Wer in New York vor dem ehemaligen Gebäude von Coca-Cola, NBC und Columbia Pictures steht, denkt vermutlich nicht an bayerische Schornsteinfeger. Drei Blocks entfernt beginnt der Central Park, direkt nebenan steht der Trump Tower. Was man von außen nicht sieht: Hierher flossen Millionen, die auch von Menschen im Freistaat erwirtschaftet wurden. Inzwischen ist zu befürchten: Raus bekommt man dieses Geld nicht mehr, erst recht nicht mit Rendite. Der Fall beschäftigt nun auch den bayerischen Landtag – und wirft Fragen ans Innenministerium auf.
Die Bayerische Versorgungskammer hält nach eigenen Angaben Anteile an einem Immobilienfonds, der in das Gebäude investiert ist. Es ist nicht die einzige BVK-Investition in US-Immobilien – jetzt muss sie sich mit Verlusten und Klagen beschäftigen. Besonders brisant daran: Die Versorgungskammer untersteht dem Innenministerium und verwaltet für zwölf Anstalten die Altersvorsorge mehrerer Berufsgruppen – unter anderem eben jene der Schornsteinfeger. Der Landtag will die Geschäfte der Kammer nun genauer unter die Lupe nehmen und mögliche Fehler aufklären, wie der Haushaltsausschuss am vergangenen Mittwoch beschlossen hat.
Die Geschäfte der Bayerischen Versorgungskammer in New York: Das sind die Vorwürfe
Zuerst über den Fall berichtet hatte die Münchner Abendzeitung. Ihren Recherchen zufolge steht im Zentrum der Immobiliendeals der Geschäftsmann Michael Shvo, der 2018 wegen Steuerbetrugs 3,5 Millionen US-Dollar Strafe zahlen musste. Ein Investmentgespann unter seiner Beteiligung kaufte 2019 das ehemalige Coca-Cola-Gebäude an der Adresse 711 5th Avenue in Manhattan, in das auch die BVK investierte. Ein Jahr später meldete die Münchner Investmentgesellschaft Deutsche Finance Group, gemeinsam mit Shvos Immobilienfirma für ein Investorengeflecht um die BVK die Transamerica Pyramid in San Francisco erworben zu haben. Laut Abendzeitung investierte die Kammer in den USA zudem in weitere Hotels und Residenzen in Miami, New York und Beverly Hills. Meist als Projektentwickler dabei: Michael Shvo.
Nun laufen mehrere Klagen gegen Shvo, auch die BVK zählt zu den Beklagten. In der 5th Avenue in New York soll Shvo den Anschuldigungen zufolge etwa die Besitzer eines Nobel-Klubs in einen langjährigen Mietvertrag getrickst haben, zudem gelten einige der von ihm betreuten Gebäude als heruntergekommen und überteuert; in der Transamerica Pyramid in San Francisco flog etwa kürzlich ein Fenster aus dem 35. Stock. In der Versorgungskammer, die mit Kapitalanlagen von über 110 Milliarden Euro einer der größten institutionellen Investoren Europas ist, rechne man inzwischen mit Verlusten aus den US-Immobiliengeschäften, zitiert die Abendzeitung aus internen Dokumenten. Hinter den Geschäften stehen komplexe Firmengeflechte. Eine Beziehung zu Shvo „hinsichtlich der streitgegenständlichen Themen“ streitet die Kammer in einer Mitteilung auf ihrer Website ab.
Es gibt aber mehrere Dokumente, die unserer Redaktion vorliegen und Treffen des BVK-Abteilungsleiters für Immobilien Investment Management, Rainer Komenda, bei Terminen mit Shvo belegen; unter anderem im Umfeld des mutmaßlichen gemeinsamen Projekts in San Francisco. Die möglichen Verluste in den USA sind zudem nicht der erste Rückschlag für die Geschäfte der BVK in den vergangenen Monaten: Die österreichische Signa-Gruppe verwaltet für sie einen „Immobilienspezialfonds“, wie die Versorgungskammer mitteilt. Zudem bestünden „an drei hochwertigen Objekten“ mit Signa-Beteiligung Immobilienfinanzierungen, das Gesamtinvestitionsvolumen der Finanzierungen liege „weit unter 0,5 Prozent der Gesamtkapitalanlagen der Versorgungseinrichtungen der Bayerischen Versorgungskammer“. Inzwischen befindet sich die Signa-Gruppe in Konkurs, ihr Gründer René Benko war wegen Korruption verurteilt worden. Auf Anfrage unserer Redaktion, ob ein Verlust aus diesen Geschäften zu erwarten ist und wie hoch dieser ausfällt, verweist die Kammer auf Vertraulichkeit gegenüber Geschäftspartnern. Die Verkehrswerte der Objekte mit Signa-Beteiligung lägen „nach aktuellem Stand über denen der Darlehenssummen“.
Landtag in Bayern wirft einen genauen Blick auf die BVK-Geschäfte in den USA
Christiane Feichtmeier möchte zu den Investitionen der BVK nun Klarheit. Gemeinsam mit allen Kolleginnen und Kollegen ihrer SPD-Landtagsfraktion hat sie die Staatsregierung aufgefordert, diese genauer zu untersuchen. Was die BVK investiert habe, wie die Investitionen geprüft wurden und was das Innenministerium wusste – all das sind Fragen, die ihrer Ansicht nach zu klären sind. Einen entsprechenden Antrag nahm der Haushaltsausschuss in der vergangenen Woche an. Auch die Versorgungskammer soll vorgeladen werden. Sie sei „entsetzt“ gewesen von den Vorwürfen gegen die Kammer, sagt Feichtmeier im Gespräch mit unserer Redaktion. Sie bemängelt, dass das Innenministerium die BVK offenbar nicht streng genug kontrolliert habe und fordert eine „laufende Berichterstattung“ über deren Anlagen an den Haushaltsausschuss.
Über Klarheit dürften sich einige Hunderttausend Menschen im Freistaat freuen: Denn auch die Frage, inwiefern die Renten von Ärztinnen, Apothekern, Schornsteinfegern oder Rechtsanwältinnen, Steuerberaterinnen, Kulturorchestermusikern, Bediensteten an deutschen Theatern oder Landtagsabgeordneten betroffen sind, hängt mit dem Fall zusammen: Die Versorgungskassen all dieser Berufe werden von der BVK verwaltet. Dass deren Renten sich inzwischen nicht mehr nur aus den Beiträgen der Mitglieder finanzieren, legte eine BVK-Abteilungsleiterin bereits 2021 in einer Präsentation offen: Demnach ist der Rentendirektbestand in rund 20 Jahren von über 80 Prozent auf knapp 20 Prozent gesunken, ein zunehmend größerer Teil der Kapitalanlage der Versorgungskammer fließt inzwischen in Hedgefonds, Aktien – und besonders Immobilienfonds.
Das Innenministerium teilt auf Anfrage unserer Redaktion mit, dass die Versorgungskammer „weisungsfrei“ die Auswahl konkreter Investments treffe – „aufsichtliche Eingriffsbefugnisse“ habe das Ministerium also nicht. Dass die Immobilien-Investments in den USA die Versorgung gefährden, sei nicht zu erwarten – schließlich betragen sie nur einen Bruchteil des Gesamtvermögens. Die Strategie der BVK habe in den vergangenen Jahren „zu guten bis sehr guten Kapitalanlageergebnissen“ geführt.
Völlig unverständlich, dass eine Rentenkasse in dubiose Immobiliengeschäfte investieren darf aber nicht in Aktien, die zwar ein gewisses Risiko bergen, aber auf lange Sicht verlässlich hohe Renditen bringen.
Nicht jeder, der glaubt, es zu verstehen, versteht es auch! Das geht scheinbar wieder in die Richtung, "Gier frisst Hirn" .
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