr testen. Ich fürchte, dass wir mindestens das Doppelte an Fällen haben.“ Er glaube auch, dass sich nun, da die Abstriche in Bayern für viele Menschen nicht mehr kostenlos sind, künftig noch weniger Menschen testen lassen werden. „Und dann sind wir absolut im Blindflug unterwegs.“ Man könne nur hoffen, dass es in der Bevölkerung eine Grundimmunisierung gebe – durch Impfungen und durch Infektionen –, die verhindere, dass man wieder solche Zustände wie im vergangenen Winter erleben müsse, fährt Mayer fort.

    Damals kamen viele Kliniken im Freistaat an ihre Belastungsgrenzen – wegen des hohen Patientenaufkommens, aber auch, weil viel Personal, das selbst infiziert war, ausfiel. „Bisher ist der Krankenstand beim Personal auf erfreulich niedrigem Niveau“, sagt Mayer. „Ich fürchte aber, dass sich das ändert.“ Er denke in diesen Tagen oft an den vergangenen Februar zurück, als an seinen Kliniken pro Tag bis zu 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausfielen. „Da einen Dienstplan zu machen, ist ein Ding der Unmöglichkeit.“

    Mehr Krankheitsfälle beim Personal

    An den Kliniken Ostallgäu-Kaufbeuren spürt man bereits zunehmende Personalausfälle. „Der Krankenstand unserer Mitarbeitenden aus allen Bereichen ist höher als sonst zu dieser Jahreszeit, weil zu den üblichen Erkrankungen sich zusätzlich einige Beschäftigte mit Covid-19 infiziert haben“, teilen die Kliniken auf Nachfrage mit.

    Derzeit – Stand Montag – würden an den drei Standorten Kaufbeuren, Füssen und Buchloe insgesamt 22 Corona-Patientinnen und Patienten auf der Isolierstation behandelt. Auf der Intensivstation gebe es keinen Fall zu verzeichnen. „Zwar müssen aktuell nicht mehr Patienten beatmet werden als in den vergangenen Wochen und auch unsere Isolierstationen müssen derzeit noch nicht ausgeweitet werden, die Situation ist allerdings angespannt“, heißt es vonseiten der Kliniken.

    Was bringt die angepasste Impfung?

    Im Herbst soll es einen neuen, an die Omikron-Variante angepassten Impfstoff geben. Wendtner von der München Klinik Schwabing, in der 2020 die ersten deutschen Corona-Patienten behandelt wurden, warnt aber vor allzu viel Euphorie. „Man stellt zu hohe Erwartungen an diesen angepassten

    Für die kommenden Monate gibt Wendtner keine gute Prognose ab. „Ich fürchte, dass wir im Herbst und Winter mindestens eine weitere Welle haben werden“, sagt der Mediziner. „Jeder sollte sich überlegen, wie er sich selbst und seine Umgebung schützen kann. Die Regeln, die wir in den vergangenen zweieinhalb Jahren gelernt haben, wie das Abstandhalten und das Tragen einer Maske, scheinen mir ein bisschen in Vergessenheit zu geraten.“

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