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Aschermittwoch: Was lief bei den Bauernprotesten in Biberach schief?

Aschermittwoch

Was lief bei den Bauernprotesten in Biberach schief?

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    Die Demonstration in Biberach ist zum Politikum geworden.
    Die Demonstration in Biberach ist zum Politikum geworden. Foto: Silas Stein, dpa

    Frauke Möller hat seit dem 8. Januar etliche Demos mitgemacht. Aber so etwas wie in Biberach, sagt die Pferdewirtin, habe sie nicht erlebt. Die 46-Jährige, die in Erlenmoos im Kreis Biberach lebt, 20 Minuten von Memmingen entfernt, ist nach wie vor erschrocken über das Vorgehen der Polizei. "Die Demonstranten waren nicht aggressiv. Es war einfach nur eine sehr laute Kulisse mit Hupen und Kuhglocken", sagt Möller, die zusammen mit ihrem zwölfjährigen Sohn auf der Demo war. "Ich konnte gar nicht fassen, warum die Polizei da so reingeprügelt hat."

    Zwei Wochen sind seit der denkwürdigen Demonstration von Biberach vergangen. Eigentlich wollten die Grünen in der Stadthalle ihren politischen Aschermittwoch mit Agrarminister Cem Özdemir abhalten. Doch neben der angemeldeten Demo am Gigelberg versammelten sich etwa 1000 Menschen in der Stadt. Bauern, Handwerker und andere Demonstranten blockierten die Straßen mit Pflastersteinen und Sandsäcken. Auf die Treppen der Stadthalle wurde Silage gekippt. Ein Heuballen brannte, eine Autoscheibe an einem Begleitfahrzeug wurde zertrümmert. Es kam zu tumultartigen Szenen. Nach Polizeiangaben verhielten sich Demonstranten teilweise aggressiv und griffen Einsatzkräfte an. Diese setzten Schlagstöcke und Pfefferspray ein. Die Grünen sagten die Veranstaltung schließlich ab.

    Der Pfefferspray-Einsatz soll nicht angekündigt worden sein

    Biberach ist längst zum Politikum geworden, zum Symbol für die Wut auf die Grünen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sah "eine rote Linie überschritten". Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) nannte das aggressive Verhalten von Protestierenden in Biberach "völlig inakzeptabel". Und die Attacken auf Grüne mehren sich: Erst etwa in Hirschaid im Kreis Bamberg, wo eine Parteiversammlung nach einer Störaktion durch demonstrierende Landwirte beendet werden musste; zuletzt in Amtzell im Kreis Ravensburg. Dort wurde ein Kandidat der Grünen für die Kommunalwahl beleidigt und geschlagen, der Staatsschutz ermittelt. Die Polizei gehe von einem politischen Hintergrund aus, hieß es am Wochenende.

    Am Politischen Aschermittwoch in Biberach demonstrierten nach Angaben der Polizei etwa 1000 Menschen – darunter Landwirte und Handwerker.
    Am Politischen Aschermittwoch in Biberach demonstrierten nach Angaben der Polizei etwa 1000 Menschen – darunter Landwirte und Handwerker. Foto: Silas Stein, dpa

    Frauke Möller und ihre Mitstreiter betonen, sie hätten in Biberach friedlich demonstriert und sich nicht an den Ausschreitungen beteiligt. Johannes Grieser erinnert sich an das Gedränge der Demonstranten in einer Seitenstraße. An die Schlagstöcke, die die Polizisten nach oben gehalten haben. Dass er, knapp zehn Meter von der Polizeikette entfernt, keinen Ausweg gehabt habe. "Ich habe versucht, nach hinten wegzukommen", sagt der 25-Jährige aus dem Kreis Biberach. Als er sich umdrehte, habe ihn ein Strahl Pfefferspray erwischt. Genauso wie Michael Scherbaum hat er nicht mit so einem massiven Einsatz der Polizei gerechnet. Der Pfefferspray-Einsatz, betonen die beiden, sei nicht angekündigt worden. Sie sind überzeugt: Die Polizisten hätten ihr Vorgehen anders kommunizieren müssen.

    Mit Handyvideos wollen die Demonstranten das harte Vorgehen der Beweissicherungseinheit, die in Biberach im Einsatz war, belegen. Landwirt Daniel Unseld aus Weißenhorn im bayerischen Kreis Neu-Ulm sagt, er habe gesehen, wie Polizisten aus dieser Einheit Teilnehmer tätlich angegriffen hätten, wie ein Demonstrant unvermittelt mit der Faust ins Gesicht geschlagen worden sei. "Es war von Anfang kein Bemühen um Deeskalation da", sagt der 37-Jährige. Rechtsanwalt Rainer Schad aus Tuttlingen berät derzeit mehrere Demonstranten aus Oberschwaben, aber auch aus dem Raum Neu-Ulm und dem Allgäu. "Einige Mandanten wurden schwer verletzt." Schad spricht von Demonstranten, die massiv mit Schlagstöcken traktiert worden sein sollen, andere seien extrem traumatisiert. "Ich kann es nicht nachvollziehen, dass man so hart vorgegangen ist." Nach Angaben des Polizeipräsidiums Ulm wurden in Biberach mindestens sechs Einsatzkräfte verletzt. Wie viele Demonstranten verletzt wurden, ist schwer zu sagen. Die Polizei geht von einer niedrigen einstelligen Zahl aus.

    Einsatzkräfte löschen ein Feuer, das Demonstranten beim politischen Aschermittwoch der baden-württembergischen Grünen vor der Stadthalle von Biberach an der Riß angezündet haben.
    Einsatzkräfte löschen ein Feuer, das Demonstranten beim politischen Aschermittwoch der baden-württembergischen Grünen vor der Stadthalle von Biberach an der Riß angezündet haben. Foto: Silas Stein, dpa

    Die 20-köpfige Ermittlungsgruppe "Riß" im Polizeipräsidium Ulm hat bislang mehr als ein Dutzend Ermittlungsverfahren eingeleitet. Laut Innenminister Thomas Strobl geht es in einem Verfahren unter anderem um den Verdacht des schweren Landfriedensbruchs, acht weitere Strafverfahren betreffen mutmaßliche tätliche Angriffe auf Polizisten und andere Personen. In drei Strafverfahren lautet der Vorwurf Sachbeschädigung, zwei Mal wird wegen Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz ermittelt und ein Mal wegen der Durchführung einer nicht angemeldeten Versammlung. Darüber hinaus wird auch gegen zwei Polizeibeamte wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt ermittelt.

    Künftig sollen bei Bauerndemos mehr Polizisten im Einsatz sein

    Unterdessen dauert die politische Aufarbeitung an. Zum einen geht es um die Frage, inwieweit Rechtsextremisten die Proteste unterwandert oder sie sogar befeuert haben. Nach Angaben der Landesregierung in Stuttgart waren Angehörige der Reichsbürger- und Querdenkerszene unter den Demonstranten. Das andere Thema ist, ob die Polizei die Lage in Biberach richtig eingeschätzt hat und ob sie ausreichend vorbereitet war. Strobl hat den Polizeieinsatz wiederholt verteidigt. "Ich kann nicht erkennen, dass in der Planung von Biberach vorwerfbare Fehler gemacht worden sind", sagte er kürzlich im Landtag. Dennoch soll bei Demonstrationen von Landwirten die Zahl der Einsatzkräfte künftig erhöht werden, auch die Sicherheitskonzepte vor Ort würden angepasst.

    Frauke Möller, die Pferdewirtin aus der Nähe von Biberach, sagt: "Mir geht es darum, die Leute, die in Biberach demonstriert haben, zu rehabilitieren." Ihre letzte Demo wird es nicht gewesen sein.

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