Bayern Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger (FW) sieht sich massiven Vorwürfen im Zusammenhang mit einem antisemitischen Flugblatt aus Schulzeiten ausgesetzt. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) forderte ihn auf, den Sachverhalt aufzuklären.
Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bayerischen Landtag, forderte Konsequenzen: "Wenn sich die Vorwürfe bewahrheiten, muss Markus Söder Hubert Aiwanger entlassen."
Aiwanger selbst stritt eine Autorenschaft ab. "Ich habe das fragliche Papier nicht verfasst und erachte den Inhalt als ekelhaft und menschenverachtend", teilte der Freie-Wähler-Chef am Samstagabend schriftlichen mit. "Der Verfasser des Papiers ist mir bekannt, er wird sich selbst erklären", fügte er hinzu. Wenig später meldete sich Aiwangers Bruder zu Wort: "Ich bin der Verfasser des in der Presse wiedergegebenen Flugblattes." In einer persönlichen Erklärung, die ein Freie-Wähler-Sprecher weiterleitete und die der Bruder selbst in einem Telefonat mit der Deutschen Presse-Agentur bestätigte, hieß es: "Ich distanziere mich in jeder Hinsicht von dem unsäglichen Inhalt und bedauere sehr die Folgen dieses Tuns. Ich war damals total wütend, weil ich in der Schule durchgefallen war."
Aiwanger: "Ein oder wenige Exemplare in meiner Schultasche gefunden"
Trotzdem bleibt eine Verbindung zwischen dem Flugblättern und Freie-Wähler-Chef Aiwanger: "Bei mir als damals minderjährigem Schüler wurden ein oder wenige Exemplare in meiner Schultasche gefunden", schrieb er. Offen ist, wie die politische Debatte um den bayerischen Vize-Ministerpräsidenten weiterverlaufen wird – und ob der Ruf nach Konsequenzen durch Söder verstummen wird.
Aber hätte der Ministerpräsident überhaupt die Möglichkeit, Aiwanger zu entlassen? Grundsätzlich endet die Amtszeit von bayerischen Ministern auf fünf verschiedene Weisen: Durch ihren Tod, nach der Neuwahl des Landtags mit der Vereidigung des neuen Ministerpräsidenten, mit dem Rücktritt des Ministerpräsidenten – und schließlich entweder durch einen eigenen Rücktritt oder eine Entlassung. Das regelt das Bayerische Ministergesetz.
Auch die Entlassung selbst ist dort genauer ausgestaltet: "Ein Staatsminister kann mit Zustimmung des Landtags jederzeit entlassen werden", heißt es in der Vorschrift. Vorschlagen müsste die Entlassung tatsächlich Söder selbst. Das ist nicht nur in diesem Gesetz so vorgesehen, sondern in der Bayerischen Verfassung – dem wichtigsten Gesetz des Freistaats. "Der Ministerpräsident beruft und entlässt mit Zustimmung des Landtags die Staatsminister und die Staatssekretäre", heißt es dort in Artikel 45. Einen Grund für die Entlassung angeben müsste der Ministerpräsident im Übrigen nicht, wie sich aus der juristischen Fachliteratur ergibt.
Aiwanger gilt rechtlich als einfacher Minister
Auch seine Stellung als Vize-Ministerpräsident schützt Aiwanger nicht vor einer hypothetischen Entlassung: Außerhalb der tatsächlichen Vertretung Söders, also wenn der sogenannte Vertretungsfall eintritt, gilt Aiwanger juristisch als einfacher Staatsminister.
Das bedeutet im Ergebnis: Ja, rechtlich betrachtet könnte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) Hubert Aiwanger (FW) als Minister entlassen. Er würde dafür aber die Zustimmung einer Mehrheit im Landtag benötigen. Unabhängig davon ist unklar, wie wahrscheinlich ein solcher Schritt Söders politisch ist – erst Recht mit Blick auf die jüngste Wortmeldung Aiwangers Bruders, die den Freie-Wähler-Chef zumindest hinsichtlich der Autorenschaft des Flugblatts entlastet.