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Asylpolitik: Söders Asyl-Vorstoß: Über eine Obergrenze, die nicht Obergrenze heißen soll

Asylpolitik

Söders Asyl-Vorstoß: Über eine Obergrenze, die nicht Obergrenze heißen soll

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    Angesichts der stark steigenden Asylzahlen hat Bayerns Ministerpräsident Markus Söder einen schärferen Asylkurs gefordert.
    Angesichts der stark steigenden Asylzahlen hat Bayerns Ministerpräsident Markus Söder einen schärferen Asylkurs gefordert. Foto: Peter Kneffel, dpa

    Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Markus Söder hat am Montag seine Forderung nach einer „Wende in der Asylpolitik“ bekräftigt. Deutschland benötige ein Aufnahmelimit von 200.000 Asylbewerbern im Jahr, sagte Söder im Anschluss an eine Sitzung des Parteivorstands der CSU. Der Politiker sprach wörtlich von einer „Integrationsgrenze“. Werde diese – so wie in diesem Jahr – überschritten, „droht eine Überforderung.“

    Landräte fordern schärfere Kontrollen an den Grenzen

    Dieser Zustand ist nach Angaben der kommunalen Spitzenverbände längst erreicht. Erst am Freitag hatten die 71 bayerischen Landräte in einer gemeinsamen Erklärung eine schärfere Überwachung der Grenzen gegen den Zustrom illegaler Einwanderer gefordert. Auf Nachfrage unserer Redaktion hieß es am Montag vonseiten des Landkreistages: „Die Landkreise stehen aktuell mit dem Rücken zur Wand. Integration findet kaum statt, weil alle Beteiligten nur noch im Notfallmodus arbeiten können.“

    Warum Söder von einer Integrationsgrenze spricht

    Was das konkret bedeutet, verdeutlicht der Landkreistag an einem Beispiel aus dem Unterallgäu. Ein Geflüchteter, der sich dort heute für einen Sprachkurs anmeldet, kann diesen erst Mitte des Jahres 2024 beginnen. Ebenfalls im kompletten Hotels für 440 Asylbewerber für Aufsehen. 

    Der Zustrom von Geflüchteten, die man unterbringen und integrieren solle, reiße nicht mehr ab, sagte auch ein Sprecher des Gemeindetags. „Das hört nicht mehr auf.“ Die Rückmeldung aus den Rathäusern sei deshalb: „Die Stimmung kippt.“

    Ein Ausweis der Bundesrepublik Deutschland mit dem Vermerk "Aussetzung der Abschiebung (Duldung) – Kein Aufenthaltstitel! Der Inhaber ist ausreisepflichtig!".
    Ein Ausweis der Bundesrepublik Deutschland mit dem Vermerk "Aussetzung der Abschiebung (Duldung) – Kein Aufenthaltstitel! Der Inhaber ist ausreisepflichtig!". Foto: Patrick Pleul, dpa

    Mit seiner Sorge vor einem weiteren Vertrauensverlust in die Politik begründete auch Söder seinen Vorstoß für die Integrationsgrenze. Von der Bundesregierung, der er Untätigkeit vorwarf, forderte er eine Wiederaufnahme der Grenzkontrollen und „einen Stopp von Sonderaufnahmeprogrammen" zum Beispiel für Menschen aus Afghanistan. Er sprach sich für verstärkte Militärpatrouillen im Mittelmeer aus, um Schleuser zu bekämpfen, und forderte eine Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsstaaten. Bei Asylsuchenden aus diesen Staaten gilt ein beschleunigtes Verfahren, das in der Regel mit einer Ablehnung endet. 

    Für Bayern kündigte der Ministerpräsident einen verstärkten Einsatz der Grenzpolizei an und verpflichtende Sprachtests an Schulen. Abgelehnte Asylbewerber sollen kein Geld mehr erhalten, sondern eine Chipkarte, mit der sie einkaufen können. Söder rechnet damit, dass die Karten im Frühjahr eingeführt werden können. Dass seine Vorstöße mit der nahenden Landtagswahl und den schlechten Umfragewerten der CSU zu tun habe, wies Söder zurück. „Lampedusa kennt keine bayerische Bootsflüchtlingen überrannt wird.

    Dass Söder das Wort „Obergrenze“ vermeidet und stattdessen von einer „Integrationsgrenze“ oder „Richtgröße“ spricht, hat auch mit schlechten Erfahrungen zu tun. Schon einmal, im Gefolge der Flüchtlingskrise in den Jahren 2015/2016, hat die CSU versucht, eine Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen pro Jahr durchzusetzen. Schon damals war klar, dass dies internationalem Recht widerspricht. Die Genfer Flüchtlingskonvention lässt Obergrenzen nicht zu. Die CSU unter ihrem damaligen Chef Horst Seehofer beharrte dennoch auf ihrer Forderung, was zu einem heftigen Zerwürfnis mit CDU-Chefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel führte. Erst als die Zahl der Asylanträge 2017 – unter anderem wegen des EU-Türkei-Abkommens – wieder zurückging, konnte der Streit in der Union beigelegt werden. 

    So entwickeln sich die Asylzahlen in Deutschland

    Seit 1953 stellten rund 6,5 Millionen Menschen in Deutschland einen Asylantrag, davon 5,6 Millionen seit 1990. Bisherige Rekordjahre: 2015 und 2016 mit 476.000 beziehungsweise 745.000 Asylanträgen. Diese sanken in den folgenden Jahren zum Teil deutlich unter die 200.000er-Grenze, vor einem Jahr begannen die Zahlen wieder steil anzusteigen.

    Bis einschließlich August wurden nach Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in diesem Jahr mehr als 200.000 Erstanträge auf Asyl in Deutschland gestellt, etwa 15 Prozent davon in Bayern. Der Freistaat liegt damit auf Rang zwei hinter Nordrhein-Westfalen. Die Zahl bedeutet eine Zunahme um 77 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Hauptherkunftsländer der Asylsuchenden sind (in dieser Reihenfolge) Syrien, Afghanistan und die Türkei. 

    Allein aus diesen drei Ländern kamen in den ersten acht Monaten des Jahres weit über 120.000 Menschen, die in Deutschland einen Asylantrag gestellt haben. Ihre Aussichten, bleiben zu dürfen, sind unterschiedlich hoch. Während die sogenannte Schutzquote nach Anträgen von Syrern und Afghanen bei 80 Prozent und mehr liegt, beträgt sie bei Geflüchteten aus dem Nato-Partnerland Türkei lediglich 15 Prozent.

    SPD-Chef Lars Klingbeil griff Söder am Montag scharf an. Rund drei Wochen vor der Wahl in Bayern habe Söder „wieder zur großen Keule ausgeholt“ und mache Politik auf dem Rücken von Migrantinnen und Migranten, sagte der SPD-Politiker am Montag in Berlin. Es sei ein Politikmodell von Söder, dem Bund immer Ratschläge zu erteilen, „aber selbst anpacken wäre ja auch nicht falsch“. 

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