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Alkohol: Räusche im Rückgang: Immer weniger jugendliche Komasäufer in Bayern

Alkohol

Räusche im Rückgang: Immer weniger jugendliche Komasäufer in Bayern

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    Ihre ersten Erfahrungen mit Alkohol machen Jugendliche meist im Alter von 14 bis 15 Jahren, den ersten Rausch haben sie durchschnittlich mit 16 Jahren.
    Ihre ersten Erfahrungen mit Alkohol machen Jugendliche meist im Alter von 14 bis 15 Jahren, den ersten Rausch haben sie durchschnittlich mit 16 Jahren. Foto: Silas Stein, dpa

    Im schlimmsten Fall endet der Rausch, dieser Abend, an dem sich zuerst alles so leicht und dann so schwer anfühlt, mit dem Tod. Immer wieder, etwa an Silvester, kommt es vor, dass junge Menschen so lange trinken, bis sie kollabieren, ins Koma fallen, sterben. Doch diese Fälle werden immer seltener, die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die mit einer Alkoholvergiftung im Krankenhaus behandelt werden mussten, sank in Bayern zuletzt. Einer Erhebung des Statistischen Landesamtes zufolge gab es im Jahr 2022 im Freistaat insgesamt 1985 sogenannte jugendliche Komasäufer im Alter zwischen zehn und 19 Jahren, davon 1095 Jungen und 890 Mädchen. Das sind so wenige wie lange nicht – zum ersten Mal seit über zwanzig Jahren liegen die Zahlen unter 2000. Doch Expertinnen und Experten warnen: Man dürfe das Thema nicht bagatellisieren. 

    Seit Beginn der Erhebungen im Jahr 2000 war die Zahl der jungen Komasäufer in Bayern bis 2011 kontinuierlich gestiegen. 2012 kam die Trendwende. Im ersten Pandemie-Jahr 2020 gab es dann einen signifikanten Rückgang. Expertinnen und Experten führten dies darauf zurück, dass Jugendliche wegen der Lockdowns und der Kontaktbeschränkungen seltener soziale Anlässe zu exzessivem Trinken hatten. 

    Jugendliche haben in der Pandemie ihren Umgang mit Alkohol verändert

    Die rückläufige Entwicklung setzte sich 2021 und 2022 fort. Möglicherweise hätten die Jugendlichen in der Pandemie „einen anderen Umgang mit Alkohol erprobt und diese Gewohnheiten beibehalten“, erläutert eine Sprecherin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Zur Einordnung: In Bayern wurden vor der Pandemie im Schnitt der Jahre 2016 bis 2019 mit knapp 4050 Fällen jeweils etwa doppelt so viele junge Alkoholpatienten behandelt wie zuletzt.

    „Erfreulicherweise setzt sich der rückläufige Trend betroffener Kinder und Jugendlicher fort“, sagt Sophie Schwab, Landeschefin der Krankenkasse DAK Bayern, die die aktuellen Ergebnisse veröffentlicht hat „Doch trotz sinkender Zahlen von Alkoholvergiftungen ist nach wie vor jeder einzelne junge Mensch einer zu viel.“ Man setze deswegen weiter auf Prävention, etwa die Kampagne „bunt statt blau“, die 2024 fortgesetzt werde. 

    Fast 70 Prozent der Jugendlichen haben schon einmal Alkohol getrunken

    Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) betonte in einem Pressestatement: „Es ist erfreulich, dass es erneut weniger jugendliche Rauschtrinkerinnen und Rauschtrinker in Bayern gibt. Obwohl dieser Trend als positiv zu bewerten ist, lassen wir in unseren Bemühungen nicht nach, insbesondere junge Menschen weiterhin über die Gefahren des Alkoholmissbrauchs aufzuklären.“ Denn für Kinder und Jugendliche könne Alkohol bereits in kleinsten Mengen gefährliche gesundheitliche Folgen haben. Bayern investiert der Ministerin zufolge deshalb jedes Jahr mehr als eine halbe Million Euro in Präventionsmaßnahmen gegen Alkoholmissbrauch bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen.

    Die neuen Zahlen des Statistischen Landesamtes zeigen zwar einen Rückgang des exzessiven Trinkens – Alkohol in geringeren Mengen konsumieren aber dennoch viele Jugendliche. Die meisten machen nach Angaben des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzte (BVKJ) ihre ersten Erfahrungen mit Alkohol im Alter von 14 bis 15 Jahren, den ersten Rausch haben sie durchschnittlich mit 16 Jahren. Dem Verband zufolge haben fast 70 Prozent der jungen Menschen im Alter zwischen zwölf und 17 Jahren bereits einmal Alkohol getrunken. 

    Jugendarzt: Umgang mit dem Thema Alkohol ist zu lasch

    „Es geht beim Alkoholkonsum ums vermeintliche Coolsein, darum, zu zeigen, dass man was aushält und dass man dazugehört“, sagt Dr. Christian Voigt, Obmann der Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzte in Augsburg und Nordschwaben. In seinen Augen ist der Umgang mit dem Thema deutlich zu lasch. „Ich verurteile das sehr, dass etwa in der Werbung suggeriert wird, dass man nur mit Bier oder Wein in der Hand glücklich sein kann“, sagt der Mediziner unserer Redaktion. Denn die gesundheitlichen Risiken durch Alkoholkonsum seien für Jugendliche immens. Der Alkoholgehalt steige im Blut stärker und schneller an als bei Erwachsenen – der Alkoholabbau erfolge jedoch langsamer, da der Körper das dafür verantwortliche Enzym noch nicht in dem Maße wie ein Erwachsener bilde. „Der ganze Entgiftungsmechanismus ist bei Jugendlichen noch nicht ausgereift“, sagt Voigt.

    Grundsätzlich müsse man sich im Klaren sein, dass Alkohol ein neurotoxischer Stoff sei, der Nervenzellen töte – und zwar unwiderruflich. „Das Gehirn ist bei Jugendlichen noch im Aufbau, jeden Tag entstehen neue Verbindungen. Wenn das durch Alkoholkonsum gestört wird, hat das massive Auswirkungen.“ Hinzu kämen psychische Probleme bis hin zu Abhängigkeiten – von Alkohol, aber auch von anderen Mitteln. Voigt warnt: „Alkohol ist eine Einstiegsdroge.“ (mit dpa)

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