Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat seinen Stellvertreter Hubert Aiwanger aufgefordert, Vorwürfe gegen ihn wegen eines antisemitischen Flugblatts aus Schulzeiten umgehend aufzuklären. "Diese Vorwürfe müssen jetzt einfach geklärt werden. Und zwar vollständig", sagte Söder am Samstag am Rande seines Besuchs in Augsburg. Hubert Aiwanger indes hat seine Teilnahme beim Plärrer-Umzug abgesagt.
Die Süddeutsche Zeitung hatte über das Flugblatt berichtet. Über einen Sprecher teilte der Freie-Wähler-Chef der SZ mit, er habe "so etwas nicht produziert" und werde gegen diese "Schmutzkampagne" im Falle einer Veröffentlichung rechtlich vorgehen.
Söder: "Es sind schlimme Vorwürfe im Raum"
Zu dem von der SZ berichteten Flugblatt sagte Söder: "Es sind schlimme Vorwürfe im Raum. Dieses Flugblatt ist menschenverachtend, geradezu eklig."
Auf eine Anfrage der Deutschen Presse-Agentur reagierte Aiwanger bis Samstagmittag nicht. Ein Sprecher der Freien Wähler sagte, Aiwanger und die Freien Wähler kommentierten "diesen Vorgang" vorerst nicht. Freie-Wähler-Landtagsfraktionschef Florian Streibl sagte auf dpa-Anfrage am Samstag aber: "Wir werden heute mit ihm sprechen." Der Freie-Wähler-Sprecher kündigte am Samstag dann an, es werde eine Reaktion im Laufe des Tages geben. Details ließ er offen.
CSU-Chef Söder sagte an die Adresse seines Koalitionspartners: "Deswegen ist die zentrale Forderung jetzt auch an Hubert Aiwanger, schlichtweg die Dinge einfach zu klären und öffentlich zu erklären." In Bayern wird am 8. Oktober ein neuer Landtag gewählt. Die CSU hatte stets erklärt, die Koalition mit den Freien Wählern fortsetzen zu wollen.
Grünen-Fraktionsspitze fordert Entlassung Aiwangers, sollten Vorwürfe sich bewahrheiten
Aus der Politik kamen umgehend aus fast allen Richtungen Forderungen nach Konsequenzen. Die SPD-Fraktion beantragte eine Sondersitzung des Bayerischen Landtags, der in der Sommerpause ist. SPD-Fraktionschef Florian von Brunn sagte laut einer Mitteilung: "Das Flugblatt ist Rechtsextremismus der untersten Schublade, das die Millionen Opfer des Holocausts und der Nazi-Diktatur auf das Übelste verunglimpft." "Abscheuliche" Auftritte wie in Erding seien bislang als Einzelereignisse abgetan worden. "Das sind sie offenbar nicht", schrieb von Brunn auf der Plattform X weiter.
Die Grünen-Fraktionsvorsitzenden Katharina Schulze und Ludwig Hartmann sagten einer Mitteilung zufolge: "Wenn die Vorwürfe sich bewahrheiten, dann muss Markus Söder Hubert Aiwanger entlassen." Für die FDP forderte Fraktionsvorsitzender Martin Hagen: "Hubert Aiwanger muss sich persönlich erklären und die Vorwürfe ausräumen."
SPD-Parteichef Lars Klingbeil forderte ebenfalls Konsequenzen. "Was sitzen da eigentlich für Leute in der bayerischen Landesregierung?", fragte Klingbeil am Samstag auf einem Landesparteitag der nordrhein-westfälischen SPD in Münster. "Solche Leute gehören nicht in Verantwortung in diesem Land."
Antisemitismus-Beauftragter reagiert auf Vorwürfe gegen Aiwanger
Der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, hat sich angesichts von Vorwürfen gegen Bayerns Vize-Regierungschef Hubert Aiwanger (Freie Wähler) wegen eines antisemitischen Flugblatts in die Diskussion eingeschaltet. "Sollten die Vorwürfe zutreffen, ist Herr Aiwanger aus meiner Sicht als stellvertretender Ministerpräsident von Bayern und anderer Ämter untragbar", sagte Klein der Bild am Sonntag.
"Derartige menschenverachtende Äußerungen über Opfer des Holocaust dürfen von niemandem - auch nicht Jugendlichen - geäußert werden", sagte Klein demnach. "Dies muss Konsens aller demokratischen Parteien sein."
Aiwanger wird Populismus vorgeworfen
Aiwanger war bereits im Juni bundesweit in die Schlagzeilen geraten, wegen umstrittener Äußerungen auf einer Kundgebung in Erding. Er hatte dort unter anderem gesagt, dass die schweigende Mehrheit sich die "Demokratie zurückholen" müsse. Ihm wurde daraufhin - wie schon mehrmals zuvor - Populismus und dann auch eine Wortwahl à la AfD vorgehalten.
Aiwanger, der starke Mann der Freien Wähler bayern- und auch bundesweit, sieht sich gerne als Vertreter der von ihm so bezeichneten "normalen Bevölkerung", von Landwirten und Handwerkern. In Bierzelten und bei anderen Auftritten ledert er regelmäßig gegen die Grünen und die Ampel-Regierung. Vorwürfe, ein Populist zu sein, lässt er an sich abperlen. Er werde sich nicht mundtot machen lassen, sagt er dazu. Sein erklärtes Ziel ist es, potenzielle AfD-Wähler von Stimmen für die AfD abzuhalten und sie zu den Freien Wählern zu "locken". (AZ/dpa)