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Atomausstieg: Söders Vorschlag zum Weiterbetrieb von Isar 2 erregt die Gemüter

Atomausstieg

Söders Vorschlag zum Weiterbetrieb von Isar 2 erregt die Gemüter

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    Auch Isar 2 wurde bei der Trennung der letzten Atomkraftwerke vom Stromnetz abgeschaltet. Bayerns Ministerpräsident Söder will die Atomkraft aber noch nicht aufgeben.
    Auch Isar 2 wurde bei der Trennung der letzten Atomkraftwerke vom Stromnetz abgeschaltet. Bayerns Ministerpräsident Söder will die Atomkraft aber noch nicht aufgeben. Foto: Peter Kneffel, dpa

    Bayerns Ministerpräsident Markus Söder würde den Meiler Isar 2 nach der Abschaltung der Atomkraftwerke in Deutschland gerne in Landesverantwortung weiter betreiben. Diese Ansage hat für kontroverse Reaktionen gesorgt. Insbesondere Bundesumweltministerin Steffi Lemke von den Grünen und der ehemalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin äußerten deutliche Kritik an Söders Vorstoß.

    Lemke betonte in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung, dass die Zuständigkeit für die Atomkraft laut Grundgesetz beim Bund liege und die Länder lediglich im Auftrag des Bundes die Überwachung der Atomkraftwerke durchführen könnten. Sie warf Söder vor, genehmigungs- und verfassungsrechtliche Fragen sowie Aspekte der nuklearen Sicherheit leichtfertig zu ignorieren. Die Berechtigung zum Leistungsbetrieb für das Atomkraftwerk Isar 2 sei bereits erloschen, betonte Lemke weiter. Söder versuche den Eindruck zu erwecken, den Abbau der Atomkraftwerke "gegen die Interessen des Strahlenschutzes" hinauszögern zu können. Das sei mit der Rechtslage unvereinbar.

    Die Zuständigkeit für Atomenergie liegt beim Bund

    Auch Jürgen Trittin äußerte sich kritisch gegenüber Söders Vorstoß. Gegenüber der Welt betonte der Grünen-Politiker, dass die Zuständigkeit für die Kernenergie gemäß Grundgesetz beim Bund liege und die Länder lediglich im Auftrag des Bundes handelten, auch während Wahlkampfzeiten. Trittin sagte, Söder werfe sich "mit großer Geste hinter einen abgefahrenen Zug". Er wies darauf hin, dass Bayern sich an geltendes Recht halten müsse, auch in Bezug auf den Abbau der Atomkraftwerke.

    Wolfram König, Präsident des Bundesamts für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE), äußerte sich ebenfalls ablehnend gegenüber Söders Vorstoß. Er betonte in einem Statement gegenüber der Deutschen Presse-Agentur, dass die politische Verantwortung für die nukleare Sicherheit in Deutschland bei der Bundesregierung liege. König hob hervor, dass sich Bundestag und Bundesländer, einschließlich Bayern, auf den Ausstieg aus der Kernenergie verständigt und die Endlagersuche nach wissenschaftlichen Kriterien auf den Weg gebracht hätten. Der von Söder geforderte Sonderweg Bayerns widerspreche dem geltenden Recht und gefährde die Endlagersuche.

    Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann fordert den Ausbau erneuerbarer Energien

    Die Grünen-Bundestagsfraktionschefin Britta Haßelmann bezeichnete Söders Forderung als reine Parteitaktik und Wahlkampfmanöver. Sie wies darauf hin, dass das Atomgesetz seit 2017 den unverzüglichen Abbau der Atomkraftwerke vorsehe und dass Söder, falls er den Rückbau von Isar 2 verhindern oder verzögern wolle, gegebenenfalls Haftungsansprüche gegenüber dem bayerischen Umweltministerium auslösen könne. Haßelmann forderte Söder stattdessen auf, Verantwortung für den Ausbau von erneuerbaren Energien und die Endlagersuche für den Atommüll zu übernehmen.

    Auch aus der FDP gab es Kritik an Söders Vorstoß. Martin Hagen, Fraktionsvorsitzender der FDP im bayerischen Landtag, äußerte zwar grundsätzliche Sympathie für einen längeren Betrieb von Kernkraftwerken, wies jedoch darauf hin, dass Bayern im Falle eines AKW-Betriebs in Eigenregie auch für den anfallenden Atommüll verantwortlich sei. "Wer solche Forderungen erhebt, sollte den Bürgern reinen Wein einschenken: Wo in Bayern gedenkt der Ministerpräsident ein Endlager zu errichten? Diese Frage würde die Menschen im Landtagswahljahr sicher interessieren", sagte der FDP-Politiker.

    Söder sprach sich gegen ein Atommüll-Endlager in Bayern aus

    Die neue Suche nach einem Endlager sieht auch Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) kritisch. Auf Twitter schrieb er, wer die Zuständigkeit für den Betrieb von AKWs in Landeshoheit überleiten wolle, der müsse dann auch alleine die Endlagerung in seinem Bundesland absichern. "Konsequent sein bitte, denn dann ist Thüringen aus der Endlagersuche raus. Kalkulation für den Strom dann bitte auch lokal." 

    Auch Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter von der SPD empfindet Söders Vorstoß und die unbeantwortete Frage nach den Endlagern als problematisch. Im BR Fernsehen betont er, er finde "es schon einigermaßen dreist, wenn man als Führungspersonal sagt, wir wollen das jetzt so fortsetzen, aber gleichzeitig sagt: In meinem schönen Land darf es kein Endlager geben."

    Von der CDU erhält Söder Zuspruch für seinen Vorstoß

    Aus den eigenen Reihen erhielt Söder jedoch Zuspruch für seinen Vorschlag. Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Carsten Linnemann hat sich für einen Weiterbetrieb des Atomkraftwerkes Isar 2 in bayerischer Eigenregie ausgesprochen. "Rechtlich braucht er eine Mehrheit und muss ein Bundesgesetz ändern, so ist es", sagte Linnemann im RTL/ntv-"Frühstart" zu Söders Vorschlag. "Aber dass Politiker erstmal eine Meinung haben in so einer Situation, wo wir eine ganz andere Lage haben als vor zehn Jahren, finde ich richtig." Denn Deutschland befinde sich momentan in einer "Notsituation". Viele Firmen investierten nur aus Kostengründen ins Ausland. Durch Atomenergie könnten diese Kosten gesenkt werden.

    Auch CDU-Chef Friedrich Merz ist Söders Vorschlag, Atomkraftwerke in Länderregie weiterzuführen, nicht abgeneigt. Die Stilllegung der letzten drei Kraftwerke am Wochenende sei eine "völlig überstürzte Entscheidung der Bundesregierung" gewesen, sagte Merz am Montag in Berlin. Man habe schon sehen können, wie dann über Nacht Atomstrom aus Frankreich und Kohlestrom aus Polen importiert worden sei und die Preise bereits wieder nach oben gegangen seien. Merz betont, "alle denkbaren Alternativen zur besseren Energieversorgung seien diskussionsfähig - auch dieser Vorschlag aus Bayern."

    Zudem finde der Vorstoß bei ihm besonders deshalb "viel Sympathie", weil Planungen für Alternativen zur Kernenergie etwa beim Bau von Gaskraftwerken "praktisch ohne Bayern" gemacht würden. "Es ist ein besonders unfreundlicher Akt gegen den Freistaat Bayern und im Grunde genommen gegen den gesamten Süden der Bundesrepublik Deutschland, auch gegen Baden-Württemberg." Die Stilllegung der Atomkraftwerke sei eine "rein ideologische Entscheidung" auf Betreiben der Grünen, so Merz.

    Söder rechtfertigt seinen Vorschlag mit der Energiepolitik des Bundes

    CSU-Chef Söder bestätigt den Vorwurf an die Bundesregierung von Friedrich Merz. Er habe den Wunsch für den Weiterbetrieb des Atomkraftwerks Isar 2 unter bayerischer Verantwortung wegen der Energiepolitik des Bundes, bei der Bayern nicht miteinbezogen wurde, geäußert. Die Bundesregierung verweigere sich nachhaltig, "die bayerische Energieversorgung nur annähernd oder die süddeutsche ernst zu nehmen, während bei anderen Bundesländern die Zusage erfolgt, neue Gaskraftwerke auf den Weg zu bringen", sagte der bayerische Ministerpräsident am Montag nach einer Sitzung des CSU-Vorstands in München. Weder Bayern noch Baden-Württemberg seien Alternativen für wegfallende Kohlekraftwerke angeboten worden.

    "Wir erwarten jetzt eine schnelle Lösung. Und ansonsten bieten wir tatsächlich an, die Zuständigkeit voranzubringen", sagte Söder. Wie genau er dies angehen wolle, ließ Söder aber offen. Ziel des Vorschlags sei es, in den nächsten Jahren Stabilität in die Energiepolitik zu bekommen.

    Söder behauptet, der Atomausstieg sei ein "schwerer Fehler"

    Söder betonte ferner, die Umsetzung des einst auch von der CSU mitgetragenen Atomausstiegs, sei ein "sturer Beschluss gegen die Mehrheit der Bevölkerung" und gegen eine Mehrheit in der Europäischen Union. Dieser "schwere Fehler" werde Deutschland nachhaltig schaden und sei wenig glaubwürdig. Es könnten nicht auf der einen Seite Kernkraftwerke in der Ukraine als sicher und gut eingeschätzt werden, in Deutschland aber der Ausstieg propagiert werde und die wegfallende Energie dann mit "Kernkraft von woanders" kompensiert werden.

    Mit Blick auf rechtliche Bedenken am Betrieb des Atommeilers unter bayerischer Aufsicht verwies Söder darauf, dass bisher auch die Länder fachlich und rechtlich alleine zuständig gewesen seien - einschließlich der jeweiligen Lagerung des Atommülls vor Ort.

    Den Vorwurf, "man habe die Meinung geändert", ließ Söder mit Verweis auf Finnland ebenfalls nicht gelten. Dort sei die kritische Haltung einst noch "entschlossener gewesen", nun aber setze das Land wieder auf die Kernenergie. Wenn die Wissenschaft etwas neu bewerte, sei es "zukunftsvergessen und einfach nur stur, diese Erkenntnisse nicht anzunehmen". Auf Nachfrage erklärte er, eine Endlagerung für eine Million Jahre sei wenig pragmatisch -  "es gibt heute neue Reaktorforschung, die sogar das Thema Atommüll lösbar macht". Demnach könne aus Atommüll Energie gewonnen werden. (lesa mit dpa)

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