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Altusried: So funktioniert "Wir Räuber" auf der Freilichtbühne Altusried

Altusried

So funktioniert "Wir Räuber" auf der Freilichtbühne Altusried

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    Zwei unterschiedliche Freiheitskämpfer prägen das Stück "Wir Räuber" in Altusried: der Bayerische Hiasl (Roland Wintergerst, rechts) und Friedrich Schiller (Sebastian Schwab).
    Zwei unterschiedliche Freiheitskämpfer prägen das Stück "Wir Räuber" in Altusried: der Bayerische Hiasl (Roland Wintergerst, rechts) und Friedrich Schiller (Sebastian Schwab). Foto: Ralf Lienert

    Eine saftige Wirtshaus-Schlägerei tobt am Anfang des neuen großen Stücks auf der Freilichtbühne Altusried. Männer und Frauen gehen aufeinander los, verpassenden sich Faustschläge und Kinnhaken, ohrfeigen sich, dass es eine wahre Lust ist. Und das alles im Takt einer schrägen Musik. Die spaßige Keilerei gibt den Sound vor für „Schiller & der Bayerische Hiasl: Wir Räuber“. In den folgenden drei Stunden wird das Leben und Streben des Wilderers Matthäus Klostermayr erzählt, der mit seiner Bande im 18. Jahrhundert das Land zwischen Iller und Lech unsicher machte und schon zu Lebzeiten zu einer Legende und nach seiner grausamen Hinrichtung gar zum Volkshelden wurde.

    Hört sich nach dramatischem Spektakel an – was es auch ist. Aber wie der Titel schon sagt, mischt einer in dem Schauspiel mit, der nichts mit dem Bayerischen Hiasl zu tun hatte: Friedrich Schiller. Der Hiesel als Bühnenspektakel: Kluftinger-Autor schreibt ein Theaterstück über den RäuberLandkreis Augsburg, AltusriedAutor des Stücks, Volker Klüpfel, und Regisseurin Jana Vetten experimentieren damit, den jungen Dichter auf den berühmten Räuber treffen zu lassen. Das liegt einerseits nahe, weil Schiller gleich zu Beginn seiner Karriere mit dem Drama „Die Räuber“ Furore machte – Schiller ließ sich angeblich von Aufstieg und Fall des bayerisch-schwäbischen Räuberhauptmanns inspirieren.

    Die Freilichtbühne Altusried im Oberallgäu zeigt "Wir Räuber".
    Die Freilichtbühne Altusried im Oberallgäu zeigt "Wir Räuber". Foto: Ralf Lienert

    Aber der Kunst-Kniff erlaubt es den Theatermachern zugleich, mehr als nur das aufregende Leben von Klostermayr und dessen Streben nach Freiheit nachzuerzählen. So stehen nämlich gleich zwei Freiheitskämpfer auf der Bühne. Sie könnten unterschiedlicher kaum sein. Der eine, Hiasl, wehrt sich mit (Waffen-)Gewalt gegen die Gesetze der Obrigkeit; dieser bayerische Robin Hood schießt den edlen Herren das Wild weg, das die Ernte der Bauern frisst, und gibt es armen Leuten. Der andere, Schiller, ist ein idealistischer Rebell, der mit klingenden Worten und Sätzen die Machtverhältnisse der absolutistischen Staatsordnung in Frage stellt und mit seinem aufklärerischen Stürmen und Drängen die Menschen aus ihren gesellschaftlich auferlegten Ketten befreien möchte.

    Schiller und der Bayerische Hiasl haben sich nie getroffen

    Getroffen haben sich Matthäus Klostermayr (1736 - 1771) und Friedrich Schiller (1759 - 1805) nie. Aber Volker Klüpfel, der selbst immer wieder auf der Freilichtbühne in Altusried mitspielte und inzwischen mit den Kluftinger-Krimis (zusammen mit Michael Kobr) regelmäßig in den Bestseller-Listen landet, hat aus der fiktiven Begegnung dramatisches und komödiantisches Potenzial gezogen. Herrlich, wie die beiden miteinander reden. Anfangs ist das eine lustige Sache, mit vielen Anspielungen auf Theaterwerke, Filme und Bücher. All die Ironie und Parodie, all der Spott und Klamauk amüsieren die Zuschauer. Später kommt es zu bitteren Auseinandersetzungen um Sinn und Unsinn des Räuberlebens. Fragen werden verhandelt wie: Darf man Angst und Schrecken verbreiten, um Freiheit und Gleichheit in einer ungleichen Gesellschaft herzustellen? Gibt es ein göttliches Gesetz, das über allem steht?

    Das hört sich nach modernem, durchaus anspruchsvollem Theater an. Aber die Altusrieder Freilichtspieler – 300 auf der Bühne, 150 hinter den Kulissen – wissen, was sie ihrem Publikum aus dem Allgäu und Oberschwaben noch bieten müssen: ein unterhaltsames Spektakel. Das gelingt auch dieses Mal.

    Das Rezept für die Inszenierungen in Altusried hat sich bewährt

    Das Rezept dafür hat sich in den vergangenen großen Freilichtspielen, die die Altusrieder alle drei Jahre auf die Naturbühne am Ortsrand bringen, bewährt. Man wähle eine bekannte Heldengestalt, beauftrage einen versierten Autor mit dem Text, hole sich Profis für Regie, Bühnenbild, Musik und Kostüme reichere das intime Spiel mit Kämpfen, Massenszenen und galoppierender Reiterei an: Fertig ist ein fesselndes Schauspiel mit viel Pulverdampf und einer Musik (Cornelius Borgolte), die das Geschehen auf der Bühne köstlich illustriert.

    Wobei man gleich noch anfügen muss, dass das Heldentum mehr als früher keine Männersache mehr ist. In Hiasl Räuberbande mischen auch Frauen mit, und mit der resoluten Burgauerin muss er sich um den Chefposten im wahrsten Sinne des Wortes prügeln. Auf der Adel-Seite wird die Figur des Herzogs Karl Eugen als Einfaltspinsel gezeichnet, während seine Mätresse Franziska von Hohenheim nicht nur ein „hübsches Köpfchen“, sondern auch deutlich mehr Scharfsinn besitzt als er. Dem Herzog und seinem verkommenen Adel hat Kostümbildnerin Eugenia Leis übrigens eine Kleidung verpasst, die genau diese Verkommenheit spiegelt.

    Die Altusrieder Schauspieler setzen den Text packend um

    Die Altusrieder Spielerinnen und Schauspieler setzen den Text von Volker Klüpfel – trotz ihres Amateur-Status – meist packend um. Roland Wintergersts Hiasl ist ein Held, der zwar breitbeinig auf dem Boden steht, aber auch mal zögern und zweifeln darf; Sieglinde Mayr glänzt als energische Wildschützin; Joachim Neumeir gibt einen herrlich depperten Herzog; Sebastian Schwab, der für den verletzten Florian Jungbold als Schiller eingesprungen ist, merkt man an, dass er Profi ist. Einen vehementen Auftritt als stiefelleckender und scharfmachender „Bua“ von Hiasl legt der erst 17-jährige Florian Geißelmann hin.

    Die Räuber-Uraufführung ist gelungen, am Ende spendete das Publikum im Stehen Applaus. Auch das Orchester konnte übrigens live spielen – das war, wie berichtet, im Vorfeld unsicher, da etliche Musikerinnen und Musiker an Corona erkrankt waren. Bei der Premiere war die 2500 Besucher fassende Tribüne fast voll besetzt. Wie es in den kommenden neun Wochen sein wird, steht auf einem anderen Blatt. Der Vorverkauf für die restlichen 24 Vorstellung läuft bisher nicht gut. Dabei ist nun klar: Wer sich eine Karte kauft, erlebt drei Stunden lang aufregendes und vergnügliches Freiluft-Theater.

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