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Asylpolitik: So viele Abschiebungen scheitern in Bayern

Asylpolitik

So viele Abschiebungen scheitern in Bayern

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    2023 gab es in Deutschland 16.430 Abschiebungen. 31.330 Rückführungen konnten indes nicht vollzogen werden.
    2023 gab es in Deutschland 16.430 Abschiebungen. 31.330 Rückführungen konnten indes nicht vollzogen werden. Foto: Michael Kappeler, dpa

    In einer Nacht Ende März steht plötzlich die Polizei vor der Tür. Laven und ihre Familie müssen ihre Sachen packen, es geht zum Flughafen. Dort sollen sie in einen Flieger steigen, der sie zurück in den Irak bringt, zurück in das Land, aus dem sie geflohen waren. Doch es kommt anders. Im Flugzeug bricht die Mutter kurz vor dem Start zusammen, der Bruder rastet aus – der Pilot weigert sich schließlich, Laven und ihre Familie mitzunehmen.

    In den vergangenen Wochen hat unsere Redaktion immer wieder über das 16-jährige Mädchen berichtet, das 2020 nach Deutschland kam, nach Asbach-Bäumenheim im Landkreis Donau-Ries. Laven engagierte sich als Schülersprecherin, hatte eine Zusage für einen Ausbildungsplatz – trotzdem wurde ihr und ihren Familienmitgliedern, darunter ihr schwer kranker Bruder, im vergangenen Herbst die Duldung entzogen. Und damit die Möglichkeit, in Deutschland zu bleiben. Wie es letztlich nach der geplatzten Abschiebung weiterging, dazu später mehr.

    3110 Abschiebungen sind in Bayern 2023 gescheitert

    Dass Rückführungen nicht durchgeführt werden können, ist beileibe keine Seltenheit. Dem Bayerischen Landesamt für Asyl und Rückführungen (LfAR) zufolge sind im Jahr 2023 im Freistaat 3110 Abschiebungen gescheitert. Zum Vergleich: durchgeführt werden konnten nur 2364. Auf Bundesebene sieht die Lage ähnlich aus: Im vergangenen Jahr konnten in Deutschland 31.330 Abschiebungen nicht vollzogen werden – davon scheiterten 30.276 bereits vor der Übergabe der jeweiligen Personen an die Bundespolizei, lediglich 1054 während oder nach der Übernahme. Dem gegenüber stehen 16.430 durchgeführte Abschiebungen, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion hervorgeht.

    "Die Gründe, warum Abschiebungen nicht wie geplant durchgeführt werden können, sind vielschichtig", sagt eine Sprecherin des LfAR gegenüber unserer Redaktion. "Eine Abschiebung kann aus tatsächlichen, rechtlichen oder medizinischen Gründen scheitern." Aus tatsächlichen Gründen beispielsweise dann, wenn die Personen vorher untertauchen und gar nicht mehr da sind, wenn die Polizei sie abholen will. Aus rechtlichen Gründen, wenn ein Verwaltungsgericht im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes eine entsprechende Anordnung treffe. Medizinische Gründe könnten dazu führen, dass jemand nicht flugtauglich ist und daher die Abschiebung scheitert. "Zudem kann es am Flughafen bei einer Linienrückführung zu einem Scheitern der Abschiebung kommen, wenn die Person Widerstand leistet und der Pilot sich weigert, die Person zu befördern", sagt die Behördensprecherin. So wie im Fall von Laven und ihrer Familie.

    Irakische Familie nach geplatzter Abschiebung untergetaucht

    Deren gescheiterte Abschiebung ist etwas mehr als vier Wochen her. Seither: Funkstille. Alle Nachrichten unserer Redaktion an sie bleiben unbeantwortet. Von der 16-Jährigen, den Eltern und Geschwistern fehlt jede Spur. Anwältin Maja von Oettingen, die den Fall betreut hat, vermutet, dass die Familie untergetaucht ist. So etwas komme immer wieder vor, sagt von Oettingen, die sich auf Asylrecht spezialisiert hat.

    Wie oft Menschen nach einer gescheiterten Abschiebung untertauchen, ist schwer herauszufinden. Seitens des Bayerischen Landesamtes für Asyl und Rückführungen könne "hier keine valide Aussage getroffen werden", heißt es auf Nachfrage. Beweggründe und Anlässe für ein Untertauchen seien vielschichtig – oft sei das Untertauchen aber nicht die Folge der gescheiterten Abschiebung, sondern vielmehr deren Grund.

    Andere Länder schicken die Menschen oft zurück nach Deutschland

    Anwältin von Oettingen wurde im Fall von Lavens Familie vom Gericht nach einer neuen Adresse gefragt, erst so habe sie erfahren, dass die Familie nicht mehr auffindbar ist. "Aber die Adresse habe ich natürlich nicht. Dementsprechend wird das Gerichtsverfahren eingestellt werden. Für die Behörden ist der Fall dann erledigt." Die Juristin vermutet, dass sich die Familie nicht mehr in Deutschland aufhält. "Das ist kaum möglich, man braucht ja hier für alles eine Meldeadresse." Bei einzelnen Männern könnte es indes schon sein, dass sie sich eine Zeit lang verstecken können. "Aber irgendwann werden auch die auf der Straße kontrolliert und fliegen auf." 

    Diejenigen, die sich ins Ausland absetzen, hätten aber auch Probleme, fährt von Oettingen fort. "Wenn sie beispielsweise in Frankreich sind und sich dort dann zeigt, dass sie in Deutschland gemeldet waren, dann werden sie zurückgeschickt. Andere Länder wollen ja nicht für Menschen bezahlen, die eigentlich in einem anderen Land sein sollten." Das Ganze treibe mitunter seltsame Blüten. "Oft werden die Menschen über Jahre hin und her geschickt. Wie ein Paket. Man fragt sich da oft, in was für einer Welt man eigentlich lebt."

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